Jahrhunderte lang galten Kometen als Boten bevorstehenden Unheils, tauchten sie
doch scheinbar aus dem Nichts auf. So soll ein Komet über dem antiken Rom
geleuchtet haben, als Julius Caesar ermordet wurde. Im Gegensatz zu den
Planeten, die auf regelmäßigen Bahnen über das Firmament wandern, schienen die
"Haarsterne", wie Kometen im Mittelalter genannt wurden, sich an keine
Regel zu halten. Erst im 17. Jahrhundert erkannten der englische Astronom Sir
Edmund Halley, dass auch Kometen den Gesetzen der Himmelsmechanik gehorchen. So
entdeckte er, dass die Kometen der Jahre 1456, 1531 und 1607 fast die gleiche
Bahn besaßen. Für das Jahr 1758 sagte er dann dessen Rückkehr voraus. Die
meisten Kometen allerdings laufen auf Bahnen um die Sonne, für sie hunderte oder
tausende von Jahren benötigen.
Jährlich kommen immer wieder einige Dutzend Kometen in Sonnennähe – 2003 waren
es 83, aber die wenigsten von ihnen werden hell genug, um auch eine auffällige
Vorstellung am Himmel zu geben. Der letzte wirklich große Komet war Hale-Bopp,
der 1997 für mehrere Wochen unübersehbar am Firmament stand. Seit dem gab es hin
und wieder einige mittelhelle Kometen, die aber eher etwas für Amateurastronomen
waren.
Das könnte sich aber im Mai ändern. Dann erscheint der Komet mit dem etwas
trockenen Namen "C/2001 Q4 (NEAT)" am westlichen Abendhimmel. NEAT
wurde außergewöhnlich früh entdeckt. Vor fast drei Jahren, am 24. August 2001,
wurde er im Rahmen des Near Earth Asteroid Tracking (NEAT) Programms am Mount
Palomar Observatorium gefunden. In diesem automatischen Überwachungsprogramm
wird Nacht für Nacht nach gefährlichen Kleinplaneten sucht, die der Erde zu nahe
kommen könnten. C/2001 Q4 war mehr als zehnmal so weit von der Sonne entfernt
war als die Erde. Er erschien damals rund 400 000 Mal schwächer, als die
schwächsten mit bloßem Auge noch zu sehenden Sterne. Normalerweise werden
Kometen erst entdeckt, wenn sie sich deutlich näher an der Sonne befinden. Diese
frühzeitige Entdeckung ließ vermuten, dass NEAT damals entweder sehr aktiv war
oder sehr groß ist. In den folgenden Jahren 2001 und 2002 wurde der Komet dann langsam heller, aber
Anfang 2003 war er immer noch so schwach, dass er nur in größeren Fernrohren zu
sehen war. Ab Juli 2003 zeigte er auch einen fächerartigen kurzen Schweif.
Der Komet wird seine größte Helligkeit wohl Anfang Mai erreichen. Leider kann
man die tatsächliche Entwicklung gerade bei neuen Kometen, die zum allerersten
Mal beobachtet werden, nur schlecht vorher sagen.
Astronomen bezeichnen Kometen
auch als "schmutzige Schneebälle". Sie sind Überreste aus der Entstehungszeit
unseres Sonnensystems, das vor ca. 4,5 Milliarden Jahren entstand. Im Großen und
Ganzen bestehen sie aus einer relativ lockeren Ansammlung von Schnee und Eis aus
gefrorenem Wasser, Kohlendioxid und anderen Gasen, die mit Staubteilchen
unterschiedlicher Größe durchsetzt sind. Man nimmt heute an, dass es in den
Außenbezirken des Sonnensystems zwei große Reservoire gibt, in denen Kometen
langsam um die Sonne wandern. In diesen kalten Außenbezirken des Sonnensystems
sind Kometen praktisch tief gefroren und haben sich seit ihrer Geburt kaum
verändert. Durch Störungen ihrer Bahn können sie langsam in die inneren und wärmeren Bereiche des
Planetensystems driften. Langsam erwärmt sich dann die Kometenoberfläche. Unter
den Bedingungen des Weltraums gehen dabei leichtflüchtige, gefrorene Gase direkt
in den gasförmigen Zustand über. Um den Kometenkern bildet sich dadurch eine
Gashülle, die Koma, die durch das Sonnenlicht zum Leuchten angeregt wird. Je
näher ein Komet der Sonne kommt, umso größer wird die Koma. Wenn man einen Komet
sieht, beobachtet man eigentlich nur seine Hülle. Der eigentliche Kern selbst
bleibt unsichtbar im Zentrum der Koma verborgen. Er ist viel zu klein –
Hale-Bopp war gerade mal 40 Kilometer groß.
Aber seit den Vorbeiflügen der Sonden Giotto am 13. März 1986 am Kometen Halley,
Deep Space 1 an Borrelly am 23. September 2001 und Stardust an Wild 2 am 2.
Januar 2004 weiß man, dass nicht die ganze Oberfläche eines Kometenkerns aktiv
ist. Vielmehr schießt das Gas mit hoher Geschwindigkeit aus einigen wenigen
kleinen Zentren wie aus einer Düse heraus. Während der Wanderung des Kometen
durch das Sonnensystem ändern sich aber laufend die Beleuchtungsverhältnisse für
diese Aktivitätszentren. Einige werden unter Umständen inaktiv, weil sie kaum noch
Sonnenlicht bekommen, andere dagegen werden stärker, weil sie länger angestrahlt
werden. Diese komplexen Wechselspiele beeinflussen letztlich die
Kometenaktivität und somit die Helligkeit. Dementsprechend gab es in der
Geschichte immer wieder Beispiele für Kometen, die anfangs sehr hell waren, aber
später die Erwartungen nicht erfüllen konnten. Bekannt ist die Geschichte des
Kometen Kohoutek (1973), der erst sehr aktiv war, letztlich aber dann doch nur
eine bescheidene Vorstellung bot. Andere Kometen zerbrachen in tausende kleiner
Teile, als der Gasdruck in ihrem Inneren zu groß wurde. Es gibt auch
Gegenbeispiele wie den Kometen Bradfield, der Ende April für wenige Tage tief am
Morgenhimmel zu sehen war, nachdem er offensichtlich einen Helligkeitsausbruch
erlebt hatte.
C/2001 Q4 wird wohl nicht ganz die Anfangserwartungen erfüllen können. Dennoch
bietet er immer noch alle Voraussetzungen, eine auffällige Erscheinung zu
werden. Im schlechtesten Fall, wird er unter Stadtlichtbedingungen ohne Fernglas
kaum zu sehen sein. Aber außerhalb der Straßenbeleuchtung, dort wo es sehr
dunkel ist, sollte er einen eindrucksvollen Anblick bieten mit einer
Schweiflänge von vielleicht mehr als 20 Vollmonddurchmesser (10 Grad).
Zurzeit ist C/2001 Q4 (NEAT) ein Südhimmel-Komet und
ist nur in südlichen Breiten zu sehen. Für Beobachter in Mitteleuropa taucht er
erst am 8. Mai tief am südwestlichen Abendhimmel auf, wenn er seine maximale
Helligkeit erreicht hat. In den Tagen darauf gewinnt er dann aber rasch an Höhe.
Den geringsten Abstand zur Erde erreicht er am 7. Mai, einen Tag bevor er
sichtbar wird. Dann beträgt seine Entfernung zu unserem Planeten rund 48
Millionen Kilometer. Der Komet wandert bis Ende Mai vom Sternbild Einhorn, durch Krebs
und Luchs in den Großen Bären.
Am 16. Mai 2004 (MESZ) erreicht der Komet schließlich seinen kleinsten Abstand
zu unserem Tagesgestirn. Die Entfernung beträgt dann rund 143,9 Millionen
Kilometer.
C/2001 Q4 ist am späten Abendhimmel in westlicher Richtung zu sehen. Da die
Sonne im Mai immer später untergeht, wird es Mitte des Monats erst nach 23.30
Uhr MESZ vollkommen dunkel, Ende Mai sogar erst nach 24 Uhr. Je nach Helligkeit und
Höhe des Kometen, können Beobachtungen aber auch etwas früher erfolgen.
In den ersten zwei Wochen stört der Mond die Beobachtungen nicht. Vollmond ist
am 4. Mai - totale Mondfinsternis, am 8. geht er dann schon rechtzeitig unter.
Erst nach dem folgenden Neumond beginnt er ab dem 22. Mai die Beobachtungen zu
beeinflussen. Auf jeden Fall empfiehlt es sich, ein Fernglas dabei zu haben.
Selbst wenn der Komet gut mit bloßem Auge zu sehen ist, im Feldstecher erscheint
er noch eindrucksvoller. Empfehlenswert sind auf jeden Fall Beobachtungsplätze
außerhalb des störenden Stadtlichts oder der Straßenbeleuchtung.