Mit Hilfe der bislang umfangreichsten Galaxiendurchmusterung
versucht ein internationales Astronomenteam eine Antwort auf eine
der spannendesten Fragen der modernen Kosmologie zu finden: Wie viel
Materie enthält unser Universum. Die Antwort beeinflusst sämtliche
Modelle über die Zukunft des Weltalls. Daten von 141.000 Galaxien
sprechen nun dafür, dass nur 35 Prozent normale Materie sind.
Durch diese Zahl konnte das Wissenschaftlerteam, das ihre Ergebnisse
Ende letzter Woche im Wissenschaftsmagazin Nature vorstellte,
die Resultate anderer Gruppen bestätigen, die alle übereinstimmend
besagen, dass unser Weltall so wenig Materie enthält, dass es für
immer weiter expandieren wird. Gäbe es mehr Materie im All, wäre
es nämlich möglich, dass ihre Gravitationskraft irgendwann die
Expansion des Universums stoppt und das All anschließend sogar wieder kollabiert.
Die Astronomen fanden zudem Hinweise darauf, dass sich riesige
Ansammlungen von Galaxien - die Forscher sprechen von
Riesen-Superhaufen - über die Zeit unter dem Einfluss der
Gravitation entwickeln und kollabieren. "Und dies hat uns
erlaubt, das Universum zu wiegen", sagte der Hauptautor der Nature-Veröffentlichung
Professor John Peacock vom Royal Observatory im schottischen
Edinburgh.
Die neuen Resultate basieren auf der 2dF-Galaxiendurchmusterung
(2dF steht für two-degree field), ein weltweit führendes
Projekt, das bislang 150.000 Galaxien erfasst hat und bis zum
Jahresende 250.000 Galaxien erreicht haben will. Damit ist diese
Durchmusterung zehnmal größer als das bislang umfangreichste Projekt
dieser Art. Die Astronomen nutzen das Anglo-Australian
Telescope in Ost-Australien.
"Die Materiedichte im Universum ist extrem gering",
erläutert Dr. Matthew Colless von der Australian National
University. "Im Mittel dürfte es nur etwa ein Atom pro
Kubikmeter geben. Und der Hauptbestandteil des Universum ist
vermutlich eine Art dunkler Energie, die das Weltall dazu zwingt,
sich auszudehnen."
Die 2dF-Galaxiendurchmusterung zeigt eindrucksvoll, dass rund 90
Prozent der Galaxien wie auf der Oberfläche riesiger Blasen im All
verteilt sind, die restlichen liegen in dichten Galaxienhaufen.
"Wir nutzen die Galaxien als Indikatoren für die Masse im
Universum", erläutert Professor Richard Ellis vom California
Institute of Technology. "Von der Gesamtmasse des
Universums ist das meiste dunkle Materie, die keinerlei Strahlung
abgibt. Aber es sieht ganz so aus, als sei die sichtbare Materie so
verteilt wie die unsichtbare und dass die beiden Materiearten sich
irgendwie gegenseitig spüren."
Den Materiegehalt des Universums bestimmte das Team auf zwei
Wegen: Zum einen verglichen sie Galaxienhaufen heute mit kleinen
Temperaturschwankungen in der kosmischen Hintergrundstrahlung, aus
der man auf Dichteschwankungen im frühen Universum schließen kann.
Um nun aus den damaligen Dichteschwankungen die heutigen heutigen
Strukturen entstehen zu lassen, ist ein Materiegehalt von rund 35
Prozent nötig. 65 Prozent müssen als "dunkle Energie"
oder Vakuumenergie vorliegen. Zum anderen studierten die Astronomen
auch, wie sich die Galaxien unter dem Einfluss der Gravitation
bewegten. Die Bewegung der Galaxien werden von
Materiekonzentrationen beeinflusst, wobei es sich dabei um andere
Galaxien oder aber um dunkle Materie handeln kann. Aus dem Studium
dieser Bewegung kann man auf den Materiegehalt schließen. Das
Ergebnis hierbei stimmte gut mit den derzeitigen kosmologischen
Standardmodellen überein.