Spannung in
der heiligen Nacht
Redaktion
astronews.com
24. Dezember 2004
Während man
in ganz Deutschland nach einem hoffentlich friedlichen und stimmungsvollen
Heiligabend dem ersten Weihnachtstag entgegenschlummert, steht bei der ESA die
eigentliche Bescherung noch bevor: Am frühen Morgen des 25. Dezembers soll sich
der Titanlander Huygens von der Saturnsonde Cassini abkoppeln, um
dann im neuen Jahr auf dem mysteriösen Saturnmond zu landen.
Abtrennung der ESA-Sonde Huygens von Cassini. Bild: NASA/JPL/Caltech |
Am ersten Weihnachtstag wird die europäisch-amerikanische Weltraummission
Cassini-Huygens in eine entscheidende Phase eintreten: Am 25. Dezember 2004
soll um 4.08 Uhr Mitteleuropäischer Zeit (MEZ) die Abtrennung der europäischen
Forschungssonde Huygens vom Saturn-Orbiter Cassini erfolgen.
Bis
Mitte Januar soll sich Huygens dann auf einer freien ballistischen
Flugbahn, also ohne eigenen Antrieb, dem Saturnmond Titan nähern, um in den
Vormittagsstunden des 14. Januars 2005 in die dichte Atmosphäre des größten
Saturnmondes einzutauchen. Um 11.30 Uhr MEZ soll dann die wahrscheinlich harte
Landung auf der noch kaum erforschten Oberfläche des Mondes erfolgen: Es wird
das erste Landemanöver in der Geschichte der Raumfahrt auf einem Körper des
äußeren Sonnensystems sein. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
ist maßgeblich an der Cassini-Huygens-Mission beteiligt.
An Bord der Huygens-Sonde, die von der Europäischen
Weltraumorganisation ESA verantwortet wird, und die nach dem holländischen
Physiker Christiaan Huygens (1629-1695) benannt ist, befinden sich sechs
wissenschaftliche Instrumente. Weitere zwölf sind auf der NASA-Muttersonde
Cassini, deren Antenne die Daten der Huygens-Sonde zur Erde
übertragen wird. Deutsche Wissenschaftler und Ingenieure haben für das Projekt
Huygens eine Vielzahl von Messinstrumenten und -komponenten geliefert,
und sie arbeiten zudem an zahlreichen Experimenten mit. So beteiligen sich an
der Saturnmission das DLR, Institute der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), mehrere
Universitäten sowie die deutsche Raumfahrtindustrie.
Speziell an der Huygens-Mission partizipieren die Universität Köln,
die Ruhr-Universität Bochum, die Technische Universität Dresden und das
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Katlenburg-Lindau. Die
Universität Bonn ist darüber hinaus federführend an dem Doppler Wind Experiment
(DWE) beteiligt. Der finanzielle Anteil Deutschlands an der Cassini-Huygens-Mission
beläuft sich auf rund 115 Millionen Euro, die europäischen Gesamtkosten für die
Huygens-Sonde liegen bei circa 400 Millionen Euro. Die Gesamtkosten der
kompletten NASA/ESA-Mission Cassini-Huygens betragen rund 3,3 Milliarden
Dollar. Deutschland leistet gemeinsam mit Italien die wichtigsten europäischen
Beiträge zu dieser Mission, bezogen auf den finanziellen und wissenschaftlichen
Anteil.
Der Saturnmond Titan - mit 5.150 Kilometern Durchmesser der größte Trabant des
Ringplaneten - ist ein sehr komplexer Körper im Sonnensystem und ähnelt in
vielerlei Hinsicht eher einem Planeten als einem Mond. Er ist der einzige Mond
in unserem Planetensystem mit einer dichten Atmosphäre, nicht zuletzt deshalb
ist er für die Wissenschaft von höchstem Interesse. Wie die Lufthülle der Erde
enthält die Titanatmosphäre hauptsächlich das Element Stickstoff. Hinzu kommen
etwa drei Prozent Methan und etwa ein Prozent Argon. Die beiden amerikanischen
Voyager-Sonden hatten bereits 1980 und 1982 mit Methan verwandte
Kohlenwasserstoffe nachgewiesen.
Ferner ist Titan einer der wenigen Orte im Sonnensystem, an dem sich
primitives Leben entwickelt haben könnte. Wegen seiner dichten Atmosphäre ist er
der einzige Mond, dessen Oberfläche bei den früheren Voyager-Vorbeiflügen
nicht abgebildet werden konnte. Im April 1998 wurde mit dem europäischen
Infrarot-Teleskop ISO erstmals Wasser entdeckt.
Diese Beobachtung, vor allem
aber jüngste Messungen der Cassini-Instrumente bei den beiden
Nahvorbeiflügen am 26. Oktober und am 16. Dezember 2004 lassen auch für die
Experimente der Huygens-Sonde Mitte Januar 2005 eine vielfältige Mischung
von organischen Molekülen auf Titan und in dessen Atmosphäre erwarten. Diese
könnten der Zusammensetzung der Erdatmosphäre in einem sehr frühen Stadium
ähnlich sein.
Die sechs Instrumente an Bord der Huygens-Sonde dienen im Wesentlichen
der Messung von Temperatur, Druck sowie Windgeschwindigkeiten und Windrichtungen
in der Titanatmosphäre. Außerdem können beim Flug durch die Atmosphäre Proben
der Titanluft genommen und mit Hilfe eines Gas-Chromatographen chemisch und
physikalisch auf ihre Zusammensetzung hin analysiert werden. Eine seitwärts
blickende Optik erlaubt infolge der Eigendrehung von Huygens einen
permanenten Rundblick, der mittels der DISR-Kamera (Descent Imager/Spectral
Radiometer) in Schwarz-Weiß-Bildern festgehalten wird, die immer kleinere
Details zeigen, je tiefer die Sonde sinkt.
Ein weiteres Experiment mit deutscher
Beteiligung, das Huygens Atmospheric Structure Instrument (HASI), soll
während des 90-minütigen Abstiegs die physikalischen und elektrischen
Eigenschaften der Titanatmosphäre untersuchen. Instrumente des Surface
Science Package (SSP) werden physikalische Parameter der Mondoberfläche
messen, beispielsweise die Wucht beim Aufschlag auf der Oberfläche, die Neigung
der Sonde gegen die Normalrichtung sowie die optischen Eigenschaften, Temperatur
und Wärmekapazität des Oberflächenmaterials.
Insgesamt 45 Mal wird der Cassini-Orbiter während der vierjährigen
nominalen Missionsdauer nah am Titan vorbeifliegen, zwei dieser nahen Passagen
sind bereits erfolgt. Die Cassini-Huygens-Doppelsonde hatte nach
siebenjährigem Flug das Saturnsystem am 1. Juli 2004 erreicht. Die bisher
erfolgten Messungen und prozessierten Bilder zeigen bereits deutlich
verschiedenartige Strukturen auf der Oberfläche des Titan. Die Forschungssonde
Huygens, so hoffen die Wissenschaftler, wird bei ihrem Abstieg Mitte
Januar den Schleier weiter lüften.
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Huygens, Sonde zur Erkundung des Saturnmondes
Titan (ESA)
Cassini, Projektseiten der NASA/JPL |
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