Was taugt der Higgs-Mechanismus?

Bernhard

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Liebe Forenteilnehmer,

auch wenn das Thema vielleicht etwas deplaziert und wenig originell wirkt, so möchte ich doch noch einmal den Vakuumerwartungswert des Higgsfeldes thematisieren. Laut Wikipedia hat dieser den Wert 246 GeV / sqrt(2): https://de.wikipedia.org/wiki/Vakuumerwartungswert . Rechnet man diesen Wert in kg/m³ um, bekommt man einen Wert, der extrem weit über der Dichte eines jeden alltäglichen Festkörpers auf der Erde liegt.

Meine Frage wäre nun: Wie ist dieser Wert innerhalb des Standardmodells zu verstehen, bzw. zu deuten? Die Normalordnung der zugehörigen QFT scheint da nicht zuständig zu sein, weil beim Higgs-Mechansmus eben diese Eigenschaft benötigt wird, dass bei dem energetisch tiefsten Zustand (Vakuum) die Feldstärke ungleich Null ist. Das legt dann jedoch die Frage nahe, wie ein derart energiereicher Vakuumzustand insbesondere auch gravitativ zu deuten ist. Das kosmologische Standardmodell kennt eine derart hohe Vakuumenergiedichte zumindest definitiv nicht.

Was läuft hier also schief? Muss hier nach einem Ersatz für den Higgs-Mechanismus gesucht werden? Wurde am LHC wirklich das Higgs-Boson oder etwas anderes nachgewiesen?
 

MGZ

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Wenn du GeV in kg/m³ umrechnest, dann lass doch lieber die Finger vom Higgs-Mechanismus. Sonst verklemmst du ihn noch.
 

TomS

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Die Normalordnung der zugehörigen QFT scheint da nicht zuständig zu sein.
Doch, die Normalordnung funktioniert. Man setzt einfach den Erwartungswert des Hamiltonians Null, nicht den des Higgsfeldes

<H> = 0

<h> = v = 2M/g = 246 GeV / c[SUP]2
[/SUP]
Wenn v zu <H> beitragen würde, dann müsste man noch über eine derartige Konstante integrieren, d.h. Bei endlicher Energiedichte wäre die Energie selbst unendlich.
 

Bernhard

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Wenn du GeV in kg/m³ umrechnest, dann lass doch lieber die Finger vom Higgs-Mechanismus.
Peinlich, peinlich. Da habe ich also Feldstärke und Energiedichte in einen Topf geworfen. Sorry. Damit ist mein Problem schon wieder geklärt.
Danke für den Hinweis.
 

Bernhard

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Man setzt einfach den Erwartungswert des Hamiltonians Null, nicht den des Higgsfeldes
Macht das Sinn?

Ich würde als nächstes versuchen den Energie-Impuls-Tensor eines konstanten Higgsfeldes auszurechnen. Dann kennt man die zu erwartende (Vakuum-)Energiedichte des Feldes.
 

TomS

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Ob es Sinn macht?

Es funktioniert ;-)

$$ T_{\mu\nu} = \partial_\mu\phi \partial_\nu\phi - g_{\mu\nu} \mathcal{L} $$

$$ \mathcal{L} = \left|D_\mu \phi\right|^2 + \mu \phi^\dagger\phi - \lambda (\phi^\dagger\phi)^2 $$

$$ \phi \to \frac{1}{\sqrt{2}}(0,v) $$
 

TomS

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Ja.

Dann addieren wir eben einen konstanten Term und alles ist wieder wie üblich - oder?
 

Bernhard

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Dann addieren wir eben einen konstanten Term und alles ist wieder wie üblich - oder?
Ja, klar. Das ist die naheliegende, aber auf mich auch etwas künstlich wirkende Erklärung. Ich frage mich deshalb, ob es da nicht vernünftige Alternativen gibt, die sich etwas besser mit der Kosmologie vertragen.
 

TomS

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Nee, die gibt es nicht.

Es hilft auch nichts, das für die klassischen Felder zu lösen, weil’s dir nach der Quantisierung immer um die Ohren fliegt.
 

TomS

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Duff ist natürlich ein String-Guru. Ich sehe jedoch nicht, dass die Stringtheorie besser funktioniert, höchstens das Versprechen, dass sie besser funktionieren könnte.
 

Bernhard

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Duff ist natürlich ein String-Guru.
Schau mal auf Seite 13 der verlinkten Arbeit:

Duff schrieb:
The breakthrough was the realization that the gauge group G obtained in D = 4 was connected to the isometry group of the extra dimensions which, in analogy with S^1, were taken to be compact to ensure the compactness of G. Thus, it was argued, SU(2) gauge bosons arose from taking three extra dimensions and assigning to them the geometry of a three-sphere which was, after all, the SU(2) group manifold.
Eine Interpretation der Eichbosonen und eventuell ja auch des Higgsfeldes als Krümmung einer höherdimensionalen Raumzeit fände ich aktzepabel, bzw. interessant.

EDIT: Da werden auch noch keine Strings benötigt. Auf Seite 21 wird der Higgs-Mechanismus erwähnt:

the higher dimensional interpretation of the Higgs mechanism as a distortion of the extra dimensional geometry
wobei das erst mal nichts an der Interpretation des Vakuumerwartungswertes des Higgs-Feldes ändert.
 
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TomS

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Hallo Bernhard,

diese Ideen sind natürlich bekannt. Ich sehe jedoch nicht, dass das einmal wirklich funktioniert hätte.

Zum ersten ist die Kompaktifizierung bei höherdimensionalen kompakten Räumen zunächst beliebig. Es ist kein Mechanismus bekannt, der genau eine und dann auch noch die richtige selektiert. Das beginnt bereits mit der Anzahl der kompaktifizierten Dimensionen, die von Hand vorgegeben wird.

Zum zweiten ist die Raumzeit der ART dynamisch, die der kompaktifizierten Dimensionen jedoch statisch. Man muss sie künstlich von der Dynamik entkoppeln. Prinzipiell benötigt man eine voll dynamische Raumzeit einschließlich der kompaktifizierten Dimensionen, damit jedoch auch einen Stabilisierungsmechanismus, der die Geometrie der kompaktifizierten Dimensionen fixiert. Ein solcher ist nicht bekannt.

Ein weiteres Problem ist die Chiralität der schwachen Wechselwirkung. Ich weiß nicht, ob und wie diese aus einer Kompaktifizierung resultiert; hier ist das Problem, dass Spinoren zunächst symmetrisch an die Raumzeit koppeln.

Grundsätzlich problematisch ist auch die Masse der Eichbosonen bzw. das Higgs-Potential. M.W.n. resultieren aus der Kompaktifizierung zunächst exakt masselose Eichbosonen, d.h. das Potential fehlt bzw. muss anderweitig konstruiert werden.

Generell kann man sagen, dass man die Willkür bei der Wahl einer Eichgruppe u.a. in die Willkür der Wahl der Geometrie überführt - und noch neue Probleme hinzubekommt.

Spätens wenn‘s zur Supergravitation geht, kommt noch das SUSY-Problem dazu. Wenn wir sie experimentell nicht finden, stecken diese Theorien in immer größeren Schwierigkeiten. Je höher die Energie der SUSY-Partner, desto hässlicher die Methode der Brechung.
 
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Bernhard

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Dann addieren wir eben einen konstanten Term und alles ist wieder wie üblich - oder?
Ich dachte, ich hätte in einem der Greiner-Bände erst kürzlich gelesen, dass sich bei der Renormierung der \(\Phi^4\)-Theorie zeigt, dass es sich dabei effektiv um die normale Klein-Gordon-Theorie (\(\Phi^2\)) handelt, kann die Stelle aber aktuell nicht mehr finden. Das wäre eine akzeptable Erklärung für das Higgs-Vakuum.
 

TomS

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Die RGE ist aufgrund der Kopplung definitiv anders; m.WQ.n. ist die Stabilität des Vakuums im UV immer noch nicht gesichert; Massenrenormierung bedarf Finetuning.
 

Bernhard

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Ich habe mich die letzten Wochen mal etwas intensiver mit den Proca-Gleichungen beschäftigt. Die Ergebnisse schreibe ich halb illegalerweise hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Proca-Gleichung#Wechselwirkung_mit_fermionischen_Feldern auf. "halb illegalerweise" deshalb, weil in der WP Theorienbildung eigentlich untersagt ist, allerdings beteiligem sich an diesem Abschnitt auch Mitglieder der Redaktion Physik, weshalb das dann wohl OK ist.

Im Abschnitt fehlt noch die genaue Form der verallgemeinerten kovarianten Ableitung, die in den Dirac-Gleichungen zu verwenden ist. Man erkennt an diesem Ansatz allerdings jetzt schon den Vorteil, dass die Neutrinomassen in sehr natürlicher Art und Weise in der Theorie enthalten sind. Die Form der fermionischen Ströme kann man diesem Artikel entnehmen: https://de.wikipedia.org/wiki/Schwache_Wechselwirkung#Schwache_Wechselwirkung.

Lorentzinvarianz und elektromagnetische Eichinvarianz muss meiner Meinung nach gegeben sein und führt im Fall des geladenen Feldes (W-Boson) in einfachster Form auf die folgende kovariante Ableitung:
$$D_{\mu} = \partial_{\mu} + \tfrac{iq}{\hbar c}A_{\mu} + g1_{W} B^{*\mu}B_{\mu}$$
Im Fall des ungeladenen Feldes (Z-Boson) kann man unter den genannten zwei Prämissen:
$$D_{\mu} = \partial_{\mu} + \tfrac{iq}{\hbar c}A_{\mu} + g1_{Z} B_{\mu}$$
verwenden. Das Feld des Z-Bosons bliebe bei einer Eichtransformation dann komplett unverändert. In den Dirac-Gleichungen für die Neutrinos entfällt die minimale Kopplung an das elektromagnetische Feld.

Die Theorie hat neben den beiden Boson-Massen also vier Kopplungskonstanten als weitere und zu bestimmende Parameter. Man könnte davon ausgehend bereits versuchen Streuquerschnitte auszurechnen und daraus dann die Größe der Kopplungsparameter zu bestimmen. Sollte das brauchbare Ergebnisse bringen, kann man zuletzt auch noch die Wechselwirkung mit einem Skalarfeld einführen und hätte dann eventuell sogar eine alternative Theorie zum Standardmodell, ohne den Higgs-Mechanismus, aber hoffentlich in mindestens ebenso guter Übereinstimmung mit den Daten aus den Beschleunigerexperimenten.
 
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Bernhard

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Ich spinne diesen Faden mal etwas weiter. Mir ist nämlich gerade aufgefallen, dass zwei kovariante Ableitungen so noch keinen Sinn machen. Man kann aber die zwei angeschriebenen Operatoren zu einem zusammenfassen:
$$D_{\mu} = \partial_{\mu} + \tfrac{iq}{\hbar c}A_{\mu} + g1_{W} B_W^{*\mu}B_{W\mu} + g1_{Z} B_{Z\mu}$$
Damit die Eichinvarianz des elektromagnetischen Feldes erhalten bleibt, steht \(B_W\) für das Feld des W-Bosons und \(B_Z\) für das Feld des Z-Bosons.

Damit hat man einen Vorschlag für eine kovariante Ableitung für alle Leptonen unter Berücksichtigung der schwachen und elektromagnetischen Wechselwirkung. Interessant ist der Term, den das W-Boson bildet. Er entspricht innerhalb der Dirac-Gleichung rein formal einem zusätzlichen Masse-Term.
 
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