Röntgen-Doppelsterne bestehen aus einem Neutronenstern oder
einem Schwarzen Loch und einem normalen Begleitstern und dürften kaum
größer sein als eine Großstadt. Warum diese Systeme Röntgenstrahlen
aussenden, können Astronomen gerade noch verstehen. Warum es in der
Röntgenstrahlung jedoch immer zu deutlichen Schwankungen kommt, war bislang
ein Rätsel. Forscher der Universität von Southampton könnten der
Lösung auf der Spur sein.
Seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts haben Röntgen-Doppelsterne
die Astronomen fasziniert: Sie senden eine sehr starke Röntgenstrahlung
aus, die aber deutlichen Schwankungen unterworfen war. Die
Röntgenstrahlung an sich konnten die Wissenschaftler recht leicht
erklären: Diese Doppelsternsysteme bestehen aus einem Schwarzen Loch oder
einem Neutronenstern und einer normalen Sonne. Material des normalen
Sterns wird von den kompakten Objekten angezogen, stark aufgeheizt und
sendet, während es auf den Neutronenstern oder in das Schwarze Loch
fällt die beobachtete Röntgenstrahlung aus. Nur im Röntgenbereich kommt
so oft die 10.000fache Leuchtkraft unserer Sonne zusammen.
Doch die Röntgenabstrahlung dieser Systeme ist nicht gleichmäßig: Es
gibt Schwankungen von nur wenigen Sekunden Dauer und zusätzlich
längerfristige Variationen in der Röntgenleuchtkraft der Objekte. Für
dieses Phänomen gab es bislang keine befriedigende Erklärung, doch
hatten einige Forscher zumindest eine Idee, wie das alles zu Stande kommt.
Die kurzen Schwankungen sind danach zufällige Ausbrüche, die nicht mit
den längerfristigen Variationen in Verbindung stehen sollten.
Doch Dr. Phil Uttley und Prof. Ian McHardy von der Universität von
Southampton haben mit Hilfe des NASA Rossi X-Ray Timing Explorers
das genaue Gegenteil festgestellt: Wenn die Gesamtabstrahlung im
Röntgenbereich zunimmt, werden auch die kurzzeitigen Variationen
stärker. Es gibt also einen eindeutigen Zusammenhang zwischen kurzen und
langen Schwankungen der Abstrahlung. Die kurzen Variationen müssen also
irgendwie von der längerfristigen Entwicklung "wissen" und dies
ist absolut unverträglich mit den bisherigen Erklärungsversuchen für
die Variabilität der Röntgen-Doppelsterne.
Allerdings gibt es eine alternative Theorie, die zu den neuen Messungen
passt: Einige Theoretiker glauben, dass die Schwankungen in der
Röntgenabstrahlung direkt mit dem Fluss des Materials zusammenhängt, das
die Röntgenstrahlung erzeugt. Die Gründe für die Schwankungen sind also
außerhalb des Bereichs zu suchen, in der die Strahlung eigentlich
produziert wird. Der Materiefluss unterliegt nach dieser Theorie langen
und langsamen Schwankungen. Auf dem Weg zum Neutronenstern oder zum
Schwarzen Loch bilden sich hier kleinere Störungen, die natürlich
stärker an den Stellen sind, wo mehr Materie vorhanden ist. Somit
gibt es bei starker Röntgenabstrahlung - also hohem Materiezufuhr - auch
große Schwankungen.
"Mit dieser Entdeckung dürfte es die populäre Theorie über die
Variabilität von Röntgen-Doppelstern recht schwer haben", urteilt
Uttley. "Wir sind jetzt kurz davor, die wahre Antwort zu finden und
damit das 30 Jahre alte Rätsel zu lösen." Vermutlich wäre man
schon eher ans Ziel gekommen, wenn man nur gewusst hätte, nach was man
suchen soll. Um alle Variationen zu entdecken, benötigt man bei
Röntgen-Doppelsternen eine Computer-gestützte Datenanalyse. In manchen
aktiven Galaxien aber, die ein ungleich massereicheres Schwarzes Loch
enthalten, sind diese Schwankungen auch ohne Computerhilfe
auszumachen. Durch die Analyse dieser Daten kamen die Southamptoner
Forscher auch auf die Idee, nach welchen Zusammenhängen man einmal bei
Röntgen-Doppelsternen suchen sollte.