"Das Ausklinken heute ist ein weiterer Meilenstein der Mission Cassini/Huygens",
erklärte der Wissenschaftsdirektor der ESA, Dr. David Southwood. "Nach sieben
Jahren Zusammenleben kam die Trennung im Gütlichen. Wir danken unseren Partnern
bei der NASA herzlich fürs Mitnehmen. Cassini und Huygens werden nun eigene Wege
gehen, aber wir rechnen damit, dass sie bis zum Ende dieser faszinierenden
Mission in Kontakt bleiben werden. All unsere Hoffnungen und Erwartungen richten
sich jetzt auf die ersten Daten aus einer neuen Welt, von deren Erforschung wir
seit Jahrzehnten träumen."
Die gemeinsam von der NASA, der ESA und der italienischen Raumfahrtagentur ASI
entwickelte Mission begann am 15. Oktober 1997 mit dem Start des Sondenpaares an
Bord einer Titan 4B/Centaur von Cape Canaveral in Florida. Die beiden Sonden
brachten beim Start insgesamt 5.548 Kilogramm auf die Waage, was sie zur bisher größten
Planetenmission machte. Um die für die Reise zum Saturn erforderliche
Geschwindigkeit erreichen zu können, mussten sie vier Fly-by-Manöver
absolvieren - zwei an der Venus, eins an der Erde und ein weiteres am Jupiter.
Am 1. Juli ist das Paar als erstes Raumfahrzeug in eine Umlaufbahn um den Saturn
eingetreten.
Im Verlauf seiner dritten Umrundung des Ringplaneten führte der Orbiter am 17.
Dezember ein Manöver durch, das ihn und Huygens auf einen kontrollierten
Kollisionskurs mit Titan brachte. Wie geplant, fand am 22. Dezember eine
Feinabstimmung statt, um Huygens auf seinen nominalen Eintrittskurs zu bringen.
Während Huygens auf diesem Kurs bleiben und am 14. Januar in die Atmosphäre des
Titan eintauchen wird, muss Cassini am 28. Dezember ein weiteres
Kurskorrekturmanöver vornehmen, um nicht auf dem Saturnmond einzuschlagen. Die
heutige Abtrennung erfolgte durch die Zündung von Sprengladungen. Nach der
dadurch ausgelösten Aktivierung eines Federmechanismus bewegt sich Huygens mit
einer relativen Geschwindigkeit von 0,3 Meter pro Sekunde von der Muttersonde weg und rotiert
dabei siebenmal pro Minute um die eigene Achse. Beim Bodenstationsnetz der NASA
gingen die Telemetriedaten zur Bestätigung des Ausklinkens ein.
Huygens befindet sich während ihres 20-tägigen Flugs in Richtung Titan in
"abgeschaltetem" Zustand. Vier Tage vor der Abtrennung wurde ein
Dreifach-Timersystem programmiert, das die Systeme der Sonde kurz vor ihrer
Ankunft am Titan reaktivieren wird.
Wenn alles nach Plan verläuft, wird Huygens am 14. Januar um etwa 10.06 Uhr MEZ
in einem relativ steilen Winkel von 65 Grad und mit einer Geschwindigkeit von 6
Kilometern pro Sekunde
in die Atmosphäre des Titan eintauchen. Das Zielgebiet befindet sich über der
südlichen Hemisphäre auf der Tagseite. Die von einem ablativen Hitzeschild
geschützte Sonde wird binnen 3 Minuten auf 400 Meter pro Sekunde abbremsen und anschließend in
rund 160 Kilometern Höhe ihren 2,6-Meter-Lenkfallschirm entfalten. Dieser Schirm wird nach
2,5 Sekunden die hintere Abdeckung der Sonde entfernen, so dass sich der
Hauptschirm mit seinen 8,3 m Durchmesser entfalten und die Sonde stabilisieren
kann. Anschließend wird der vordere Schild abgeworfen, und die Sonde, deren
Hauptzweck die Erforschung der Atmosphäre des Titan ist, wird Einlässe öffnen
und Ausleger ausfahren, um die wissenschaftlichen Daten zu erfassen. Sämtliche
Instrumente werden unmittelbaren Kontakt zur Atmosphäre haben, um eingehende
Messungen ihrer Struktur, Dynamik und chemischen Zusammensetzung vornehmen zu
können. Gleichzeitig wird die Sonde während ihres Abstiegs Bildaufnahmen der
Titanoberfläche machen. Diese Daten werden direkt an den Cassini-Orbiter
gefunkt, der sich dem Titan während dieser Zeit auf bis zu 60.000 Kilometern nähern
wird. Radioteleskope auf der Erde werden außerdem versuchen, die Signale direkt
zu empfangen.
Nach 15 Minuten wird Huygens in rund 120 Kilometern Höhe ihren Hauptfallschirm abwerfen,
worauf ein kleinerer Bremsschirm mit 3 m Durchmesser zum Einsatz kommt, um
innerhalb der Laufzeit der Batterien der Sonde den weiteren Abstieg durch die
Atmosphäre zu ermöglichen.
Vom Eintauchen in die Atmosphäre bis zum Aufprall von Huygens auf der Oberfläche
des Titan mit einer Geschwindigkeit von rund 6 Metern pro Sekunde werden etwa 140 Minuten
vergehen. Wenn die Sonde all dies ohne Schaden übersteht, beginnt dann ihre
erweiterte Mission der unmittelbaren Charakterisierung der Oberfläche dieses
Saturnmondes, solange die Batterien reichen und Cassini vom Landeplatz aus
"sichtbar" ist, also nicht länger als 130 Minuten.
Zu diesem Zeitpunkt wird der Cassini-Orbiter seine Hauptantenne wieder der Erde
zuwenden und die von Huygens gesammelten Daten überspielen, die 67 Minuten
später von der 70-Meter-Antenne der NASA im australischen Canberra empfangen werden
sollen. Es sind drei Übertragungen vorgesehen, um sicherzugehen, dass keine Daten
verloren gehen. Danach wird Cassini seine Mission der Erforschung des Saturn und
seiner Monde fortsetzen, wobei er in den kommenden Monaten und Jahren mehrmals
am Titan vorbeifliegen wird.
Der Titan ist größer als der Merkur und etwas kleiner als der Mars. Was ihn
einzigartig macht, ist seine dichte, dunstige, stickstoffreiche Atmosphäre mit
ihren Kohlenstoffverbindungen, die wertvolle Hinweise zur Beantwortung der Frage
beinhalten könnten, wie die Erde bewohnbar wurde. Es wird vermutet, dass die
chemische Zusammensetzung der Atmosphäre stark der der Erde vor Beginn des
Lebens ähnelt; sie ist allerdings kälter (minus 180 Grad Celsius), weswegen es dort kein Wasser
in flüssiger Form gibt. Die Ergebnisse der Erkundungen vor Ort durch Huygens
dürften uns also in Kombination mit den weiträumigeren Beobachtungen, die
Cassini bei seinen wiederholten Vorbeiflügen am Titan machen wird, dabei helfen,
nicht nur eins der exotischsten Mitglieder unseres Sonnensystems, sondern auch
die Entwicklung der Erdatmosphäre in ihrem Frühstadium sowie die Mechanismen zu
verstehen, die zur Entstehung des Lebens auf der Erde geführt haben.
Die Mission Cassini/Huygens ist ein Gemeinschaftsvorhaben der NASA, der ESA und
der italienischen Raumfahrtagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL),
eine Abteilung des California Institute of Technology in Pasadena, leitet die
Mission im Auftrag des NASA-Büros für Weltraumwissenschaft in Washington. Der Cassini-Orbiter wurde vom JPL entworfen, entwickelt und gebaut.