Das Wuppertaler Weltraumexperiment CRISTA (Cryogene Infrarot Spektrometer
und Teleskope für die Atmosphäre) zur Erkundung der oberen Erdatmosphäre
macht immer noch Furore und hat inzwischen - fünf Jahre nach dem zweiten
CRISTA-Flug an Bord der Discovery - zu einem Rekord an wissenschaftlichen
Veröffentlichungen geführt. Jetzt veranstaltet die Wuppertaler Arbeitsgruppe für
Weltraumforschung und Atmosphärenphysik ab kommenden Montag einen weiteren
internationalen Kongress, um anhand der Auswertung der Messdaten eine
Zwischenbilanz der Ergebnisse vorzunehmen. Schwerpunkte sind dabei Aspekte der
Mesosphäre, eines Höhenbereichs zwischen 50 bis 100 Kilometer, sowie
Wellenvorgänge in der Atmosphäre.
Die Auswertung der Messdaten ist inzwischen weit fortgeschritten. "CRISTA hat
kein einzelnes Hauptergebnis geliefert, sondern einen ganzen Blumenstrauß, " so
Projektleiter Professor Dr. Dirk Offermann. Das sei auf die Kombination mehrerer
modernster Messtechniken bei CRISTA zurückzuführen, die bis heute unerreicht
sei. CRISTA-Daten liefern Spitzenergebnisse zu einem halben Dutzend Themenkreise
im Höhenbereich der Atmosphäre von unter 10 bis über 100 km. Das habe bisher
noch kein anderes Messgerät getan, betont der Experimentalphysiker.
Offermann erinnert sich: "Vor einigen Jahren wollten wir einen
Übersichtsartikel in einer deutschen Fachzeitschrift über die damals bereits
absehbaren, aber noch nicht belegten vielfältigen Möglichkeiten von CRISTA
veröffentlichen. Die Zeitschrift wollte das Manuskript aber nicht annehmen, weil
das Projekt ein "Hans-Dampf-in-allen-Gassen" sei, was heißen sollte:
großsprecherisch und unglaubwürdig. Inzwischen haben wir - außer diesem Artikel
- noch 94 weitere veröffentlicht, und zwar in international anerkannten
Fachzeitschriften. Die bedeutendste Fachzeitschrift auf unserem Gebiet ist das
amerikanische Journal of Geophysical Research. Vor drei Jahren hat die
Zeitschrift ein Sonderausgabe zu CRISTA veröffentlicht - das einzige Mal, dass
einem deutschen Atmosphärenprojekt ein solcher Special Issue gewidmet
wurde. Inzwischen ist ein zweiter fast fertig."
Als herausragende Ergebnisse weist Offermann auf die so genannten
Streamer und die Ozone Miniholes hin: Streamer wurden in einem
Höhenbereich zwischen 20 und 30 Kilometern gefunden, Luftströmungen über
Atlantik und Pazifik, die in Ort und Form dem Golfstrom bzw. (pazifischen)
Kuro-Schio-Strom ähneln. Sie transportieren Treibhausgase und Ozon ganz anders
als bisher gedacht. Eine Konsequenz hieraus für das Ozon wurde von dem früheren
Mitarbeiter Dr. Michael Bittner, heute beim Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR) tätig, genauer untersucht: Lokal begrenzte Ozonlöcher ( so
genannte Minilöcher) können auch über Mitteleuropa auftreten und zu erhöhter
UV-Strahlung führen.
Zu finden sei außerdem eine vielfältige Kopplung zwischen der unteren Atmosphäre
(der Troposphäre) und der oberen Atmosphäre (Stratosphäre, Mesosphäre) in zehn
bis 100 Kilometern Höhe. Zu beobachten sind wetterähnliche Vorgänge in der
oberen Atmosphäre wie Wolken und globale Windsysteme in der Mesosphäre, und
Nebelschwaden (Aerosole) in der Stratosphäre. Die Kopplungen hätten darüber
hinaus zur Folge, dass Veränderungen in der unteren Atmosphäre von unten nach
oben wirkten und dabei verstärkt werden könnten. Sie seien dann in der oberen
Atmosphäre früher zu erkennen als unten. Prof. Dr. Offermann: "Die obere
Atmosphäre als Frühindikator für Wetter- und Klimaänderungen in der Troposphäre
ist gegenwärtig ein ganz heißes Forschungsthema, zu dem die CRISTA-Messungen in
mehrfacher Weise beitragen."
Das drei Meter lange und eine Tonne schwere Experiment CRISTA flog insgesamt
zweimal ins All: 1994 mit der Raumfähre Atlantis und 1997 mit der
Discovery. Herzstück von CRISTA waren drei Teleskope und vier Spektrometer.
Die Gesamtkosten für beide CRISTA-Missionen beliefen sich auf etwa 60 Millionen
Mark.