Ein
rotes Rechteck im All
von Stefan
Deiters
astronews.com
13. Mai 2004
Das
Weltraumteleskop Hubble hat wohl einen der ungewöhnlichsten Nebel
in unserer Milchstraße genauer untersucht: das Rote Rechteck. Das Objekt
mit der offiziellen Bezeichnung HD 44179 ist rund 2.300 Lichtjahre von
der Erde entfernt und zeigt Strukturen, die entfernt an eine Leiter
erinnern. Das Rote Rechteck ist in Wirklichkeit die Vorstufe zu einem so genannten
planetarischen Nebel.

Hubbles Blick auf das Rote Rechteck HD 44179. Foto:
NASA, ESA, Hans Van Winckel (Catholic University of Leuven,
Belgien) und Martin Cohen (University of California, Berkeley) [Großansicht] |
In der April-Ausgabe der Fachzeitschrift The Astronomical Journal
berichtet ein Team von Astronomen über die neuesten Erkenntnisse über das Roten
Rechteck, die mit Hilfe des Hubble-Weltraumteleskops gewonnen wurden. So zeigte
sich, dass das Rechteck eigentlich gar kein Rechteck ist, sondern dass der Nebel
eine eher X-förmige Struktur hat, die nach Ansicht der Forscher auf
Ausströmungen von Gas und Staub vom zentralen Stern zurückzuführen ist.
Außerdem ungewöhnlich ist die leiterähnliche Struktur, die das Rechteck mehr wie
ein Spinnennetz aussehen lässt. Diese könnte sich, so die Astronomen, auf das
wiederholte Abstoßen von Materie vom Zentralstern zurückführen lassen.
Im Zentrum des Roten Rechtecks befindet sich ein Stern, der früher einmal unserer
Sonne nicht unähnlich gewesen sein dürfte und sich gerade in der Endphase seines
nuklearen Lebens befinden. Zur Zeit stößt er gerade seine äußeren Hüllen in die
Umgebung ab und erzeugt dadurch den sichtbaren Nebel. Begonnen hat er damit vor
rund 14.000 Jahren. In einigen Tausend Jahren wird der Stern deutlich kleiner
und heißer sein und dadurch erhebliche Mengen an ultravioletter Strahlung
produzieren und damit das ihn umgebende Gas zum Leuchten anregen. Die Astronomen
sprechen dann von einem planetarischen Nebel.
Zur Zeit allerdings reicht die Temperatur von HD 44179, so der offizielle Name
des Sterns, noch nicht aus, um ultraviolette Strahlung in großen Mengen zu
erzeugen. Deswegen glüht das den Stern umgebende Gas noch nicht und man kann die
Reflektion des Sternenlichts an dem Staub in der Umgebung beobachten. In diesem
Staub befinden sich offenbar auch bestimmte Moleküle, die für die rötliche Farbe
verantwortlich sind. Um welche Moleküle es sich genau handelt, wissen die
Astronomen allerdings noch nicht. Sie tippen auf Kohlenwasserstoffe.
Interessantes entdeckte Hubble auch über den zentralen Stern: Hier fällt bei
genauem Hinschauen nämlich ein dunkles Band auf, das die Astronomen
als Schatten einer dicken Staubscheibe interpretieren, die den Stern umgibt.
Sie sind sich sogar sicher, dass man den Stern selbst gar nicht direkt sehen kann, sondern lediglich das Licht, das senkrecht zur Scheibe entweicht und dann von dem
Staub in unsere Richtung gestreut wird. Und dies ist noch nicht alles: Bei dem
Stern scheint es sich nämlich in Wirklichkeit um ein dichtes Paar von
Sternen zu handeln, die sich alle 10,5 Monate umrunden. Wechselwirkungen
zwischen den beiden Sternen könnte auch die Ursache für die dicke Staubscheibe
sein, die unseren Blick auf das Doppelstern-System verdeckt. Die Scheibe selbst
dürfte dann für die seltsame Struktur des Nebels verantwortlich sein. Die
periodischen Auswürfe von Material, die für die Leiterstruktur sorgen, können
sich die Astronomen allerdings nicht erklären.
Das Rote Rechteck war den Astronomen erstmals Anfang der 1970er Jahre bei der
raketengestützten Suche nach Infrarot-Quellen am Himmel aufgefallen.
Infrarot-Strahlung ist oft auf von Staub umgebene Sterne zurückzuführen, da
diese den Staub ihrer Umgebung aufheizen, der dann die langwellige Strahlung
aussendet. Weitere Beobachtungen der rund 2.300 Lichtjahre entfernten Quelle
enthüllten dann die eigentümliche rechteckige Struktur, die dann die Astronomen
Martin Cohen und Mike Merrill 1973 veranlasste, HD 44179 schlicht Rotes Rechteck
zu nennen.
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