Doppelsterne in Kugelsternhaufen entstehen anders
von Stefan
Deiters
astronews.com
1. August 2003
Mit Hilfe
des NASA-Röntgenteleskop Chandra hat eine Team von Astronomen die
Vermutung bestätigt, dass im dichten Zentrum von Kugelsternhaufen durch äußerst
enge Begegnungen von Einzelsternen neue Röntgen-Doppelsternsysteme entstehen
können. Diese Doppelsterne haben damit eine andere Entstehungsgeschichte als
ihre "Verwandten" außerhalb von Kugelsternhaufen und dürften auf die Entwicklung
des Haufens entscheidenden Einfluss haben.
Chandra-Aufnahme des Kugelsternhaufens NGC 6266. Bei vielen der
punktförmigen Quellen handelt es sich um Doppelstern-Systeme.
Foto: NASA / CXC / MIT / D.Pooley et al. |
Das Wissenschaftlerteam, angeführt von David Pooley vom Massachusetts
Institute of Technology im amerikanischen Cambridge, hat sich bei ihrer
Untersuchung das enorme Auflösungsvermögen des Weltraumteleskops Chandra
zu Nutze gemacht, um in insgesamt zwölf Kugelsternhaufen die genaue Lage der
Röntgenquellen zu lokalisieren. Bei den meisten dieser Objekte handelt es sich
um Doppelsternsysteme, die aus einem Sternenrest, wie einem Neutronenstern oder
einem Weißen Zwerg, bestehen, der von einem normalen Stern Materie abzieht.
"Wir konnten bestimmen, dass die Anzahl der Röntgen-Doppelsterne eng mit der
Anzahl von dichten Begegnungen von Sternen in einem Haufen korreliert ist",
erläutert Pooley. "Unsere Schlussfolgerung daraus ist, dass sich die
Doppelsterne als Folge dieser engen Begegnungen bilden." Eine weitere Studie
von Craig Heinke vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics hat diese Schlussfolgerung bestätigt und konnte zudem zeigen,
dass rund zehn Prozent der Doppelstern-Systeme Neutronensterne als einen Partner
enthielten.
Kugelsternhaufen sind gewaltige Ansammlungen von 100.000 bis zu einer Million
Sterne, die durch ihre gegenseitige Anziehungskraft zusammengehalten werden. Sie
haben nur einen Durchmesser von vielleicht 100 Lichtjahren. Der der Sonne am
nächsten gelegene Stern, Alpha Centauri, ist schon 4,2 Lichtjahre entfernt. Bei
dieser extremen Dichte von Sternen ist es nur zu verständlich, dass sich Sterne
einmal sehr nahe kommen. Obwohl regelrechte Kollisionen nur sehr selten sind,
beeinflussen diese engen Begegnungen die Bahn der beteiligten Sterne:
Doppelstern-Systeme können entstehen, oder schon existierende
Doppelstern-Systeme tauschen ihre Partner.
Schon frühe Beobachtungen mit dem NASA-Röntgensatellit Uhuru hatten zu
dem Schluss geführt, dass Röntgen-Doppelsterne in Kugelsternhaufen deutlich
häufiger zu finden sind als an anderen Orten in unserer Galaxis. Durch die nun
veröffentlichten Forschungen bestätigt sich der Verdacht, dass die Bildung
dieser Systeme durch die "Enge" in den Sternhaufen begünstigt wird. Zwei
Prozesse spielen dabei eine besondere Rolle: Entweder trifft ein einzelner
Neutronenstern auf ein Paar normaler Sterne und zwingt durch seine hohe
Gravitationskraft den schwereren der beiden Sterne zu einem Partnerwechsel. Der
leichtere Partner wird dabei weggeschleudert. Oder aber ein Neutronenstern
zwingt bei einer engen Begegnung einen Einzelstern zur Bildung eines
Doppelsternsystems. Auch hierbei spielt die große Gravitationskraft des
Neutronensterns eine Rolle.
"Die neuen Daten helfen nicht nur, dieses lange bestehende Mysterium über Röntgen-Doppelsterne in Kugelsternhaufen zu lösen,
sie liefern auch ein tieferes Verständnis über die Entwicklung von Kugelsternhaufen", so Heinke.
"So könnte beispielsweise die Energie, die bei der Bildung eines
Doppelstern-Systems frei wird, helfen, einen Kollaps des inneren Bereichs des
Haufens zu einem Schwarzen Loch zu verhindern."
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