Das
Geheimnis des dunklen Saturnmondes
Redaktion
astronews.com
11. Juni 2004
Jetzt wird
es ernst für die Raumsonde Cassini: Am Freitagabend soll das kleine Raumschiff
den dunklen Saturnmond Phoebe in einem Abstand von nur 2.000 Kilometern
passieren. Die beteiligten Wissenschaftler hoffen, mit Hilfe der neuen Bilder
eine detaillierte Karte des mysteriösen Saturntrabanten erstellen zu können.
Der Saturnmond Phoebe in einer Serie von Aufnahmen, die Cassini
vom 4. bis 7. Juni machte. Phoebe reflektiert nur fünf Prozent
des Sonnenlichts und ist damit der Mond mit der bislang
dunkelsten Oberfläche im Saturnsystem. Foto:
NASA /JPL / Space Science Institute |
Zwanzig Tage vor der Ankunft der amerikanisch-europäischen Planetenmission
Cassini/Huygens am Ringplaneten Saturn wird die Raumsonde am Freitag, 11.
Juni 2004 um 21.33 Uhr MESZ den äußeren Mond Phoebe passieren. Dabei wird das
Raumschiff mit einer Geschwindigkeit von rund 21.500 Kilometern pro Stunde in nur
zweitausend Kilometer Entfernung an dem etwa 220 Kilometer großen Trabanten
vorbeifliegen. Mit seinen Fernerkundungsinstrumenten soll es Bilder aufnehmen
und Messungen durchführen, die alle bisherigen Daten des kleinen Mondes um viele
Größenordnungen an Qualität übertreffen werden. Auch das Deutsche Zentrum für
Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof wird an den Phoebe-Beobachtungen
teilnehmen und einen Teil der am Wochenende zur Erde übertragenen Daten
wissenschaftlich auswerten. Zunächst sollen erste genaue Karten des kleinen
Mondes erstellt werden, anschließend eine detaillierte wissenschaftliche Analyse
der Oberflächen und Strukturen erfolgen.
Nach fast sieben Jahren Reisezeit und nunmehr dreieinhalb Milliarden Kilometer
zurückgelegter Strecke ist der Vorbeiflug an Phoebe das bislang wichtigste
wissenschaftliche Vorhaben der Cassini/Huygens-Mission. Phoebe, ein
halbwegs kugelförmiger Körper mit Durchmessern zwischen 210 und 230 Kilometern,
kreist mit einer Umlaufperiode von 550 Tagen in etwa 13 Millionen Kilometer
Entfernung um den Saturn. Wegen dieser großen Distanz hat Cassini nur im
Anflug an den Ringplaneten die Möglichkeit zu genauen Beobachtungen des Mondes,
der sich zudem fast in der Ringebene um Saturn bewegt – wäre dies nicht der
Fall, könnte aus bahntechnischen Gründen dieser spektakuläre Nahvorbeiflug gar
nicht erst erfolgen.
Die Ankunft Cassinis am Saturn wurde nicht zuletzt wegen einer möglichst
nahen Passage an Phoebe auf den 1. Juli 2004 gelegt. Die Bahn des Mondes wird
gegenwärtig noch durch die Analyse von Anflugbildern präzisiert – vermutlich
wird der Moment der größten Annäherung an Phoebe (2.063 Kilometer) am Freitag um
21:33 Uhr und 37 Sekunden (MESZ) stattfinden. Damit Phoebe, der sich in
neuneinhalb Stunden einmal um seine eigene Achse dreht, von allen Seiten
möglichst umfassend fotografiert werden kann, sind bereits den ganzen Freitag
vor dem Vorbeiflug die Instrumente angeschaltet. Danach wird das Raumschiff um
180 Grad gedreht, so dass "im Blick zurück" bis Samstagmittag weitere Daten
aufgenommen werden können. Insgesamt werden Messungen von mehr als zwei
Rotationen des Mondes durchgeführt. Die Übertragung aller Daten an die
70-Meter-Antennen des "Deep Space Network" der NASA findet unmittelbar danach
statt. Die mit Lichtgeschwindigkeit übertragenen Signale werden für die Strecke
von der Cassini-Sonde zur Erde rund 83 Minuten benötigen, da Saturn
gegenwärtig 1,5 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt ist.
Durch die Mitgliedschaft von Dr. Ralf Jaumann, Wissenschaftler am Berliner
DLR-Institut für Planetenforschung, im internationalen Spektrometerteam von
Cassini werden exklusive Aufnahmedaten auch in Deutschland ausgewertet. Die
Aufnahmen des Spektrometers VIMS (Visual and Infrared Mapping Spectrometer)
ermöglichen die Analyse der chemischen und mineralogischen Zusammensetzung der
Phoebe-Oberfläche. "Diese Untersuchungen", so Dr. Jaumann, "könnten die Frage
klären, ob Phoebe ein von der Schwerkraft des Saturn 'eingefangener' Asteroid
mit noch unveränderter Zusammensetzung ist, also kein originärer Saturnmond. Das
vermuten wir, weil es nach bisherigem Kenntnisstand so aussieht, als ob wir es
hier mit einem chemisch sehr primitiven, kohlenstoffhaltigen Körper zu tun
haben, dessen Bestandteile im solaren Urnebel kondensierten."
Am DLR erfolgte ein Teil der sekundengenauen Beobachtungsplanung für VIMS mit
dem Ziel, eine vollständige Abdeckung des Mondes mit Spektralmessungen in hoher
Auflösung zu erreichen. Die räumliche Auflösung der Spektrometerdaten wird unter
einem Kilometer pro Datenpunkt liegen und dies in 352 unterschiedlichen, sehr
engen Spektralkanälen in den Wellenlängen zwischen 350 und 5000 Nanometer (millionstel
Millimeter). Damit will die VIMS-Gruppe von Dr. Jaumann kartographisch präzise
globale "Spektralkarten" des Mondes erstellen, aus denen die
chemisch-mineralogische Zusammensetzung der Oberfläche herausgelesen werden
kann.
Bilder in Echtfarben und in sehr hoher Auflösung wird die Kamera ISS (Imaging
Sub System) an Bord von Cassini liefern. Die einzige deutsche
wissenschaftliche Beteiligung an diesem Experiment hat Professor Gerhard Neukum
vom Institut für Geologische Wissenschaften an der Freien Universität Berlin. In
Kooperation mit Professor Neukum und der Cassini-Arbeitsgruppe an der FU Berlin
sowie dem ISS-Wissenschaftsteam unter der Leitung von Dr. Carolyn Porco (Space
Science Institute in Boulder, Colorado) plante das DLR-Institut für
Planetenforschung das punktgenaue "Zielen" der Kamera auf den unter
astronomischen Gesichtspunkten betrachtet winzigen Mond, der von der Cassini-Kamera
mit einer Auflösung von weniger als zwanzig Metern pro Bildpunkt ("Pixel"), im
besten Fall sogar mit nur zwölf Meter pro Pixel aufgenommen wird: Das werden
Bilder in einer ähnlich herausragenden Schärfe sein, wie sie gegenwärtig auch
die vom DLR betriebene Kamera an Bord von Mars Express liefert.
In Berlin-Adlershof sollen mit diesen hochauflösenden Bildern genaue
topographische Karten von Phoebe erstellt werden. Die bisher einzigen
existierenden Bilder des steinernen Winzlings stammen vom Vorbeiflug der
amerikanischen Raumsonde Voyager 2 in zwei Millionen Kilometer
Entfernung im September 1981 und zeigen den Trabanten mit gerade mal elf Pixeln
Durchmesser, die kaum Strukturen erkennen lassen – Cassini wird also zweitausend
Mal bessere Bilder aufnehmen. Für das Imaging Sub System ISS sind 398
Aufnahmen von Phoebe vorgesehen. Wenn die Experimente wie geplant gelingen, wird
Phoebe, in der griechischen Mythologie einer der "Titanen" und für zyklisch
wiederkehrende Ereignisse wie das Zu- und Abnehmen des Mondes "verantwortlich",
für viele Monate der besterforschte Saturnmond sein.
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Huygens, Sonde zur Erkundung des Saturnmondes
Titan (ESA)
Cassini, Projektseiten der NASA/JPL |
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