Rund alle 2.500 Jahre ein "Tunguska-Ereignis"
von Stefan
Deiters
astronews.com
15. September 2003
Alle 600.000 Jahre wird die Erde von einem Asteroiden mit einem
Durchmesser von über einem Kilometer getroffen - das ergab jetzt eine
statistische Auswertung von Daten, die mit dem Lincoln Near-Earth
Asteroid Research Project (LINEAR) gewonnen wurden. Ein "Tunguska"-Ereignis
ist nach neuen Beobachtungen etwas seltener als bislang gedacht: Einen
solchen Einschlag, der 1908 über 2.000 Quadratkilometer sibirischen Wald
vernichtete, sollte es nur alle 2.000 bis 3.000 Jahre geben.

Asteroideneinschlag auf der Erde. Bild: UANews.org /
William K. Hartmann, Planetary Science Institute |
Durchschnittlich alle 600.000 Jahre trifft einer der ungefähr 1.000
erdnahen Asteroiden mit einem Durchmesser von über einem Kilometer die
Erde. Diese neue Zahl gab J. Scott Stuart vom Lincoln Laboratory
des Massachusetts Institute of Technology unlängst auf einer
Fachtagung der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft bekannt. Durch
Kombination von Entdeckungsstatistiken mit neuen Beobachtungen der
Oberfläche von erdnahen Asteroiden konnte Stuart zudem die Häufigkeit von
Ereignissen abschätzen, die 1908 über 2.000 Quadratkilometer Wald in
Sibirien zerstörten. Ereignisse wie dieses - so genannte Tunguska-Ereignis
- sollten nach den Berechnungen des Forschers deutlich seltener vorkommen
als bislang angenommen, nämlich nur alle 2.000 bis 3.000 Jahren.
Erdnahe Asteroiden sind kleine Objekte unseres Sonnensystems, die auf
ihrer Bahn um die Sonne der Erde gefährlich nahe kommen können. Alle
bislang bekannten erdnahen Asteroiden scheinen sich auf Bahnen zu
befinden, die keine Gefahr für unseren Heimatplaneten darstellen,
allerdings sind eine ganze Reihe dieser gewaltigen Felsbrocken bislang
noch nicht entdeckt worden und stellen potentielle Gefahren dar. Im Rahmen
des Lincoln Near-Earth Asteroid Research Projects (LINEAR) soll
deswegen der Himmel systematisch nach erdnahen Asteroiden abgesucht
werden, damit Objekte mit Kollisionskurs zur Erde rechtzeitig aufgespürt
werden können. Von den bislang entdeckten erdnahen Asteroiden gehen rund
70 Prozent auf das Konto von LINEAR. Bis 2008 möchte die NASA 90 Prozent
aller vorhandenen erdnahen Felsbrocken mit einem Durchmesser von über
einem Kilometer aufgespürt haben.
Welche Folgen der Einschlag eines Asteroiden auf die Erde hat, hängt
maßgeblich mit der Größe des Felsbrockens zusammen. Vor allem deswegen ist
diese Ein-Kilometer-Grenze interessant: Asteroiden ab dieser Größe könnten
nach Ansicht der Forscher für langfristige globale Klimaänderungen sorgen.
Ein Ereignis wie das in Tunguska hingegen, bleibt in seinen Folgen relativ
lokal. Die Forscher vermuten, dass dafür ein Asteroid mit einem
Durchmesser von nur 50 bis 75 Meter verantwortlich war. Doch auch schon
die Energie, die dabei frei wurde, war gewaltig: Sie entsprach etwa dem
600-fachen der Energie der Hiroshima-Bombe.
So beruhigend es einerseits ist, dass große Einschläge nur alle 600.000
Jahre zu erwarten sind und auch kleinere Ereignisse durchschnittlich in
einem Abstand von mehreren tausend Jahren auftreten, bedeutet das im
Prinzip nicht, dass nicht schon in naher Zukunft ein großer Brocken auf
die Erde zusteuert: Der zeitliche Abstand zwischen den Einschlägen ist
nämlich nicht gleichmäßig, so dass es durchaus zwei Einschläge innerhalb
kurzer Zeit geben kann und dann eine viel längere Zeit gar keinen. Erst
über einen Zeitraum von vielen Millionen Jahren sind die
Durchschnittswerte relevant.
Entdeckt man einen Asteroiden, ist zunächst nicht viel mehr bekannt,
als sein Position am Himmel und - nach weiteren Beobachtungen - seine Bahn
um die Sonne. Um den Durchmesser abschätzen zu können, sind die Forscher
darauf angewiesen aus der beobachteten Helligkeit des Asteroiden auf die
Größe zu schließen. Dazu waren sie bislang davon ausgegangen, dass ein
erdnaher Asteroid rund elf Prozent des Sonnenlichtes reflektiert. Neue
Beobachtungen ergaben jetzt aber, dass die Asteroiden tatsächlich 14
Prozent des Sonnenlichtes reflektieren, wodurch sich die Abschätzung der
Größe etwas nach unter korrigiert: Asteroiden mit einem Durchmesser von
über einem Kilometer sind also etwas seltener als bislang angenommen.
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