KOSMOLOGIE
Das
Universum - ein vierdimensionaler Fußball?
von Rainer Kayser
9. Oktober 2003
Sportschau-Fans wussten es schon immer: das Universum ist ein Fußball, wenn auch
ein vierdimensionaler. Die Kosmologen nennen dieses Gebilde einen
dodekaedrischen Poincare-Raum und glauben mit der Konstruktion nicht nur
sämtliche aktuellen Beobachtungsdaten erklären, sondern auch nachprüfbare
Vorhersagen machen zu können.
Das von WMAP erstellte "Babyfoto" des Universums. Foto:
NASA / WMAP Science Team
Leser mit einem Java-fähigen Browser sollten hier einen rotierenden Dodekaeder
sehen. Illustration: Jeffrey Weeks
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Nach Auffassung eines internationalen Forschungsteams ist unser
Universum nicht nur endlich - nämlich rund 37 Milliarden Lichtjahre groß
-, sondern von seltsamer Form: Es ähnelt einem aus Fünfecken
zusammengenähten Fußball, wenngleich in vier Dimensionen. Damit, so die
Forscher, ließen sich die Temperaturschwankungen in der kosmischen
Hintergrundstrahlung - einer Art Echo des Urknalls - besser erklären als
mit dem Standardmodell eines unendlichen, flachen Kosmos. Die
Wissenschaftler beschreiben ihr neues Modell des Universums in der
aktuellen Ausgabe des Fachblatts Nature.
"Seit der Antike haben sich die Menschen gefragt, ob unser Universum
endlich oder unendlich ist", erklären die Astronomen um Jean-Pierre
Luminet von der Sternwarte Paris, "jetzt, nach mehr als zweitausend
Jahren der Spekulation, können wir anhand von Beobachtungsdaten endlich
diese Frage beantworten." Anfang des Jahres hatte der Forschungssatellit
WMAP die bislang genaueste Vermessung der vom Urknall hinterlassenen
Reststrahlung geliefert. Aus den Temperaturschwankungen dieser
Hintergrundstrahlung können die Kosmologen mit hoher Genauigkeit
ablesen, welche Geometrie unser Kosmos besitzt und woraus er besteht. Es
schien wie ein spektakulärer Triumph des Standardmodells: Alle Daten
bestätigten, dass unser Universum überwiegend aus Dunkler Materie und
Dunkler Energie besteht, unendlich groß ist, und das seine Expansion
durch die Dunkle Energie beschleunigt wird.
Alle Daten - bis auf eine Kleinigkeit: Eigentlich sollte ein unendlich
großes Universum Temperaturschwankungen auf beliebig großen Skalen
erlauben. Doch die WMAP-Daten zeigen keinerlei Schwankungen oberhalb von
60 Grad. Während andere Forscher auf der Suche nach einer Erklärung über
unbekannte physikalische Prozesse während des Urknalls nachgrübelten,
zogen Luminet und seine Kollegen einen nahe liegenden Schluss: Das
Universum ist nicht unendlich sondern endlich - deshalb kann es keine
Schwankungen auf Skalen geben, die größer sind als der Kosmos selbst.
Wie aber soll so ein endlicher Kosmos geometrisch aussehen? Als Lösung
fiel den Forschern ein "dodekaedrischer Poincare-Raum" ein - ein in eine
vierte Dimension hinein gekrümmter Raum, der von zwölf fünfeckigen
Flächen begrenzt ist. Diese gekrümmten Dodekaeder wiederholen sich
periodisch und bilden so eine Art Hypersphäre. Das dreidimensionale
Analogon dafür ist ein Fußball, der aus gekrümmten Fünfecken lückenlos
zusammengenäht ist. Dieses Modell passt nicht nur exakt zu den
WMAP-Daten, es macht sogar nachprüfbare Vorhersagen. So liegt die
Krümmung des Raumes in dem Modell fest. Noch genauere Messungen der
Hintergrundstrahlung können also schon bald diesen Wert - und damit auch
das Modell selbst - bestätigen oder verwerfen.
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