Die Suche nach der dunklen Materie ist eines der spannendsten Gebiete der heutigen
Astrophysik. Das hat einen einfachen Grund: Das "Dunkelmaterie-Problem" begegnet
einem Astronomen fast überall und konfrontiert ihn täglich mit der Frage, aus was denn
das Universum hauptsächlich besteht.
Eine Grundbeobachtung der modernen Astronomie ist, daß im Weltraum Materie fehlt. So
beobachtete man in den 70er Jahren die Geschwindigkeit mit der sich Sterne um das Zentrum
ihrer Muttergalaxie bewegen. Es stellte sich heraus, daß man ihre Bewegung nur dann
verstehen kann, wenn man annimmt, daß es auch dort, wo man keine "leuchtende
Materie" in Form von Sternen oder Gaswolken sieht, Materie gibt - sogenannte
"dunkle Materie". Mittlerweile gehört es schon zum "guten Ton"
anzunehmen, daß Galaxien wie unsere Milchstraße von einem "dunklen Halo"
umgeben sind, der rund zehnmal so viel Masse enthält, wie die sichtbare Materie (Sterne,
Gas) der Galaxie.
Ähnliche Untersuchungen kann man auch für größere Strukturen im Universum machen,
beispielsweise für Galaxienhaufen. Auch hier stellt man fest, daß viel mehr Materie da
sein muß, als man sehen kann. Auch die Tatsache, daß sich überhaupt Strukturen (wie
Galaxien und Galaxienhaufen) im Kosmos gebildet haben, sehen viele als Argument für
dunkle Materie, die in diesem Fall als eine Art Kondensationskeim beim jeweiligen
Entstehungsprozeß gedient haben soll.
Schaut man nun ganz weit zum Urknall zurück und errechnet die - nach den aktuellen
Modellen - theoretische Masse aller Teilchen im Universum, stößt man wieder auf ein
großes Defizit: Astrophysiker schätzen so einen Dunkelmaterie-Anteil von bis zu 95
Prozent ab. Doch es kommt noch schlimmer: Glaubt man - wie viele Kosmologen - an ein
Universum, in dem so viel Masse vorhanden ist, daß seine Expansion eines Tages durch die
Schwerkraft seiner Masse abgebremst wird und zum Stillstand kommt, benötigt man noch
deutlich mehr Dunkelmaterie.
Die Beweise für Dunkelmaterie sind also überwältigend. Nur aus was besteht sie?
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen "baryonischer Dunkelmaterie", unter
der man im Prinzip "normale" Materie verstehen kann, und nicht-baryonischer
Dunkelmaterie, womit man exotische Teilchen aus der Zeit des Urknalls zusammenfaßt. Nach
dem heutigen Kenntnisstand ist es unwahrscheinlich, daß man alle fehlende Materie nur
durch "normale" oder baryonische Dunkelmaterie erklären kann.
"Baryonische" Kandidaten für Dunkelmaterie sind zum Beispiel Sterne, die man
nicht oder nicht mehr sehen kann: Sogenannte Weiße Zwergsterne, also ausgebrannte
Sternreste, sind so leuchtschwach, daß sie in größerer Entfernung von der Erde kaum
nachgewiesen werden können. Dann gibt es "Braune Zwerge", riesige
Jupiter-ähnliche Gebilde, die nicht genug Masse haben, um die nuklearen Brennprozesse zu
starten. Weitere Kandidaten wären beispielsweise Schwarze Löcher. Astrophysiker sind
sich sicher, daß es alle diese Kandidaten gibt. Unklar ist aber, ob sie so häufig sind,
daß sie das Dunkelmaterie-Problem lösen können.
Bei den "nicht-baryonischen" Dunkelmaterie-Kandidaten gibt es einen ganzen
Zoo von Teilchen, die nach Theorien der Teilchenphysiker möglich wären, deren Nachweis
aber bis heute nicht gelungen ist.
Und was ist mit Antimaterie? Gibt es also Antiprotonen, Antineutronen, usw.?
Wahrscheinlich nicht und wenn, dann nicht sehr viel. Gäbe es nämlich einen
beträchtlichen Anteil von Antimaterie beispielsweise in unserer Galaxie, müßten wir
gewaltige Explosionen beobachten, wenn Materie und Antimaterie sich auslöschen. Hätte es
gleich nach dem Urknall einen gleichen Anteil von Materie und Antimaterie gegeben, hätte
sich vermutlich die gesamte Materie gegenseitig ausgelöscht. Die heutige Materie kann man
also auch als Materieüberschuß der Materie gegenüber der Antimaterie interpretieren,
der von Anfang an dagewesen ist.
So ist die Natur der dunklen Materie bis heute unklar. Auf der ganzen Welt arbeiten
Wissenschaftler daran, dieses Geheimnis mit immer ausgefeilteren Methoden zu lüften.
Gelingt es ihnen, wäre das ein wichtiger Schritt hin zu einem besseren Verständnis von
der Entstehung und Entwicklung unseres Universums. (ds/19. März 1999)
siehe auch:
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