Vorbemerkung: Dies ist eine von mir erstellte Übersetzung der "Conclusion" des Artikels
Extraordinary climates of Earth-like planets: three-dimensional climate simulations at extreme obliquity von Darren M. Williams und David Pollard, erschienen in International Journal of Astrobiology 2 (1) : 1–19 (2003)
Zum besseren Verständnis der Szenarien, hier eine kurze Beschreibung:
PRES23, PRES54, PRES70 und PRES85 sind Planeten mit einer Verteilung der Kontinente, so wie sie heute auf der Landkarte sind. Die Zahlenwerte geben die angenommene Achsneigung gegen die Ekliptik an. PRES23 entspricht also unserer Erde heute und PRES85 entsricht unserer heutigen Erde, aber mit Ekliptikschiefe wie Uranus.
HICO2:23, HICO2:54, HICO2:70 und HICO2:85 sind wie die PRESxx Szenarien, nur unter der Annahme einer CO2 Konzentration, wie sie auf der Früherde geherrscht haben könnten, von 3450 ppmv (zum Vergleich: die Pres Szenarien hatten ein CO2 Level von 345 ppmv)
PRES0: Gegenwärtige Landkarte, aber Achse senkrecht, d.h. keine Jahreszeiten, CO2 345 ppmv
STUR0: gerade zerbrochener Superkontinent in Äquatornähe, bei Achsneigung Null, CO2 von 345 ppmv
STUR85: Wie STUR0 ist der Superkontinent in Äquatornähe, Achsneigung 85 Grad, CO2 ist bei 420 ppmv aber Solarkonstante nur 94% des heutigen Wertes.
VARA85 Gerade zerbrochener Superkontinent, über dem Südpol gelegen, bei 85 Grad Achsneigung, CO2 420 ppmv, Solarkonstante 94% des heutigen Wertes.
Ende der Vorbemerkung
Zusammenfassung
Als Laskar und seine Kollegen (Laskar et al. 1993) erstmals vermuteten, daß Episoden von starker Achsenneigung die Erde unbewohnbar machen würde, stellten sie sich höchstwahrscheinlich einen Planeten vor mit entweder völlig überhitzten Kontinenten oder gefrorene Landmassen, bedeckt von Eis und Schnee. In der Tat sind beide Extreme in der Simulation des außergewöhnlichen Szenarios VARA85 vorhanden. Dennoch, der Begriff "habitabel" wurde historisch für jeden erdähnlichen Planeten oder Mond verwendet, dessen Klima flüssiges Wasser zumindest irgendwo auf seiner Oberfläche während wenigstens eines Teils seines Umlaufs [um seinen Stern] gestattet. Im weitesten Sinne ist eine Welt "habitabel", wenn sie nicht so warm ist, daß sie in einen gallopierenden Treibhauseffekt abrutscht, oder so kalt, daß sie irreversibel zu einem globalen Schneeball wird. Alle der hier simulierten Planeten sind nach dieser breiten Definition habitabel, denn selbst die Extremwerte der Achsneigung haben nicht zu einer Klimakatastrophe geführt (obwohl die Möglichkeit hierfür nicht ausgeschlossen ist, wenn Welten betrachtet werden, die anders als die hier betrachteten sind). Generell betrachtet sind die globalen Durchschnittstemperaturen nur schwach abhängig von der Neigung der Achse, denn der globale jährliche Eintrag von Sonnenstrahlung auf einen Planeten bleibt der selbe, gleichgültig wie die Orientierung seiner Drehachse sich im Raum darstellt.
Wenn wir das Habitabilitätskriterium etwas einschränken auf Gebiete eines Planeten mit Temperaturen von, sagen wir, -10 bis +50 Grad Celsius, so können wir nun bestimmen welcher Anteil eines Planeten zu einem bestimmten Zeitpunkt (im Jahr) habitabel ist und welcher Anteil bei einer Durchschnittsbildung über alle Jahreszeiten. Fig. 23 und 24 zeigen die Anteile von einigen Planetenoberflächen, deren Temperaturen entweder unter -10 °C oder über 50 °C liegen. Gemäß Fig. 23 ist die heutige Erde (Szenarion PRES23) eine der am wenigsten habitablen Planeten, die wir simuliert haben. Etwa 8,7% der Erdoberfläche ist durchschnittluch kälter als -10 °C und dieser Anteil steigt bis zu 13,2% im Februar, aufgrund der großen schneebedeckten Landmasse in hohen Breitengraden. Die einzigen Planeten, die deutlich kälter sind als die heutige Erde sind die Simulationen, in denen die Erdachse aufrecht steht (Neigung Null): PREAS0 und STUR0. Für PRES0, mit heutiger Verteilung der Kontinente, sind 15,6% der Landfläche im Durchschnitt kälter als -10 °C. Im Gegensatz dazu hat Planet STUR0, mit kleineren Kontinenten und diese primär in Äquatornähe, eine mittlere globale Temperatur von nur 7,2 °C und 23,3% der Oberfläche mit Temperaturen unter -10°C.
Wie bereits oben erwähnt, ist Szenario VARA85 jahreszeitlich betrachtet am stärksten ausgeprägt. Fig. 23 zeigt, daß 15,6% der Oberfläche (oder ca. 65% der Landfläche) im Juli unter -10 °C fällt. Sechs Monate später, im Januar, erreichen die Temperaturen auf 9,3% der Oberfläche Werte über 50°C (Fig. 24). Diese Temperaturextreme sind etwas reduziert um die Zeit der Tag- und Nachtgleichen herum, während die Sonne über dem Äquator steht. Aber wenn die extremen Temperaturen während der Sonnenwenden [also wenn die Sonne über einem der Pole steht] über den Jahreszyklus gemittelt werden, sind knapp 7% der Oberfläche (ca. 28% der Landfläche) außerhalb des habitablen Temperaturbereichs. Diese Simulation zeigt, daß Planeten mit entweder großen Superkontinenten an einem der Pole oder mit zu geringem Anteil von Wasser an der Oberfläche am problematischsten für Leben ist, wenn die Planetenachse stark geneigt ist.
Alle anderen Szenarien dieser Studie sind wärmer als die Erde aufgrund des starken Temperaturanstiegs der Landmasse in hohen Breitengraden während der Sommersonnenwende. Die intensive Sommererwärmung auf beiden Hemisphären reicht aus, um Oberfläche und Atmosphäre auch während der verlängerten dunklen Wintermonate warm zu halten. Die Erwärmung der Antarktis und des umgebenden Ozeans zwischen November und Februar in Szenario PRES85 zum Beispiel hält den Kontinent ganzjährig eisfrei, sogar während des langen antarktischen Winters. (Fig. 9 zeigt, daß in diesem Szenario die Antarktis tatsächlich der beste Platz für von Wasser abhängigem Leben ist, wegen der gemäßigten Temperaturen und der geringen jahreszeitlichen Schwankung). Entgegen der ursprünglichen Erwartung hat keiner unserer simulierten Planeten mit hoher Achsneigung eine permanente Vereisung in der Nähe des Äquators. Dies ist ein Indiz dafür, daß die Vergletscherung in niedrigen Breitengraden während des späten Präkambriums nicht auf eine hohe Achsneigung zurückzuführen ist, obwohl solche Ergebnisse von Ogelsby & Ogg (1998) und Jenkins (2000) unter etwas anderen Randbedingungen gefunden wurden.
Die Abwesenheit von permanenter Vereisung ist keine Garantie für sich selbst, daß eine Welt für Leben geeignet ist. Die hohen Temperaturextreme, die sich in den meisten unserer simulierten Welten gezeigt haben, würden wohl für alle außer den einfachsten Lebensformen unserer heutigen Erde problematisch sein. Die langen Perioden der Dunkelheit, die nahezu eine ganze Hemisphäre umfasst, wäre eine Herausforderung für Organismen, die auf Photosynthese basieren. Einige unserer Planeten wären möglicherweise nur geeignet für Organismen, die als Extremophile bezeichnet werden, welche den dunklen Ozeanboden bevölkern oder tief unter der Erde leben, oder Temperaturen überstehen können, welche an die 400 °C heranreichen, vorausgesetzt sie haben eine Quelle für Wasser. Solche Organismen können mit Leichtigkeit den Temperaturschwankungen widerstehen, deren außerordentliche Ausmaße wir hier simuliert haben.
Könnten unsere Planeten auch höher entwickeltes Leben unterstützen wenn die Erdachse stark geneigt ist? Unsere Ergebnisse zeigen, daß die Antwort auf diese Frage "Ja" ist, vorausgesetzt dieses Leben bevölkert nicht kontinentale Oberflächen, die saisonal unter den höchsten Temperaturen zu leiden haben. Der Fall des Szenarios HICO2:85, unser wärmster Planet, zeigt, daß im Juli auf nahezu 12% des Planeten über 50 °C herrschen, aber dies sind nur 40% der Landfläche, die dem Leben zur Verfügung steht (und 17% der Fläche für maritimes Leben). Und obwohl solche Welten Klimata aufweisen, die sich von dem der heutigen Erde stark unterscheiden (in der Tat sind sie überwältigend), werden viele von ihnen immer noch geeignet sein für sowohl einfaches als auch höheres wasserabhängiges Leben. Aus diesen theoretischen Gründen heraus ist es also nicht notwendig erdähnliche Planeten mit starker Achsneigung von der Suche nach Leben außerhalb unseres Sonnensystems auszuschließen.