Kosmisches Ballett oder Teufels-Maske?
von Stefan
Deiters
astronews.com
29. April 2004
Auch das Very Large Telescope (VLT) der europäischen
Südsternwarte (ESO) auf dem Gipfel des Paranal in Chile konnte unlängst
ein kleines Jubiläum feiern: Am 1. April stand das Teleskop den
Astronomen seit genau fünf Jahren zur Verfügung. Am selben Tag
beobachtete die Teleskopeinheit Melipal einen kosmischen
Balletttanz dreier Galaxien - oder handelt es sich um die Maske des
Teufels?
Das Tripel-System aus NGC 6769 (oben rechts), NGC 6770 (oben
links) und NGC 6771 (unten) in rund 190 Millionen Lichtjahren
Entfernung. Foto: ESO [Großansicht] |
Die meisten Galaxien gehören zu Galaxiengruppen und umkreisen sich langsam in
einer Art kosmischem Ballett. Manchmal allerdings geraten Galaxien zu dicht
aneinander, die Bewegungen werden hektischer und es kommt zu einer Kollision.
Das VLT-Teleskop Melipal hat am 1. April 2004 ein eindrucksvolles
Galaxientripel am Südhimmel ins Visier genommen: Mit dem Visible Multi-Objekt
Spectograph beobachtete das Teleskop das System NGC 6769-71. Es besteht aus
den recht ähnlichen Galaxien NGC 6769 (oben rechts) und NGC 6770 (oben links)
sowie der nur halb so hellen und etwas kleineren Galaxie NGC 6771 (unten). Alle
drei Galaxien verfügen über einen ähnlich hellen so genannten Bulge im
Zentrum, der aus älteren rötlichen Sternen besteht. Im Falle von NGC 6771 ist
dieser bemerkenswert eckig.
NGC 6769 ist eine Spiralgalaxie, deren Spiralarme sehr eng beieinander liegen. Im
Gegensatz dazu hat die benachbarte Galaxie NGC 6770 zwei deutlich ausladende
Spiralarme, von denen einer zur Scheibe der Nachbargalaxie gerichtet ist.
Außerdem sind noch zwei dunkle Bögen zu erkennen, die von NGC 6770 in Richtung
des dritten Partners deuten. Für die Astronomen ist dies ein eindeutiger Hinweis
darauf, dass die Galaxien durch gravitationsbedingte Wechselwirkung Sterne und
Gas verlieren, das sich dann etwa in Form einer Teufels-Maske zwischen den
Partnern sammelt. Die Partner der 190 Millionen Lichtjahre von uns entfernte
Galaxiengruppen bewegen sich zudem mit ähnlichen Geschwindigkeiten von uns weg:
NGC 6769 und 6770 mit etwa 3.800 Kilometern pro Sekunde, NGC 6771 mit rund 4.200
Kilometern pro Sekunde.
Doch wie so oft hat dieses kosmische Ballett zwei Seiten: Nicht nur Zerstörung,
sondern auch neues stellaren Leben lässt sich auf dem Bild ausmachen. Die
bläulichen Spiralarme in NGC 6769 und NGC 6770 sprechen eine deutliche Sprache:
Hier hat die Wechselwirkung zwischen den Galaxien für einen regelrechten
stellaren Babyboom gesorgt, so dass hier nun viele junge, helle Sterne zu finden
sind.
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ESO, Europäische Südsternwarte |
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