METEORITEN
Neuschwanstein und Příbram: zwei ungleiche Brüder
von
Hans Zekl
für
astronews.com
13. Mai 2003
Möglicherweise kreuzt die Erde jeweils um den 6. April die Bahn eines Meteoritenstroms.
Zu diesem Strom könnte auch der Neuschwanstein-Meteorit gehören, der vor etwas
mehr als einem Jahr in Bayern niederging. Wissenschaftler fanden nun heraus,
dass es erhebliche Unterschiede zwischen Neuschwanstein und einem am 7. April
1959 in Tschechien niedergegangen Brocken gibt. Haben sie aber vielleicht
trotzdem den gleichen Ursprung?
Das gefundene Meteoriten-Bruchstück "Neuschwanstein". Foto:
DLR / Inst. für Weltraumsensorik und Planetenerkundung |
Am Abend des 6. April 2002 konnte man in Teilen des westlichen Österreichs und südlichen Bayerns eine helle Feuerkugel
beobachten (astronews.com berichtete). Dank des europäischen Feuerkugel-Netzwerks, einem System von Kameras, die nachts den ganzen Himmel fotografieren, konnte seine Bahn und
das mögliche Aufschlagsgebiet bestimmt werden. Tatsächlich wurde dann am 14.
Juli 2002 etwa sechs Kilometer von Neuschwanstein entfernt ein Steinmeteorit mit
einem Gewicht von 1,75 kg gefunden (astronews.com berichtete).
Ursprünglich dürfte er eine Masse von etwa 300 Kilogramm besessen haben, als er mit etwa 21
Kilometer/Sekunde auf die Erdatmosphäre traf. Als er 21 Kilometer über dem Erdboden vermutlich in mehrere Teile zerbrach, leuchtete
er für Bruchteile einer Sekunde heller als der Vollmond auf.
Wie Pavel Spurný vom Astronomischen Institut der Akademie der Wissenschaften der
tschechischen Republik sowie Jürgen Oberst und Dieter Heinlein vom Deutschen
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in der Fachzeitschrift Nature berichteten, entpuppte sich das gefundene Bruchstück als ein seltener Vertreter der steinigen Meteoriten, einem so genannten E-Chondriten mit relativ geringem Eisenanteil (Klasse EL6).
Schon kurz nach dem Ereignis konnte aus den Daten des Netzwerks die Bahn des Meteoriten vor dem Zusammenstoß mit der Erde bestimmt werden. Überraschend fand sich eine ausgezeichnete Übereinstimmung mit einem anderen Meteoriten, der am 7. April 1959 nahe der tschechischen Stadt Příbram herunterfiel. Vermutlich gehören die beiden Meteorite zu einem Strom ähnlicher Objekte. Die Autoren schätzen, dass sich etwa 1 Milliarde ähnlich großer Objekte in diesem Schwarm aufhalten könnten. Falls diese alle von einem einzigen Objekt stammen, hätte der Mutterkörper einen Durchmesser von etwa 300 Metern gehabt.
Dagegen spricht aber, dass es sich bei dem Příbram-Meteoriten um einen Chondriten handelt, der einen hohen Eisenanteil hat (Klasse H5).
Auch die gemessenen Strahlungsalter unterscheiden sich beträchtlich. Solange sich Meteorite unter der Oberfläche des Ursprungskörpers befinden, sind sie vor der energiereichen kosmischen Strahlung geschützt. Im Weltraum dagegen dringt die Strahlung in die Meteoriten ein und hinterlässt in ihnen Spuren, die es erlauben, die Dauer der Strahlenwirkung zu berechnen. Danach wanderte Neuschwanstein etwa 48 Millionen Jahre durch das Sonnensystem, bevor er herunterfiel, während Příbram dagegen nur 12 Millionen Jahre der Strahlung ausgesetzt war.
Auf der Suche nach Objekten, die die Meteorite produzieren könnten, stießen die Wissenschaftler auf 2 Planetoiden, die der Erde sehr nahe kommen können, 4886 Mithra und 1998SJ70. Radarbeobachtungen am Mithra im Jahr 2000 zeigten, dass der Planetoid aus zwei keulenähnlichen Teilen besteht. Man vermutet, dass solche Himmelskörper eigentlich nur lockere
"Schutthaufen" sind, die von der Schwerkraft nur schwach zusammengehalten werden. Bei nahen Vorbeiflügen an Planeten können durch die Gezeitenkräfte einige der
"Schuttbrocken" verloren gehen, die aber dann auf ähnlichen Bahnen weiterziehen. Damit ließen sich auf alle Fälle die unterschiedlichen Strahlungsalter erklären.
Die Autoren hoffen, dass weitere Laboruntersuchungen an Neuschwanstein mehr Licht in den Ursprung des Příbram-Stroms bringen werden.
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