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KOMETEN
Wo sind die Kometen hin?
von
Hans Zekl
für
astronews.com
5. Juli 2002
Das Erscheinen eines Kometen im inneren Sonnensystem führt oft
zu einem eindrucksvollen Schauspiel am Himmel. Doch was passiert mit den
"schmutzigen Schneebällen" während ihrer Reise um die Sonne und wie sieht
ihr Schicksal danach aus und warum sieht man überhaupt so wenige? Ein Forscherteam veröffentlichte unlängst in der
Zeitschrift Science eine mögliche Antwort: Viele Kometen könnten einfach
komplett verdampfen.

Der Komet Halley. Foto: NSSDC / NASA |
Schon lange wissen die Astronomen, dass neue Kometen aus zwei
Reservoirs am Rande des Sonnensystems kommen, aus dem Kuiper-Gürtel und
der Oort'schen Wolke. Der Kuiper-Gürtel beginnt hinter der Neptunbahn und
erstreckt sich bis zu einer Entfernung von 60 astronomischen Einheiten
(AE). Eine astronomische Einheit ist die mittlere Entfernung von der Erde
zur Sonne. Die Oort'sche Wolke ist wesentlich weiter entfernt, etwa 10.000
AE. Etwa ein Duzend Kometen aus der Oort'schen Wolke erscheinen jährlich in
den inneren Bereichen des Sonnensystems. Die meisten dieser neuen Kometen
werden nach der Umrundung der Sonne weit hinter die Oort'sche Wolke
geschleudert. Einige stürzen in die Sonne und der Rest wird auf neue
Bahnen gelenkt, auf denen sie in 20 Jahren oder auch erst in Millionen
Jahren wieder zur Sonne zurück kehren. Seit fünf Jahrzehnten ist dies den
Astronomen bekannt. Aber dabei fragten sie sich, warum sie nicht hundert
mal mehr Kometen sehen, als der Fall ist. Nach einer neuen Studie liegt
das möglicherweise daran, dass sie sich auflösen.
Bisherige Vermutungen gingen unter anderem davon aus, dass die Kometen
weiterhin vorhanden, aber ausgebrannt sind. Das heißt, sie haben das
Material verloren, aus dem die Schweife entstehen und sind damit
wesentlich schwerer zu entdecken. Kometen aus dem Kuiper-Gürtel enden oft
als planetoiden-ähnliche Objekte. Ob dies mit Objekten aus der Oort'schen
Wolke ebenfalls geschieht, war bislang unklar. Suchprogramme wie das
Lincoln Laboratory Near Earth Asteroid Research (LINEAR) sollten eine
ganze Menge davon entdecken. Aber sie sind einfach nicht da.
Ein Team unter der Leitung von Dr. Harold F. Levison vom Southwest
Research Institute (SwRI) in Boulder, Colorado, USA verglich nun
Computermodelle mit Beobachtungen, um das Schicksal der vermissten Kometen
aufzuklären. Dazu wurden tausende fiktiver Kometen erschaffen, deren
Bahnen dann verfolgt wurden, als sie aus der Oort'schen Wolke kommend, in
das Sonnensystem eindrangen. In den Modellen wurde dann der Einfluss der
Anziehungskräfte der Sonne, der Planeten und der Milchstraße untersucht.
Durch die Analyse der Bahnen bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kometen aus
dem Sonnensystem geschleudert wurden, in die Sonne stürzten oder mit einem
Planeten zusammenstießen, schätze das Team die Anzahl aller ausgebrannten
Kometen ab, die beobachtet werden sollten, wenn alle Kometen inaktiv
geworden wären. Deren Anzahl ist 100 mal größer als man tatsächlich
findet. Daraus schlossen sie, dass 99 Prozent dieser Objekte verschwinden,
sich somit in Staub auflösen.
"Diese Objekte sind einfach nicht dort, wo wir sie erwarten", sagt Levison.
"Die einzige Erklärung, die ich mir vorstellen kann, ist die, dass sie
'verpuffen'". Astronomen konnten solch einen Vorgang vor zwei Jahren beobachten, als
der Komet LINEAR-S4 innerhalb weniger Tage zu einer Staubwolke zerfiel (astronews.com
berichtete).
Interessanterweise zerbrechen Kometen aus dem Kuiper-Gürtel nicht so oft
wie die aus der Oort'schen Wolke. Man nimmt an, dass beide Kometenklassen
aus einer ähnlichen Mixtur von Eis und Felsen aufgebaut sind, aber ihre
unterschiedliche Stabilität könnte auf die chemischen und physikalischen
Charakteristika ihrer Entstehungsgebiete zurück zu führen sein. Eine
andere Theorie vermutet, dass der Unterschied etwas mit ihren
Entwicklungsprozessen zu tun haben könnte. Die meisten Kometen aus der
Oort'schen Wolke sind schnell, wenn sie sich in Sonnennähe befinden, und
werden somit rasch aufgewärmt, während Kuiper-Gürtel-Objekte sich
langsamer durch die Region der Planeten bewegen. Dies führt zu der
Vermutung, dass eine andersartige Temperaturgeschichte zu einer anderen
Zerfallsrate führt.
"Es ist möglich, dass die Kometen aus der Oort'schen Wolke sich auflösen,
weil große Temperaturunterschiede entstehen oder flüchtige Gase einen
hohen Druck aufbauen, während die Objekte aus dem Kuiper-Gürtel überleben,
weil sie langsamer erwärmt werden", meint Levison. "Gegenwärtig", so Mark
Bailey vom Armagh Observatorium in Nordirland in der selben Ausgabe der
Zeitschrift Science, "bleiben Kometen ein verwirrendes Rätsel".
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