RAUMFAHRTTECHNOLOGIE
Noch mal schnell zum Mars
von
Hans Zekl
für
astronews.com
24. September 2002
Wie lange dauert ein Familienausflug zum Mars? Mit der gegenwärtigen
Technik beträgt die Reisezeiten mindestens einige Monate. Erschwerend
kommt hinzu, dass man für die lange Reise quasi alles mitnehmen muss, da
es keine Tankstellen und Rasthäuser unterwegs gibt. Allein 90 Prozent der
Startmasse der Rakete nimmt der Treibstoff ein. Mit welchen neuen
Konzepten könnte man diese Probleme lösen?

Mit Ionen-Antrieb zum Mond: die ESA-Sonde SMART-1. Bild:
ESA |
"Chemische Raketen sind einfach zu langsam", klagt Les Johnson vom
Marshall Space Flight Center der NASA. "Sie verbrennen beim Start
einfach den gesamten Treibstoffvorrat und dann kann das Raumschiff den
Rest des Weges nur noch antriebslos fliegen". Obwohl Raumsonden in den
Schwerefeldern der Planeten Fahrt aufnehmen können, brauchen sie doch
Jahre und Jahrzehnte, um bis zu den äußeren Planeten zu gelangen.
Reisezeiten zum nächsten Stern, Proxima Centauri in 4,3 Lichtjahren
Entfernung, bemessen sich sogar auf Jahrhunderte bis Jahrtausende.
Die Effektivität eines Automotors kann man daran messen, wie viel
Benzin er auf 100 Kilometern verbraucht. Eine ähnliche Meßlatte kann man
auch für Raketen aufstellen: wie viel Nutzlast (Messgeräte, Personen,
Elektronik
etc.) kann man auf einem Flug mitnehmen und wie viel der Startmasse
besteht aus Treibstoff. Je größer das Verhältnis zwischen Nutzlast und
Treibstoff ist, umso besser ist der Antrieb. Bei den heutigen
Raketentriebwerken ist dieses Verhältnis sehr klein. "Selbst wenn man eine
Flugbahn mit minimalem Energieaufwand wählt, um eine sechsköpfige Crew zum
Mars zu schicken, braucht man eine chemische Rakete, die beim Start 1000
Tonnen wiegen würde, und 90 Prozent davon entfallen auf den Treibstoff",
erklärt Bret G. Drake vom Johnson Space Center. Alleine diese
Treibstoffmenge würde doppelt soviel wiegen wie die Internationale
Raumstation ISS.
Mit effizienteren Antriebssystemen jedoch könnte mehr Nutzlast befördert
werden oder Raketen könnten kleiner sein. Damit würden die Kosten für eine
Marsmission gesenkt werden. Doch welche Möglichkeiten zeichnen sich am
technologischen Horizont ab? Bei der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA
verfolgt man zwei grundlegende Strategien. Zum einen will man radikal neue
Raketentypen entwickeln, die mit Ionentriebwerken den Treibstoff um eine
Größenordnung besser ausnutzen als konventionelle chemische Raketen.
Andererseits denkt man über treibstofflose Antriebe nach, die Ihre Energie
quasi aus dem Weltall beziehen.
Auch die europäische Raumfahrtagentur ESA setzt auf Ionentriebwerke:
SMART-1 heißt die erste europäische Sonde, die zum Mond fliegen und
ihn umkreisen soll (astronews.com berichtete). Sie wird Anfang nächsten
Jahres an Bord einer Ariane-Rakete ins All gebracht werden. Eine andere
Mission - BepiColombo- soll 2010 zum innersten Planeten Merkur starten und
verwendet ebenfalls ein Ionentriebwerk. Für die ESA ist diese Antriebsart
der Schlüssel für zukünftige wissenschaftliche als auch kommerzielle
Raumfahrtmissionen. Mit herkömmlichen Antrieben sind sie undurchführbar
oder zu teuer.
Diesen neuen Technologien ist eine Eigenschaft gemeinsam: beim Start sind
sie alle langsam; sie fliegen anfangs quasi im Schneckentempo. Reisen über
kurze Entfernung brauchen deshalb viel Zeit. SMART-1 wird 15 bis 18 Monate
bis zum Mondbrauchen. Aber mit der Zeit werden die Geschwindigkeiten immer
größer, weil ein Raumschiff über Monate hinweg geringfügig aber ständig
beschleunigt wird. Nach Monaten jagt dann das Raumschiff mit vielen
Kilometern pro Sekunde durchs All. Ein Astronaut selbst wird von der
Beschleunigung wenig spüren. Der Beschleunigungsdruck ist nicht stärker
als das Gewicht eines Blatt Papiers auf der Hand. Jetzige Raketen dagegen
pressen , während die Triebwerke arbeiten, die Besatzung in ihre Sitze.
"Eine Rakete ist etwas, dass etwas über Bord wirft, um sich selbst voran
zu treiben", erklärt Johnson. Dieses Rückstoss-Prinzip funktioniert
überall, auf der Erde wie auch im luftleeren Raum.
Weiter zum 2. Teil: Die Zukunft:
Ionen-Antrieb, Sonnen- und Plasmasegel
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