Ein Sternhaufen und zwei Sternenpopulationen
von Rainer Kayser
16. März 2005
Kugelsternhaufen sind auch deswegen faszinierende Studienobjekte, weil sie
alle aus einer einzigen Sternenpopulation bestehen. Alle? Nein. Ein
Kugelsternhaufen scheint anders zu sein: Neue Beobachtungen mit dem Very
Large Telescope der ESO lieferten nun eine mögliche Erklärung für die
Besonderheiten von Omega Centauri, dem massereichsten Sternhaufen unserer
Milchstraße - und werfen neue Fragen auf.
Der Sternhaufen Omega Centauri (oben) und die von den Astronomen
untersuchte Region (rotes Rechteck und unteres Bild).
Foto:
ESO |
Zwei ganz unterschiedliche Arten von Sternen "bevölkern" den großen
Kugelsternhaufen Omega Centauri. Das zeigen spektroskopische Untersuchungen mit
dem Very Large Telescope VLT der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile.
Während die eine Sternensorte rötlich erscheint und eine normale chemische
Zusammensetzung aufweist, besitzt die zweite, blau leuchtende Sternenpopulation
den höchsten Anteil an Helium, der bislang bei Sternen beobachtet wurde. Die
Astronomen vermuten, dass die blauen Sterne jünger sind und aus Gaswolken
entstanden, die zuvor durch Sternexplosionen mit Helium angereichert wurden.
Kugelsternhaufen bestehen aus vielen hunderttausend bis Millionen Sternen.
Nach der gängigen Theorie sind alle diese Sterne zur gleichen Zeit entstanden -
und sollten sich daher auch in ihrer chemischen Zusammensetzung ähneln. Doch
Omega Centauri, mit fünf Millionen Sternen der größte Kugelsternhaufen unserer
Milchstraße, scheint aus der Art
geschlagen: Er besitzt zwei deutlich unterscheidbare Sternenpopulationen.
Jüngste Messungen mit dem VLT zeigen, dass die blauen Sterne doppelt so viel
schwere Elemente enthalten wie die roten. Daraus folgern die Astronomen, dass
die blauen Sterne einen Heliumanteil von 39 Prozent haben - den höchsten
Heliumanteil, der je gefunden wurde.
Wie lässt sich die Existenz zweier so unterschiedlicher Sternenarten
erklären? Die ESO-Forscher entwerfen folgendes Szenario: Zunächst entstanden
nahezu auf einen Schlag die Sterne der roten Population. Ein Teil dieser Sterne
mit Massen von zehn bis zwölf Sonnenmassen war kurzlebig und explodierte schon
nach wenigen Millionen Jahren als Supernovae. Dabei wurden gewaltige Mengen an
Helium ins All geschleudert - und daraus entstanden dann später die blauen
Sterne.
Warum gerade Omega Centauri sich so von den anderen Kugelsternhaufen
unterscheidet, bleibt dabei freilich unklar. Da er aber größer als alle anderen
Kugelsternhaufen ist, könnte es sich bei dem Objekt um eine Art Übergangstyp
zwischen Kugelsternhaufen und eigenständigen Galaxien handeln, meinen die
Forscher.
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ESO, Europäische Südsternwarte
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