SONNE
Gasbögen vibrieren wie Gitarrensaiten
von Rainer Kayser
18.
Juni 2002
Eine ganze Flotte von Raumsonden beobachtet derzeit unser Zentralgestirn
und die Auswirkungen des Sonnenwindes auf die Erde. Jetzt machten Forscher
eine verblüffende Entdeckung:
Gewaltige Gasbögen auf der Sonne vibrieren wie Gitarrensaiten. Die
Erkenntnis, so die Wissenschaftler, ist ein neues Puzzlestück zum
Verständnis von Sonnenstürmen.
Diese Falschfarbenaufnahme zeigt Bögen aus heißem geladenen Gas
an der Oberfläche der Sonne. Diese Bögen ähneln denen, die jetzt
entdeckt wurden. Das Bild entstand mit dem Extreme-ultraviolet
Imaging Telescope (EIT) an Bord der Sonnensonde SOHO.
Foto:
SOHO/EIT (ESA und NASA) [Großansicht] |
Gewaltige Bögen aus heißem, elektrisch geladenem Gas vibrieren auf der
Sonne wie die Saiten einer Gitarre. Diese überraschende Beobachtung
konnten Sonnenforscher mit Hilfe einer ganzen Flotte von Raumsonden
machen. Werner Curdt vom Max-Planck-Institut für Aeronomie in Katlenburg
präsentierte die neuen Messergebnisse der Raumsonden Soho und Ulysses,
sowie der vier "Cluster"-Satelliten vergangene Woche auf einer Fachtagung
auf der griechischen Insel Santorini. Die vibrierenden Gasbögen seien ein
weiteres Stück des komplexen Puzzles der Sonnenstürme, die auch unsere
Erde beeinflussen, so Curdt.
"Sie schwingen wie eine gezupfte Gitarrensaite - allerdings mit einem sehr
tiefen Basston", erklärt Curdt. "Niemand hat geahnt, dass derartige
Vibrationen überhaupt existieren. Es gibt sie nur in extrem heißem Gas."
Dieses Gas lässt sich besonders gut mit einem der Instrumente an Bord von
Soho beobachten. "Man könnte glauben, wir hätten dieses Gerät speziell für
diesen Zweck entwickelt", so Curdt, "aber, um ehrlich zu sein, als wir das
Instrument entworfen haben, wussten wir nicht einmal, dass es so etwas
erstaunliches überhaupt gibt."
Das Gas in den vibrierenden Bögen ist zwischen 9 und 20 Millionen Grad
heiß und sendet daher ultraviolette Strahlung aus. Ein 350.000 Kilometer
langer Bogen schwingt typischerweise alle zwanzig Minuten hin und her.
Dabei kühlt sich das Gas rasch ab und nach einigen Schwingungen hört die
Vibration auf. Die Spannung der "solaren Gitarrensaiten" wird vermutlich
durch ein starkes Magnetfeld erzeugt, welches das Gas in dem Bogen
zusammenhält. Ausbrüche hochenergetischer Partikel in der unteren
Sonnenatmosphäre spielen nach Meinung der Forscher die Rolle des Fingers,
der die Saiten zupft.
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