Forscher
kommen Ursuppe näher
Redaktion
astronews.com
16. Juli 2003
Unmittelbar nach dem Urknall bestand das Universum aus einem heißen Plasma
aus Quarks und Gluonen. Im Schwerionen-Beschleuniger der amerikanischen Brookhaven
National Laboratories gelang es Forschern jetzt, einen neuen Materie-Zustand zu erzeugen, der
dieser Ursuppe recht nahe kommt. Beteiligt an den Forschungen waren auch
deutsche Kernphysiker der Universität Münster.

Luftaufnahme des Brookhaven National Laboratory.
Foto:
Brookhaven National Laboratory |
Nur einen Sekundenbruchteil nach dem Urknall soll sie Bestand gehabt haben,
die heiße und dichte Ursuppe aus Quarks und Gluonen, aus der sich vor vielen
Milliarden Jahren das Universum entwickelt hat. Diesen Urzustand zu
rekonstruieren, in dem sich die heute fest im Atomkern eingeschlossenen
winzigsten Grundbausteine der Materie nur für diesen extrem kurzen und doch so
entscheidenden Moment frei bewegten, ist seit jeher das Ziel von Kernphysikern
überall auf der Welt. Wie es aussieht, sind sie diesem Ziel jetzt näher denn je.
Einem internationalen Forscherteam, bei dem auch Kernphysiker der Universität
Münster maßgeblich mitgewirkt haben, ist es in Experimenten am
Schwerionen-Beschleuniger der Brookhaven National Laboratories in den USA
gelungen, einen neuen Materie-Zustand zu erzeugen. Ob damit tatsächlich bereits
das so genannte Quark-Gluon-Plasma erzeugt werden konnte, wagen Experten zwar
noch nicht eindeutig zu behaupten. Gleichwohl werden die jüngsten Ergebnisse als
das bislang wichtigste Indiz für den gesuchten Urzustand der Materie gewertet.
Wie Prof. Dr. Rainer Santo, Direktor des Instituts für Kernphysik der
Universität Münster, erläutert, wurden bei den Experimenten an dem neuen
Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) in den USA, der als der bislang
leistungsstärkste Schwerionen-Beschleuniger der Welt gilt, Gold-Atomkerne mit
hoher Energie frontal aufeinander geschossen. Durch die enorme Energie, mit der
die Kerne aufeinander prallten, kam es für einen kurzen Moment zu einer extrem
hohen Dichte der Zerfallsteilchen und zu Temperaturen von über einer Billion
Grad Celsius. Dadurch wiederum wurden die Quarks für diese wenigen Mikrosekunden
gleichsam aus den Kernbestandteilen Neutronen und Protonen, in denen sie
normalerweise fest eingeschlossen sind, herausgelöst und bildeten für kurze
Augenblicke eine "Quarksuppe".
Um herauszufinden, was bei der Kollision der Atomkerne tatsächlich passiert
ist und ob in diesem Sekundenbruchteil tatsächlich ein Quark-Gluon-Plasma
existiert hat, haben die Wissenschaftler zahlreiche Messungen von Teilchen
durchgeführt, die nach der Abkühlung zurückblieben. Das münstersche Team um
Prof. Santo und Dr. Klaus Reygers war dabei maßgeblich an der Messung so
genannter neutraler Pionen beteiligt. Aufgrund ihrer geringen Masse werden diese
Teilchen besonders häufig produziert. Ein Vergleich der Produktion der Pionen
bei unterschiedlichen Kernkollisionen fällt laut Santo genau so aus, wie man es
erwarten würde, wenn tatsächlich ein Quark-Gluon-Plasma erzeugt worden wäre.
Noch nie waren die Wissenschaftler damit so nah daran, den Urzustand der
Materie zu schaffen, aus der das gesamte Universum entstanden ist. Nach
spektakulären Ergebnissen vor drei Jahren am Europäischen Kernforschungszentrum
CERN in Genf, zu denen die Kernphysiker in Münster ebenfalls maßgeblich
beigetragen haben, sind sie ihrem Ziel und damit der Erfüllung eines langen
Menschheitstraums nach einer Erklärung der Ursprünge des Universums so nahe
gerückt wie bislang noch nie. Was unmittelbar nach dem "Big Bang" geschah, kann
somit heute mit Hilfe des " Urknalls im Labor" schon ziemlich genau erklärt
werden.
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