Erste
Messungen in der Pampa
Redaktion
astronews.com
6. November 2003
Zwei
wichtige Meilensteine auf dem Weg zur Fertigstellung hat jetzt das
internationale Pierre-Auger-Observatorium in der argentinischen Pampa erreicht:
Mit dem unter deutscher Beteiligung
entstehenden Teleskop konnte erstmals die hochenergetische Komponente der
kosmischen Strahlung gemessen werden. In zwei Jahren soll das Observatorium
komplett fertig gestellt sein.
Glitzernd wie ein Brillant: Eine Photomultiplier-Kamera des
Pierre-Auger-Observatoriums liefert 10 Millionen Bilder in der
Sekunde und verstärkt dabei die Lichtimpulse von einem 11
Quadratmeter großen Spiegel. Foto:
idw / Forschungszentrum Karlsruhe |
Gleich zwei Meilensteine wurden beim internationalen Pierre-Auger-Projekt in
Argentinien im Lauf der letzten Wochen erreicht - und konnten auch gleich mit
einer seltenen Messung gefeiert werden. Nach Fertigstellung der zweiten
Teleskopstation - unter Federführung des Forschungszentrums Karlsruhe und der
Universität Karlsruhe - können die Wissenschaftler dort Leuchtspuren der
kosmischen Strahlung räumlich aufgelöst beobachten. Schon in der zweiten
Beobachtungsnacht ging ihnen ein Teilchen der hochenergetischen Komponente der
kosmischen Strahlung ins Netz. Darüber hinaus wurde von der Kollaboration der
einhundertste Oberflächendetektor zum Partikelnachweis in Betrieb gesetzt. Das
Pierre-Auger-Observatorium wurde damit schon jetzt, zwei Jahre vor der
Fertigstellung, zum weltweit größten Flächendetektor für die Untersuchung der
kosmischen Strahlung.
In der argentinischen Pampa Amarilla, 1.000 Kilometer westlich von Buenos Aires,
entsteht mit dem Pierre-Auger-Observatorium das größte Messfeld der Welt zur
Untersuchung der kosmischen Strahlung (astronews.com berichtete). Auf einer Fläche von 3.000
Quadratkilometern sollen hier die energiereichsten Atomkerne untersucht werden,
die im Universum zu finden sind. Ihre Herkunft ist unbekannt, ihre Energien sind
Hunderte Millionen mal höher, als sie in den größten irdischen
Teilchenbeschleunigern erzeugt werden können. Dafür sind sie extrem selten:
Weniger als ein Ereignis pro Quadratkilometer und Jahrhundert sagen die
Wissenschaftler voraus.
Die Beobachtung dieser kosmischen Überflieger kann vom Erdboden aus erfolgen:
Die einfallenden Atomkerne lösen durch Zusammenstoß mit den Bestandteilen der
Atmosphäre weitere Partikel aus, die eine Leuchtspur erzeugen und auf die
Erdoberfläche vordringen. Beide Signale, die Leuchtspur in der Atmosphäre und
die zum Erdboden vordringenden Partikel können mit zwei aufeinander abgestimmten
Komponenten des Pierre-Auger-Observatoriums gemessen werden: Teleskopstationen
mit Fluoreszenzdetektoren verfolgen die Leuchtspur und großflächig verteilte
Detektoren messen die auftreffenden Teilchen.
Bei beiden Komponenten wurden in diesen Tagen wichtige Meilensteine erreicht:
Mit der Inbetriebnahme einer zweiten Teleskopstation ist es nun möglich, die
Leuchtspuren in der Atmosphäre räumlich aufgelöst zu beobachten und damit die
Richtung ihrer Herkunft zu lokalisieren. "In den letzten Tagen konnten wir
erstmals Signale aus beiden Teleskopstationen gleichzeitig messen", freut sich
Professor Dr. Johannes Blümer, Leiter des Instituts für Kernphysik des
Forschungszentrums Karlsruhe. "Das ist nur in klaren Neumondnächten möglich,
weil die Stärke der Signale nur dem Vorbeiflug einer 20-Watt-Lampe mit
Lichtgeschwindigkeit in 10 Kilometer Entfernung entspricht."
Schon in der zweiten Beobachtungsnacht, am 25. Oktober 2003, konnte ein Teilchen
der hochenergetischen Komponente der kosmischen Strahlung beobachtet werden.
Aufgrund der Messungen in beiden Teleskopstationen wurde die Energie auf 2x1019
Elektronenvolt berechnet. In diesem einen Atomkern war etwa die Energie eines
aufgeschlagenen Tennisballs konzentriert.
Außerdem nahmen die Wissenschaftler den einhundertsten Detektor für die zur
Erdoberfläche vordringenden Partikel in Betrieb. Diese Detektoren sind gefüllt
mit jeweils 12.000 Liter hochreinem Wasser. Beim Eindringen der Partikel
entstehen hier charakteristische Lichtblitze, so genannte Cherenkov-Strahlung.
"Das Pierre-Auger-Observatorium umfasst nun eine Fläche von über 100
Quadratkilometern und ist damit das weltweit größte Instrument zur Beobachtung
der kosmischen Strahlung", fährt Johannes Blümer fort. "Selbst diese Größe
reichte aber nicht aus, um das Ereignis vom 25. Oktober zu messen. Der
Partikelschauer ging knapp neben dem derzeitigen Messfeld nieder. Aber wir
wachsen kontinuierlich."
Am Pierre-Auger-Observatorium arbeiten 54 Forschungseinrichtungen aus 15
Nationen mit. Nach der Fertigstellung im Jahr 2005 werden 1600 Wassertanks auf
einer Fläche von 3000 Quadratkilometern stehen. Vier Teleskopstationen mit
Fluoreszenzdetektoren werden die Leuchtspuren der kosmischen Strahlung
verfolgen. Auch auf diesem riesigen Messfeld erwarten die Forscher jährlich nur
etwa 30 Beobachtungen der höchstenergetischen Partikel im Universum. Das
Observatorium kann auch Teilchen hinunter bis zu einem Zehntel der Energie des
Stereo-Ereignisses registrieren: in diesem Bereich werden zehntausende
Beobachtungen jährlich erwartet.
Noch in anderer Hinsicht ist das Pierre-Auger-Observatorium ein ungewöhnliches
Projekt: Durch technische Verbesserungen und Einsparungen ist es gelungen, die
ursprünglich geplanten Kosten von 55 Millionen Dollar auf rund 48 Millionen zu
drücken. Lange vor der Fertigstellung des "Südobservatoriums" denken die
Wissenschaftler nun schon über ein vergleichbares Instrument auf der
Nordhalbkugel, voraussichtlich in den USA, nach, um in alle Himmelsrichtungen
beobachten zu können.
|