KOMETEN
Die
Überreste von LINEAR-S4
von Stefan
Deiters
astronews.com
8. August 2000
Der Komet LINEAR-S4, der zunächst viele Astronomen enttäuscht
hatte, entwickelt sich zu einem wahren Highlight des Jahres: Nachdem das Hubble-Weltraumteleskop
Anfang Juli einen Ausbruch auf dem Kometen beobachtet hatte, löste sich Ende
des Monats der gesamte Kometenkern auf. Am vergangenen
Sonnabend konnte Hubble nun einzelne Reste des Kerns beobachten, was aktuelle Theorien über den Aufbau von Kometenkernen
bestätigt.
Oben:
Der Komet LINEAR-S4 am
5. August mit einem Teleskop von der Erde aus gesehen.
Ein Kern ist nicht mehr zu erkennen. Unten: Eine Detailaufnahme
zur gleichen Zeit mit dem
Hubble-Weltraumteleskop aufgenommen. Fotos:
University of Hawaii / NASA, Harold Weaver und das HST Comet LINEAR Investigation Team.
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Der Komet LINEAR-S4 entwickelt sich immer mehr zu einem wahren
Glücksfall für die Astronomen, die durch ihn ihre Theorien über den
Aufbau vom Kometenkernen quasi vor der eigenen Haustür überprüfen
können. Schon Anfang Juli konnten die Wissenschaftler auf LINEAR-S4, der
sich - für Amateurastronomen enttäuschend - weitaus weniger
leuchtkräftig präsentierte als gehofft, einen Ausbruch beobachten. Dann,
als er am 26. Juli die Sonne umrundete, verschwand der Kometenkern
plötzlich vollständig: LINEAR-S4, so die Vermutung, hatte sich in
der Nähe der Sonne vollständig aufgelöst.
Doch das Hubble-Weltraumteleskop
konnte genauer hinschauen: Und tatsächlich erschien auf den
Computerschirmen der Astronomen mehr als nur die diffuse Wolke, die
bodengestützte Teleskope von LINEAR-S4 beobachten konnten. "Mein
erster Gedanke war: Das Weltraumteleskop hat es einmal wieder geschafft,
wir haben den Fisch gefangen", erzählt Harold Weaver von der Johns
Hopkins Universität.
Auf den Bildern sind Minikometen zu sehen, die einen eigenen
kleinen Schweif
haben. Mit dieser Auflösung ist dies zuvor noch nie bei einem sich
auflösenden Kometen beobachtet worden. Die Bilder bestätigen eine
Theorie, die es schon seit langer Zeit über den Aufbau von Kometenkernen
gibt: Die Kerne bestehen aus vielen kleineren Eisbrocken, die die
Astronomen Kometisimale nennen.
Und dass Kometen in Einzelteile
auseinanderbrechen können, zeigte 1992 der Kometen Shoemaker-Levy 9,
der durch eine zu nahe Passage an Jupiter vorbei in insgesamt 20 kleine
Kometen zerbrochen war. Doch die Einzelteile waren damals zu weit
entfernt, um genauere Untersuchungen anzustellen. Bei LINEAR-S4 ist das
anders: Wenn es sich bei den beobachteten Minikometen tatsächlich um Kometisimale
handelt, wären das die ursprünglichen Bausteine des Kometenkerns. Und
ihr Studium würde den Astronomen verraten, wie sich der Komet vor rund
4,6 Milliarden Jahren gebildet hat.
So schön die Hubble-Bilder für die Astronomen sind,
überrascht haben sie sie eigentlich nicht: "Um die Wahrheit zu
sagen, hätte es mich mehr überrascht, wenn Hubble keine
Einzelteile gesehen hätte", sagte Caey Lisse vom Space Telescope
Science Institute. "Sie mussten einfach da sein. Die Wärme der
Sonne kann nicht ausreichen, um etwas von der Größe eines Berges
in so kurzer Zeit zu verdampfen."
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