Die
Grenze der Akkretionsscheibe
von Stefan
Deiters
astronews.com
9. Mai 2001
Mit Hilfe von gleich vier Weltraumobservatorien der NASA
konnten amerikanische Astronomen ermitteln, wo genau die Grenze der
Akkretionsscheibe um ein Schwarzes Loch liegt. Dabei handelt es sich um
die scheibenförmige Struktur, in der Material in ein Schwarzes Loch
hineinspiralt. Weiß man wie groß sie ist, lassen sich auch die Vorgänge
in dieser Scheibe besser verstehen und zudem berechnen, welche
Energiemengen hier frei werden.

Chandra-Spektrum
des Schwarzen Loches XTE J1118+480. Foto: NASA, CfA, J.
McClintock et al. |
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Im letzten Jahr nahmen
gleich vier Weltraumteleskope ein Objekt unter die Lupe, das unter dem Namen XTE
J1118+480 bekannt ist. Das Hubble Weltraumteleskop lieferte optische Daten, der Extreme
Ultraviolet Explorer registrierte die ultraviolette Strahlung, der Rossi
X-Ray Timing Explorer beobachtete hochenergetische Röntgenstrahlung und das
Röntgenteleskop Chandra schließlich lieferte Messwerte aus dem
Energiebereich zwischen der ultravioletten und der extremen Röntgenstrahlung,
durch die praktisch alle Daten verbunden werden konnten. Bei dem Objekt XTE
J1118+480 handelt es sich nach Ansicht der Astronomen um ein Schwarzes Loch mit
der ungefähr siebenfachen Masse unserer Sonne.
"Durch die
Kombination der Beobachtungen von XTE J1118+480 in vielen unterschiedlichen
Wellenlängenbereichen konnten wir den ersten klaren Beweis finden, dass die
sogenannte Akkretionsscheibe um das Schwarzes Loch deutlich weiter vom Schwarzen
Loch entfernt endet", erläutert Jeffrey McClintock vom Harvard-Smithsonian
Center für Astrophysik die Bedeutung der Beobachtungen. "Die Chandra-Daten
deuten darauf hin, dass die Akkretionsscheibe nicht dichter als etwa 1.000
Kilometer an den Ereignishorizont heranreicht. Das ist ein wesentlich größerer
Abstand als die rund 40 Kilometer, die manche erwartet hatten."
Akkretionsscheiben
sind in der Astronomie ein häufig auftretendes Phänomen: In diesem Fall zieht
das Schwarze Loch Material von einem etwa sonnenähnlichen Stern ab. Dieses Gas
sammelt sich in einer scheibenförmigen Struktur, in deren Zentrum das Schwarze
Loch liegt. Das Material spiralt nun vom äußeren Rand der Scheibe langsam zum
inneren Rand, wird aufgeheizt und gibt dadurch intensive Röntgenstrahlung ab.
Durch Untersuchung dieser Röntgenstrahlung können die Astronomen erkennen, wie
weit die Akkretionsscheibe an das Schwarze Loch heranreicht.
Wenn das Material
sehr schnell in das Schwarze Loch fällt, sollte die Akkretionsscheibe bis etwa
40 Kilometer an den Ereignishorizont des Schwarzen Lochs heranreichen. Der
Ereignishorizont stellt quasi die Oberfläche ohne Wiederkehr dar: Für Material
was ihn durchschritten hat, gibt es keinen Weg zurück. Das gilt sogar für
Licht. Die Astronomen sind sich aber uneinig, wie weit die Akkretionsscheibe an
den Ereignishorizont heranreicht, wenn das Material nur sehr langsam in das
Schwarze Loch fällt.
"Der Durchbruch
gelang, als Chandra keinerlei Hinweise in der Röntgenstrahlung ausmachen
konnte, die man erwartet hätte wenn die Akkretionsscheibe bis zu 40 Kilometer
an den Ereignishorizont heranreicht", erläutert die theoretische
Astrophysikerin Ann Esin vom California Institute of Technology.
"Das ist für Modelle, die davon ausgehen, dass die Scheibe bis dicht an
den Ereignishorizont reicht, ein Problem."
XTE J1118+480 wurde
im März 2000 vom Rossi X-Ray Timing Explorer entdeckt, als von dem
Objekt ein plötzlicher Ausbruch im Röntgenstrahlenbereich ausging. Da das
Objekt so günstig liegt, dass Gas oder Staub die Beobachtungen in anderen
Wellenlängen nicht behindern, wurden im folgenden Monat intensive Beobachtungen
mit anderen Instrumenten organisiert. Das hier gezeigte Bild von Chandra
zeigt das Spektrum des Objektes. Dabei sind - ähnlich wie bei einem
Sonnenspektrum - die von Chandra gemessenen Röntgenstrahlen ihrer
Energie nach geordnet: Die höchste Energien finden sich im Zentrum des Bildes,
die weniger energiereichen Röntgenstrahlen am Rande.
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