SONNE
Kurzperiodische
Schallwellen entdeckt
Redaktion
astronews.com
24. Januar 2003
Auf der Sonne sind jetzt kurzperiodische Schallwellen, die für die
Abgabe energiereicher Strahlung aus einer speziellen Sonnenschicht - der
so genannten Chromosphäre - verantwortlich sind, nachgewiesen worden. Der
wissenschaftliche Beweis dieses vor über 50 Jahren theoretisch
formulierten Phänomens gelang einer Doktorandin der Sternwarte in
Göttingen.
SOHO-Aufnahme der Sonne. Bild: NSSDC |
Die Göttinger Doktorandin Maren Wunnenberg, die seit drei Jahren an der Sternwarte
der Georg-August-Universität die gasdynamischen Vorgänge in der Sonnenatmosphäre
erforscht, hat bei ihren Forschungen ein Phänomen aufgespürt, das bislang nur
theoretisch postuliert wurde. Ihre Untersuchungen stützt die Nachwuchswissenschaftlerin auf
spektroskopische Beobachtungen mit den deutschen Sonnenteleskopen am
Observatorium del Teide auf Teneriffa und auf eine gezielte Analyse der
gewonnenen Daten. "Über die Sonne hinaus lassen die Forschungsergebnisse auch
Rückschlüsse auf die Vorgänge bei sonnenähnlichen, weit entfernten Sternen zu,"
so Prof. Dr. Franz Kneer, der die Arbeit betreute.
Seit etwa 140 Jahren ist bekannt, dass die Sonne neben der Photosphäre, aus
der die Erde den größten Teils des Lichts erhält, eine weitere Licht abgebende
Schicht besitzt. Diese wurde nach dem griechischem Wort "chromos" für Farbe
Chromosphäre getauft, weil sie kurz vor und nach einer totalen Sonnenfinsternis
leuchtend rot erscheint. Prof. Kneer: "In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
zeigte sich, dass diese Schicht offenbar stark strukturiert ist und sich in
ständiger Bewegung befindet. Die Energie, die die Chromosphäre als Licht
abstrahlt, muss durch Energie aus Bewegungen dieser Schicht zugeführt werden."
1948 entwickelten dazu unabhängig voneinander der deutsche Astrophysiker Ludwig
Biermann und sein aus Göttingen emigrierter, amerikanischer Kollege Martin
Schwarzschild ein entsprechendes theoretisches Modell.
Durch turbulente Gasströmungen in der tiefen Photosphäre werden Schallwellen
erzeugt, die in die Chromosphäre laufen und dort ihre Energie in Stoßfronten
entladen. "Alltagserfahrungen wie das Rauschen von Wasserfällen, aber auch die
Gasdynamik zeigen, dass turbulente Gas- und Flüssigkeitsströmungen mit
Schallerzeugung verbunden sind", so Maren Wunnenberg. Numerische Simulationen
haben diese Vorstellung bestätigt. Weitere theoretische Überlegungen ließen
darauf schließen, dass die Bewegung in den tiefsten sichtbaren Schichten der
Sonne tatsächlich ausreichend Schallenergie erzeugt. Die Perioden der Wellen
sollten in einem Bereich von zehn bis 150 Sekunden liegen, mit einem Maximum der
Energie bei einer Länge von 50 Sekunden.
Der Nachweis kurzperiodischer Schallwellen gestaltete sich jedoch aus
mehreren Gründen schwierig: Ihre Geschwindigkeitsverschiebungen werden durch die
Sonnenatmosphäre selbst abgeschwächt und "verschmiert" und zudem durch Wellen
längerer Perioden überlagert, die nachweislich keine Energie transportieren. Und
schließlich gingen die Experten davon aus, dass die Schallwellen mit kurzen
Perioden kleinskalig sind und nur eine Ausdehnung von wenigen hundert Kilometern
erreichen. Nach Angaben von Maren Wunnenberg ist gerade die Dynamik auf kleinen
Skalen schwierig zu beobachten, weil Störungen in der Erdatmosphäre "die
astronomischen Bilder oft sehr verwaschen aussehen lassen".
Für ihre Untersuchungen kombinierte die Wissenschaftlerin mehrere Methoden
der Beobachtung und der Datenanalyse. Mit dem von der Göttinger
Universitäts-Sternwarte entwickelten Fabry-Perot-Spektrometer, das eine rasche
Datenaufnahme in ausgewählten Wellenlängen von zweidimensionalen Gebieten der
Sonne erlaubt, hat Maren Wunnenberg auf Teneriffa Zeitserien bei guter Sicht
aufgenommen. Diese Daten wurden mit Hilfe der Bildrekonstruktion auf scharfe
Bilder der Sonne zurückgeführt. So ließen sich die Wellenverschiebungen des
Lichts in kleinen Strukturen erfassen und deren dynamische Eigenbewegungen in
ihrem Umfeld verfolgen. In einem nächsten Schritt wurden die in verschiedenen
Wellenlängen, das heißt an unterschiedlichen Positionen einer Spektrallinie
gewonnenen Geschwindigkeitsmessungen miteinander gekoppelt. Auf diese Weise
wurde der Höhenbereich in der Sonnenatmosphäre, aus dem diese Messungen
stammten, eingeengt. Prof. Kneer: "Durch geeignetes Filtern der Daten mit einer
so genannten Wavelet-Analyse konnte Maren Wunnenberg schließlich die wichtigen
kurzperiodischen Wellen herausdestillieren."
Wie der Göttinger Experte erläutert, macht die von der Chromosphäre als Licht
abgestrahlte Energie zwar nur einen Anteil von weniger als ein Promille der
Gesamtabstrahlung der Sonne aus, dennoch ist dieser Vorgang von großer
Bedeutung. "Die Chromosphäre ist diejenige Schicht, in der die darin
eingebettete, nahezu statische Sonne durch vehemente Bewegungen und Strömungen
in Kontakt mit ihrer nahen Umgebung im Planetensystem und mit dem Kosmos tritt",
sagt Prof. Kneer. Gleichzeitig hat die Spektroskopie sonnenähnlicher, weit
entfernter Sterne gezeigt, dass diese ebenfalls über eine Chromosphäre verfügen.
Der Wissenschaftler: "Die bei der Sonne entdeckten Wellen müssen auch dort
existieren und können das Vorhandensein ein solcher Schicht erklären."
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