SCHWARZE LÖCHER
Milliarden Jahre alter Vagabund
von Stefan
Deiters
astronews.com
18. September 2001
Astronomen konnten erstmals die Bahn eines Schwarzen Lochs
verfolgen, das sich gerade in relativer Nähe zur Erde befindet. Entstanden
dürfte es aber, so die Theorie, vor Milliarden Jahren in einem
Kugelsternhaufen im Halo unserer Galaxie sein, aus dem es später
hinausgeschleudert wurde.
Die Entdeckung
gelang mit Hilfe des Very Long Baseline Array (VLBA) Radioteleskops und
des Rossi Röntgensatelliten. Außerdem nutzten die Forscher Aufnahmen des
Palomar Observatory Sky Survey (POSS), die am Space Telescope Science
Institute digitalisiert wurden, um die Beobachtungen mit dem
Weltraumteleskop zu unterstützen. Außerdem dient diese in elektronischer Form
vorliegende Himmelsdurchmusterung, die über 40 Jahre zurückreicht dazu,
Bewegungen von Objekten am Himmel zu identifizieren. So konnten mit den
Informationen aus dieser Datenbank und den aktuellen Beobachtungen die Bahn des
Schwarzen Lochs um des Zentrum der Milchstraße bestimmt werden.
"Diese Entdeckung
ist der erste Schritt, um ein bislang noch recht unerforschtes Kapitel in der
Geschichte unserer Milchstraße zu klären", so der Astronom Felix Mirabel. "Wir
glauben nämlich, dass in der Frühzeit der Galaxie tausende von sehr massereichen
Sternen entstanden sind, aber dies ist der erste Überrest von ihnen, den wir zu
Gesicht bekommen. Es ist außerdem auch das erste Mal, dass man die Bahn eines
Schwarzen Lochs durchs All messen konnte."
Das Objekt mit
Namen XTE J1118+480, das auch unlängst vom Röntgenteleskop Chandra
beobachtet wurde (astronews.com berichtete), war Ende März 2000 vom
Röntgensatelliten Rossi entdeckt worden. Es ist rund 6.000 Lichtjahre von
der Erde entfernt und ein so genannter Mikroquasar, also ein Schwarzes Loch, das
von einem normalen Stern umkreist wird. Dieser normale Stern wird von dem
Schwarzen Loch ständig kannibalisiert und durch überströmende Materie kommt es
zur beobachteten Röntgenstrahlung und Radiostrahlung.
Die meisten Sterne
der Milchstraße liegen in einer schmalen Ebene, der so genannten galaktischen
Scheibe. In den äußeren Bereichen allerdings, dem galaktischen Halo, umrunden
die Kugelsternhaufen das Zentrum der Milchstraße. Sie bestehen aus
Hunderttausenden von sehr alten Sternen. Die Daten von XTE J1118+480 deuten nun
drauf hin, dass sich das Schwarze Loch und sein Begleiter auf einer Bahn bewegt,
die der von Kugelsternhaufen sehr ähnlich ist. Das System hat eine
Geschwindigkeit von 145 Kilometern pro Sekunde relativ zur Erde.
Doch wie kam das
Schwarze Loch in diese ungewöhnliche Bahn? Die Forscher vermuten, dass es in
einem Kugelsternhaufen entstanden ist und dann aus diesem "herausgekickt" wurde
durch Wechselwirkungen mit anderen Sternen im sehr dichten Zentrum. Numerische
Simulationen haben gezeigt, dass dieses in den sehr dichten Zentren von
Kugelsternhaufen durchaus vorkommen kann. Bevor das Schwarze Loch jedoch aus dem
Haufen geschleudert wurde, hat es noch einen massearmen Stern "eingefangen", der
jetzt mit ihm durch das All vagabundiert.
"Weil dieser
Mikroquasar relativ dicht an der Erde ist, konnten wir seine Bewegung mit dem
VLBA verfolgen, obwohl er normalerweise sehr leuchtschwach ist", so Mirabel.
"Jetzt wollen wir versuchen, noch mehr dieser urzeitlichen Objekte zu finden,
von denen es in unserer Galaxie noch Hunderttausende geben muss." Die
Kombination von Radiodaten mit historischen Aufnahmen aus den digitalisierten
Himmelsdurchmusterungen sei zudem ein gutes Beispiel dafür, wie man verschiedene
Werkzeuge der Astronomie verwenden kann, um am selben Problem zu arbeiten.
|