Das jüngste "Baby" der deutschen Meteoritenforscher ist 1.750 Gramm schwer,
magnetisch, und die Oberfläche besteht aus einer mattschwarzen Schmelzkruste mit
rostigen Flecken. Es wurde bereits auf den Namen "Neuschwanstein" getauft, da es
nach systematischer Suche nur sechs Kilometer entfernt von dem bekannten
süddeutschen Schloss in der Nähe von Füssen gefunden wurde. Der Babymeteorit
"Neuschwanstein" ist Teil eines größeren, etwa 600 Kilogramm schweren
Himmelskörpers, der am 6. April dieses Jahres gegen 22.20 Uhr MEZ über dem
südlichen Bayern und Österreich als außergewöhnlich helle Erscheinung am Himmel
gesichtet wurde.
Gefunden wurde das Meteoritenteilstück nun aufgrund einer planmäßigen Suche,
die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) initiiert wurde. Dafür
nutzen DLR-Forscher in Berlin-Adlershof insbesondere die Aufzeichnungen des
"Europäischen Feuerkugelnetzes", das Nacht für Nacht den Himmel über
Mitteleuropa nach hellen Himmelserscheinungen wie Meteoren absucht. Für
Modellrechnungen bezüglich des Einschlaggebietes konnten sieben Aufnahmen des
Feuerkugelnetzes aus der Nacht des 6. Aprils genutzt werden. Das Ergebnis
lautete: Von den ursprünglich 600 Kilogramm des Meteoren mussten mehrere
Fragmente - insgesamt etwa 20 Kilogramm - den Absturz überstanden und den Boden
erreicht haben. Die Einschlagstelle der Hauptmasse des Meteoriten konnte auf ein
Gebiet von etwa 700 mal 1.000 Meter eingegrenzt werden, und sie lag östlich von
Hohenschwangau in der Nähe von Füssen, in gebirgigem und schwer zugänglichem
Gelände. Erst nach mehreren systematischen Suchaktionen wurde am 14. Juli das
erste Teilstück des Meteoriten gefunden, der nun unter dem Namen
"Neuschwanstein" in Berlin der Presse präsentiert wurde.
Damit konnte in Deutschland erstmals ein Meteorit aufgrund von fotografischen
Beobachtungen und Modellrechnungen geborgen werden. Da das Teilstück
"Neuschwanstein" etwa zwei Kilometer südöstlich vom vorhergesagten Zielpunkt der
Hauptmasse eingeschlagen ist, sind die DLR-Forscher zuversichtlich, auch die
Hauptmasse des Meteoriten auffinden zu können. Sie wird auf etwa 15 Kilogramm
geschätzt. Nach Aussagen des DLR ist das nun gefundene Teilstück des Meteoriten
am 6. April in die etwa ein Meter hohe Schneedecke eingeschlagen und dadurch
unbeschädigt geblieben. Die rostigen Flecken auf der Oberfläche hätten sich erst
danach entwickelt. Sie deuteten auf eisenhaltiges Material hin.
Die DLR-Forscher aus Berlin-Adlershof wollen das wertvolle extraterrestrische
Fundstück nun genauestens chemisch und petrologisch untersucht, um es der
korrekten Meteoritenklasse zuordnen zu können. Dabei interessiert insbesondere
ein Vergleich mit dem Meteoriten "Pribram", der vor 43 Jahren am 7. April 1959
ebenfalls von Feuerkugel-Kameras fotografiert wurde und dann später in der
Tschechoslowakei gefunden wurde. Die Modellrechnungen zeigten, dass die
Umlaufbahn von "Neuschwanstein" fast identisch ist mit der von "Pribram", ein
für Meteoriten außergewöhnlicher Fall (astronews.com berichtete). Diese
Entdeckung könnte bedeuten, dass ein ganzer "Strom" meteoritischer Körper
existiert, der möglicherweise beim Auseinanderbrechen eines kleinen Asteroiden
entstanden ist. Die Arbeiten im Labor sollen zeigen, ob die beiden Meteoriten
tatsächlich vom gleichen Mutterkörper abstammen und wie lange das
Auseinanderbrechen des Mutterkörpers zurückliegt. Nach statistischen
Überlegungen müssen sich in dem Strom etwa eine Milliarde ähnlicher Meteoriten
befinden, die insgesamt einem Asteroiden mit einem Durchmesser von etwa 600
Meter entsprechen.