HUBBLE
Schwarze
Löcher in Kugelsternhaufen
von Stefan
Deiters
astronews.com
18. September 2002
Mit Hilfe des
Hubble-Weltraumteleskops spürten zwei Astronomenteams Schwarze
Löcher mittlerer Größe im Zentrum zweier Kugelsternhaufen auf. Die Entdeckung
könnte ein wichtiger Mosaikstein sein, um zu verstehen, wie sich die gewaltigen
supermassereichen Schwarzen Löcher im Zentrum von Galaxien bilden.

Hubble-Aufnahme von G1 (oben) und M15.
Fotos:
NASA und das Hubble Heritage Team (M15), NASA und Michael Rich
(G1)
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Schwarze Löcher faszinieren nicht nur Fans von einschlägiger Science
Fiction-Literatur, sie sind auch heiß diskutierter Forschungsgegenstand. Das
liegt nicht zuletzt daran, dass man inzwischen im Zentrum jeder "normalen"
Galaxie ein gewaltiges Schwarzes Loch vermutet, das viele Millionen Mal
massereicher ist als unsere Sonne. Aber es gibt auch die so genannten
stellaren Schwarzen Löcher, die - so zumindest die Theorie der Forscher - aus
der normalen Sternentwicklung eines massereichen Sterns resultieren: Sie bleiben
am Ende einer Supernova-Explosion zurück und haben nur einige Male die Masse
unserer Sonne.
Zwischen den großen und den kleinen Schwarzen Löchern schien lange Zeit eine riesige
Lücke zu klaffen, die erst durch Beobachtung von Schwarzen Löchern eines
mittleren Massebereichs geschlossen werden konnte (astronews.com berichtete). Außerdem bewegt die Astronomen schon seit langem die Frage,
wie diese supermassereichen Schwarzen Löcher im Zentrum von Galaxien eigentlich
entstanden sind. Der Fund von zwei Schwarzen Löchern einer mittleren Größenklasse
im Zentrum von Kugelsternhaufen könnte nun helfen, etwas Licht in diese
Angelegenheit zu bringen. Kugelsternhaufen sind Ansammlungen von 100.000 bis zu
einigen Millionen Sternen und gehören mit zu den ältesten Bestandteilen unserer
Milchstraße. Seit einigen Jahren entdeckt man Kugelsternhaufen aber auch in
anderen Galaxien.
"Diese Entdeckungen verraten uns etwas über die ganz grundlegenden Prozesse
der Bildung von Sternhaufen und Schwarzen Löchern im frühen Universum",
erläutert Roeland Van der Marel vom Space Telescope Science Institute.
"Schwarze Löcher sind noch verbreiteter als wir angenommen haben." Und Michael
Rich von der Universität von Kalifornien in Los Angeles ergänzt: "Wir lernen
nicht nur etwas über die Bildung Schwarzer Löcher. Die neuen Daten helfen uns
auch die Kugelsternhaufen mit der Galaxie in Verbindung zu setzen, wodurch wir
wichtige Informationen über die Entstehung von Galaxien erhalten."
Das schließt auch die Frage nach der Entstehung der supermassereichen
Schwarzen Löcher im Zentrum von Galaxien mit ein: So scheint die Masse eines
Schwarzen Lochs direkt mit der Masse des umgebenden Sternsystems
zusammenzuhängen. Nach früheren Beobachtungen mit dem Hubble-Weltraumteleskop
machte die Masse des zentralen Schwarzen Lochs etwa 0,5 Prozent der Gesamtmasse
der jeweiligen Galaxie aus. Und genau diesen Trend konnten die Forscher auch bei
den jetzt entdeckten mittleren Schwarzen Löchern feststellen. "Vielleicht sind
diese jetzt entdeckten mittleren Schwarzen Löcher die Bausteine für die
Supermassereichen Schwarzen Löcher im Zentrum der Galaxien", so Karl Gebhardt
von der Universität von Texas in Austin.
Die Gruppe um Van Der Marel hatte ein Schwarzes Loch von 4.000 Sonnenmassen
im 32.000 Lichtjahre entfernten Kugelsternhaufen M15 aufgespürt, das Team um
Rich ein 20.000 Sonnenmassen Schwarzes Loch im Kugelsternhaufen G1, der zu
unserer Nachbargalaxie Andromeda gehört. "G1 hat eine Gesamtmasse von 10
Millionen Sonnenmassen, was ihn zum massereichsten Kugelsternhaufen macht, den
wir kennen", so Rich. "Er hat außerdem ein sehr helles Zentrum, so dass ich
mir dachte, dass sich hier eine Suche nach einem massereichen Schwarzen Loch
lohnen würde."
"Es gibt im Prinzip zwei Theorien über die Entstehung von massereichen
Schwarzen Löchern", erläutert Gebhardt. "Entweder bildet sich ein solches
Schwarzes Loch gleich bei der Entstehung der Galaxie durch eine Unmenge Materie
im Zentrum oder es bildet sich zunächst ein kleineres Schwarzes Loch, das dann
nach und nach immer größer wird. Durch die Beobachtungen scheint nun einiges
dafür zu sprechen, dass alles tatsächlich mit einem kleineren Schwarzen Loch
begann." Und die beobachteten Schwarzen Löcher in den Kugelsternhaufen könnten
nach Ansicht der Astronomen genau so ein "Saatkorn" für ein späteres
supermassereiches Schwarzes Loch sein.
Beide Schwarzen Löcher wurden durch detaillierte Geschwindigkeitsmessungen
der Sterne in den Kugelsternhaufen aufgespürt. Während M15 nahe genug ist, um
die individuelle Bewegung der Sterne zu messen, ermittelten die Forscher bei G1
eine kollektive Geschwindigkeit. In beiden Fällen konnten sie feststellen, wie
sich die Geschwindigkeit der Sterne zum Zentrum hin erhöht - ganz wie beim Wirbel des
Wassers, das in einem Abfluss verschwindet. Aus diesen Messungen bestimmten die
Astronomen dann die Masse des für die Bewegung verantwortlichen Zentralobjektes,
die sich am besten durch die Existenz eines Schwarzen Lochs erklären lässt. Als
Alternative käme eine große Gruppe von Neutronensternen in Frage, was die
Forschergruppen aber für unrealistisch halten.
Als nächstes soll nun in weiteren Kugelsternhaufen nach Schwarzen Löchern
gefahndet werden. Da uns die Kugelsternhaufen vergleichsweise nahe sind, wären
weitere Entdeckungen von Schwarzen Löchern eine willkommene Möglichkeit, mehr über diese mysteriösen
Objekte aus relativer Nähe zu erfahren.
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