Die Erkenntnis, dass der größte Teil der Materie im All
unsichtbar ist, lässt Astronomen seit vielen Jahrzehnten nicht ruhen.
Jetzt gelang es einem internationalen Forscherteam erstmalig dunkle
Materie im Halo unserer Galaxis direkt zu beobachten. Bei über einem
Drittel der Dunkelmaterie könnte es sich, so die Forscher, um abgekühlte
Sternleichen, sogenannte Weiße Zwerge, handeln.
Der
Weiße Zwerg Stern WD 0346. Foto: Nigel C. Hambly, University of Edinburgh/Simon T. Hodgkin, Cambridge University. From Hambly et al. (ApJ Letters, 1997) and
Hodgkin et al. (Nature, 2000) |
Diese Entdeckung, die
ein wichtiger Schritt zur Lösung zumindest eines Teils des
Dunkelmaterie-Problems sein könnte, gelang dem Astronomenteam durch die
gezielte Suche nach Weißen Zwergen auf digitalisierten Bildern des südlichen
Himmels. Die Forscher fanden darauf 38 bislang unentdeckte Weiße Zwerge, die im
Umkreis von 450 Lichtjahren um die Erde herum liegen. Wenn man nun annimmt, dass
die Dichte dieser Sterne der Dichte der anderen Objekte im Halo ähnelt, würden
diese Sternleichen mindestens drei, im Maximalfall aber bis zu 35 Prozent der
Dunklen Materie im Halo unserer Galaxis ausmachen.
"Wir haben eine
zuvor nicht entdeckte Population von Sternen im galaktischen Halo aufgespürt,
die einen Anteil an der baryonischen Dunkelmaterie darstellen", erläutert
Ben R. Oppenheimer von der Universität von Kalifornien in Berkeley. "Das
wirft eine ganze Reihe neuer Fragen nach der Sternentstehungsgeschichte in
unserer Galaxis und den grundsätzlichen Sternentstehungsprozessen
auf."
Das
Dunkelmaterieproblem beschäftigt die Astronomen schon seit 1933, als der Fritz
Zwicky feststellte, dass die in einem Galaxienhaufen enthaltene Masse nicht
ausreicht, um die Bewegung des Haufens zu erklären. Ähnliches gilt auch für
einzelne Galaxien wie unsere Milchstraße. Astronomen nehmen heute an, dass rund
95 Prozent der Materie nicht sichtbar ist, es sich dabei also um Dunkelmaterie
handelt. Nun stellt sich die Frage, um was es sich bei dieser Dunkelmaterie
handeln könnte. Im Prinzip unterscheiden die Astronomen da zwei Hauptgruppen:
Eine Gruppe aus exotischen Teilchen, die aus dem Zoo der Teilchenphysiker
stammen und WIMPs (für weakly interacting massive particles, schwach
wechselwirkende massive Teilchen) genannt werden. Die andere Gruppe, die für
bis zu 35 Prozent der dunklen Materie verantwortlich sein könnte, besteht
aus sogenannter baryonischer Dunkelmaterie, also als normaler Materie aus der
Sterne gemacht sind. Es sind also keine exotischen Teilchen, sondern lediglich
Sterne oder ähnliche Objekte, die zu leuchtschwach sind, um sie zu beobachten.
Diese baryonische
Dunkelmaterie vermuteten die Wissenschaftler beispielsweise im Halo unserer
Galaxis und nennen sie MACHOs (für massive astrophysical halo objects).
Und in mehreren Projekten wird seit einigen Jahren versucht, diesen MACHOs auf
die Spur zu kommen. Die Suche geschieht mit indirekten Methoden, in dem man
versucht durch die MACHOs verursachte Störungen im Bild von entfernten Sternen
zu erkennen, die entstehen, wenn die MACHOs durch die Sichtlinie laufen. Aus
diesen Untersuchungen konnte man bisher folgern, dass bis zu 50 Prozent der
Halomasse aus MACHOs bestehen könnte und ein individueller MACHO in etwa die
Masse eines Weißen Zwerges, also eines ausgebrannten Sterns, haben sollte.
Mit den nun
veröffentlichen direkten Beobachtungen bislang unentdeckter Weißer Zwerge
präsentieren die Forscher quasi eine natürliche Erklärung für die Ergebnisse
der MACHO-Experimente. Das Team suchte nach sehr kalten Weißen Zwergen, deren
Masse ungefähr halb so groß ist, wie die Masse unserer Sonne. Bislang war man
davon ausgegangen, dass Weiße Zwergen, deren nukleares Feuer erloschen ist,
immer röter und röter werden, je weiter sie abkühlen. Erst kürzlich wiesen
einige Theoretiker darauf hin, dass die Weiße Zwerge vermutlich eher blauer
erscheinen, wenn sie eine Temperatur von unter 4.500 Grad Celsius
erreichen.
Diese Theorie
testeten die Forscher durch Beobachtungen eines kalten Weißen Zwerges und durch
das systematische Durchsuchen von digitalisierten Himmelsdurchmusterungen. Sie
konnten so nicht nur die Theorie bestätigen, sondern auch 38 neue Weiße Zwerge
aufspüren, 34 davon hatten nur eine sehr niedrige Temperatur und dürften
zwischen zehn und 13 Milliarden Jahre alt sein. Somit hat diese Entdeckung auch
Auswirkungen über das Dunkelmaterie-Problem hinaus: Die Astronomen müssen nun
herausfinden, wie sich diese Gruppe von Sternen kurz nach der Entstehung der
Galaxie gebildet hat. Hinweise dazu könnten Beobachtungen von weit entfernten,
jüngeren Galaxien liefern, in denen dieser Entstehungsprozess gerade abläuft.