Äquatorwulst auf Iapetus

Mahananda

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Hallo alle miteinander,

der Äquatorwulst auf Iapetus ist schon etwas Besonderes. Auffallend ist, dass er nicht um den ganzen Mond herumführt, sondern auf die Cassini-Region beschränkt ist.

Die Cassini-Region erscheint auf den Fotos so, als wenn dort dunkles Material "abgeregnet" ist, nicht aber wie ein Niederschlag infolge vulkanischer Aktivität. Auf einigen Fotos ist der Rand der Cassini-Region recht scharf in Gestalt einer Ellipse von den helleren Regionen abgegrenzt. Das deutet darauf hin, dass Iapetus entweder eine vergleichsweise dichte Wolke aus dunklem Staub kreuzte, die sich beiderseits des Äquators auf der Oberfläche niederschlug, oder das Material wurde während einer nahen Passage eines Körpers, der dieses Material entwickelte, auf die Iapetus-Oberfläche verbracht.

Aus Spektraluntersuchungen ist bekannt, dass das dunkle Material aus Tholinen besteht, deren Zusammensetzung denen der Titanatmosphäre entspricht. Tholine sind komplexe Verbindungen aus C, H, O und N, die sich unter dem Einfluss von UV-Strahlung und Sonnenwind spontan aus Methan und Stickstoff bilden. In der Titanatmosphäre führte dies zum Smog, der den Blick zur Oberfläche behindert. Auf dem Neptunmond Triton erscheint ein großer Teil der Oberfläche durch Tholine rosa gefärbt, und auch die rötlich erscheinenden KBO's inklusive Sedna haben wahrscheinlich Tholine gebildet (merkwürdigerweise Charon nicht!).

Mit Ausnahme von Titan gibt es im Saturnsystem keine Tholine, weil die erforderlichen Ausgangsstoffe nicht in ausreichender Menge vorhanden sind. Das hat mich zu der Spekulation veranlasst, dass es irgendwann in sehr ferner Vergangenheit zu einer nahen Begegnung des Iapetus mit Titan gekommen ist. Titan erscheint ohnehin als Fremdkörper im Saturnsystem. Iapetus hingegen ist von Größe und Beschaffenheit her mit Rhea vergleichbar. Schaut man sich in den anderen Satellitensystemen des Sonnensystems um, kommt man nicht umhin, festzustellen, dass Planetenpaare und Mondpaare eher die Regel sind und nicht die Ausnahme. Daher vermute ich, dass Rhea und Iapetus ursprünglich ebenfalls ein Mondpaar auf benachbarten Orbits gewesen sind, bis Titan in das System eindrang und von Saturn eingefangen wurde.

Der Einfangvorgang müsste in der Nähe der ehemaligen Iapetusbahn stattgefunden haben, die irgendwo zwischen den jetzigen Orbits von Rhea und Titan gelegen hat. Da die Masse Titans erheblich größer als die des Iapetus ist, beförderte er diesen via Swing-by auf seine heutige Außenbahn. Während dieser nahen Passage, die beide Körper so stark erhitzte, dass sie "ins Schwitzen" kamen, müsste der Tholin-Transport von Titan nach Iapetus stattgefunden haben. Das zeitweise weiche Eis beider Körper verformte sich während des Swing-by entlang des Äquators zu einer wulstartigen Struktur. Bevor die elastischen Kräfte eine Rückverformung zulassen konnten, fror Iapetus wieder ein, so dass der Wulst bis heute konserviert wurde. Auf Titan dürften die Gezeitenkräfte weniger deutliche Auswirkungen gehabt haben. Außerdem ist Titan bis heute geologisch aktiv, so dass sich die Spuren dieses Ereignisses längst verwischt haben.

So weit meine Spekulationen. So viel ich weiß, hat noch niemand dieses Szenario in Erwägung gezogen bzw. durchgerechnet. Die Veröffentlichungen, die auf wissenschaftlichen Methoden beruhen, erscheinen mir nicht so plausibel wie meine Überlegungen. Aber es fehlt eine wissenschaftliche Prüfung (Computersimulationen usw.), die meine Spekulationen in die Nähe einer Wahrscheinlichkeit rücken würden. Darum stelle ich sie hier zur Diskussion und bin auf kritische Hinweise gespannt.

Viele Grüße!
 

mac

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Hallo Mahananda,

zunächst möchte ich das bisher Versäumte nachholen, und Dich herzlich willkommen heißen!

Was Du hier schreibst, hört sich für mich sehr interessant an, ich kann dabei allerdings in vielen Bereichen nicht (in manchen noch nicht) mithalten. Einige Fragen hätte ich allerdings schon jetzt dazu:

Schaut man sich in den anderen Satellitensystemen des Sonnensystems um, kommt man nicht umhin, festzustellen, dass Planetenpaare und Mondpaare eher die Regel sind ...
diese Aussage kann ich nicht einordnen. Könntest Du mir einige Beispiele nennen?


Mahananda schrieb:
Während dieser nahen Passage, die beide Körper so stark erhitzte, dass sie "ins Schwitzen" kamen, müsste der Tholin-Transport von Titan nach Iapetus stattgefunden haben. Das zeitweise weiche Eis beider Körper verformte sich während des Swing-by entlang des Äquators zu einer wulstartigen Struktur. Bevor die elastischen Kräfte eine Rückverformung zulassen konnten, fror Iapetus wieder ein, so dass der Wulst bis heute konserviert wurde.
Nur als Plausibilitätsüberlegung möchte ich dazu zwei Bemerkungen machen. Niederschlag eines Gastransports von Titan zu Iapetus hätte ich nicht unbedingt als scharf begrenzt auf die Kassiniregion erwartet, sondern allenfalls mit einem exponentiellen Abfall der Konzentration mit zunehmender Entfernung vom Äquator.

Und was mir auch nicht unbedingt plausibel erscheint, daß durch eine einzige nahe Passage genug Energie durch Gezeitenkräfte erzeugt wird, um Iapetus partiell aufzuschmelzen und in irregulärer Form erstarren zu lassen. Wenn das energietechnisch möglich gewesen sein sollte, bleibt trotzdem die Frage, warum er überhaupt bei seiner Entstehung nicht schon in einer entsprechend ausgeglichenen Form (Ausgleich zwischen Gravitation und Fliehkraft durch Rotation) erstarrt ist?

Ein weiteres Argument was aus meiner Sicht, ohne daß man nachrechnen muß, dagegen spricht: Die Rotation der Erde führt zu einem gut 20 km hohen "Fliehkraftgürtel" um den Äquator herum, aber nicht zu einem noch höheren durch das Wasser der Ozeane. Daher würde ich einen so dramatischen Effekt auch bei einem partiellen Aufschmelzen der Äquatorregion des Iapetus nicht unbedingt erwarten.


Herzliche Grüße

MAC
 

Bynaus

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Ist der Wulst wirklich auf die Cassini-Region beschränkt? Meiner Erinnerung nach umgibt er den ganzen Mond (ansonsten würde keine der angeboteten und in einem Artikel auf Astronews.com erwähnten Erklärungen viel Sinn machen, nicht wahr?)
 

Mahananda

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Hallo MAC und Bynaus,

ich fange mal von hinten an: der Äquatorwulst konnte bisher nur in der Cassini-Region beobachtet werden. Auf den Bildern, die hellere Regionen enthalten, lässt sich der Wulst nicht ausmachen. Die Bilder der Iapetus-Passage vom 2. Januar 2005 zeigen, dass der Wulst kurz vor einem großen Impaktbecken in eine Bergkette ausläuft, die sich zunehmend abflacht. Am Iapetus-Rand hingegen erscheint die gesamte Kruste deformiert, so als würde sie aus einer Gummifolie bestehen, die entlang des Äquators hochgezogen wurde. Der Schluss, dass die bisher angebotenen Erklärungen keinen Sinn machen, drängte sich mir schon früher auf, so dass ich mir meine eigene Hypothese ausdachte.

Das mit dem Wasserwulst der Erde ist schon richtig, aber ich glaube auch nicht, dass Iapetus völlig aufgetaut ist, sondern nur so warm wurde, dass das Eis plastisch verformbar wurde. Die Abkühlung danach muss dann sehr schnell erfolgt sein, so dass die Ausgleichskräfte nicht genug Zeit hatten, den Mantel wieder zurückzuformen. Möglicherweise entstand entlang des Wulstes ein Spaltenbruch, der zur Druckentlastung führte und dadurch die aufgewölbte Kruste in ihrer Form stabilisierte. Der Wulst besitzt ja eine "Krone" aufgesetzten Eises in Gestalt eines Gebirgszuges.

Ob eine einzige Passage für diese Wirkungen ausreicht, möchte ich dahingestellt sein lassen, das müsste man durchrechnen. Ich möchte nicht ausschließen, dass es mehrere Passagen gegeben hat, von denen eine besonders eng war, die schließlich zur Aufwölbung geführt hat und zum Materialtransport.

Die Gestalt der Cassini-Region gleicht einer Streuellipse. Diese entsteht, wenn eine kugelförmige Wolke abregnet oder wenn Gas angezapft wird. In letzterem Falle - so meine Vermutung - müsste die Verteilung beiderseits des Äquators etwa parallel erfolgt sein. Die Konzentration des Materials endet an den Rändern deshalb recht abrupt, weil das angezapfte Gas-/Staub-Gemisch gewissermaßen wie ein Tropfen auf die Oberfläche fiel. Betrachtet man sich die Bilder, fällt auf, dass mit zunehmender Entfernung vom Äquator die Krater Wände aufweisen, die im "Windschatten" lagen. Weiter entfernte Krater - auch außerhalb der Cassini-Region - haben zugewandte Wände, die mit dunklem Material belegt sind.

So weit meine Gedanken dazu. Zu den Planetenpaaren und Mondpaaren siehe bei Wikipedia den Artikel "Reguläre Strukturen im Sonnensystem".

Vielen Dank für die Willkommensgrüße!
 

mac

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Hallo Mahananda,

erst mal danke für den Hinweis auf den Artikel: http://de.wikipedia.org/wiki/Reguläre_Strukturen_im_Sonnensystem

allerdings bin ich, (wie der Verfasser) eher abwartend ob aus diesen Überlegungen nochmal was wird.


Das mit dem Wasserwulst der Erde ist schon richtig, aber ich glaube auch nicht, dass Iapetus völlig aufgetaut ist, sondern nur so warm wurde, dass das Eis plastisch verformbar wurde. Die Abkühlung danach muss dann sehr schnell erfolgt sein, so dass die Ausgleichskräfte nicht genug Zeit hatten, den Mantel wieder zurückzuformen.
ja, eben deshalb habe ich diesen Vergleich auch angeführt. Auf Iapetus ist das Verhältnis der Effekte aber genau umgekehrt, wie auf der Erde und das macht mich eben so skeptisch, ob wir hier wirklich die Spuren eines solchen Vorganges sehen, wie Du ihn beschreibst.


Mahananda schrieb:
Möglicherweise entstand entlang des Wulstes ein Spaltenbruch, der zur Druckentlastung führte und dadurch die aufgewölbte Kruste in ihrer Form stabilisierte. Der Wulst besitzt ja eine "Krone" aufgesetzten Eises in Gestalt eines Gebirgszuges.
könnte es nicht auch sein daß, ohne dieses extrem unwahrscheinliche Szenarion mit Atmosphärenübertragung von Titan auf Iapetus dieser Wulst ein gewöhnliches Faltengebirge ist, entstanden durch Formänderung des Iapetus nachdem er allmählich seine Eigenrotation verloren hatte?

Ich sage das vorallem deshalb, weil mir diese vielen enorm unwahrscheinlichen Zufälle, die man für eine ganze Reihe von Beobachtungen verantwortlich macht, höchst suspekt sind. Dazu gehört auch das Szenario, wie Erde und Mond entstanden sein sollen. Ein unglaublich exakter Treffer, genau an der richtigen Stelle mit genau den richtigen Massen- und Geschwindigkeitsverhältnissen. Einfach grauenhaft. Bitte nicht falsch verstehen, ich sage nicht, daß es unmöglich ist, ich sage nur: Mir stehen die Haare zu Berge.

Herzliche Grüße

MAC
 

Bynaus

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Diesen Wikiartikel finde ich doch sehr dubios. Da wird zwar eine Regel geschaffen, aber alle allfälligen Ausnahmen werden schnell wegerklärt. Der wissenschaftstheoretische Wert einer solchen "Hypothese" geht gegen Null: welche Beobachtung würde den Autor denn davon überzeugen, dass seine Hypothese falsch ist?

Diese "regulären Strukturen" hängen, denke ich, von nichts anderem ab als von der ursprünglichen Materiedichte in der Akkretionsscheibe. Wäre der Nebel dichter gewesen, würden wir mehr Objekte ähnlicher Grösse bebachten, wäre er weniger dicht gewesen, wäre es umgekehrt. Eine gewisse Menge Materie, die sich zusammenklumpt, bildet nun mal weder einen einzigen grossen Klumpen, noch unzählige, gleich grosse kleine Klumpen: sondern man sieht so etwas wie eine Grössenverteilung: es gibt einige wenige Grosse, eine mittlere Anzahl Mittelgrosse, viele Kleine. Eine spezielle "Strukturtheorie" braucht es da meiner Meinung nach nicht.
 

Mahananda

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Hallo MAC, Hallo Bynaus,

der Wasserwulst der Erde entsteht durch deren Rotation. Die damit verbundene Abplattung der Gesamtgestalt der Erde betrifft den gesamten Erdkörper - von den Polen bis zum Äquator. Würde die Erde plötzlich einfrieren und zugleich die Rotation sich stark verlangsamen, bliebe die Gestalt des Rotationsellipsoids erhalten.

Ganz anders bei Iapetus: Hier ist lediglich der Äquatorbereich aufgewölbt, und auch nur im Bereich der Cassini-Region. Also kann die Ursache nicht in einer Rotation zu suchen sein, sondern es muss eine lokal begrenzte Hebung stattgefunden haben. Es ist ja nicht einfach nur ein Gebirgszug. Die gesamte Kruste hat sich in diesem Bereich verformt. Im NASA-Bildercache sind einige Aufnahmen zu sehen, die das sehr deutlich zeigen. Der Teil des Gebirgszugs, der dieser aufgewölbten Kruste aufgesetzt ist, erinnert nicht annähernd an ein Faltengebirge, eher schon an erstarrtes herausgequollenes Material von ursprünglich viskoser Konsistenz - etwa wie eine schlechte Klebstelle, wo zu viel Klebstoff eingesetzt wurde. Mir fällt keine geeignetere Ursache als das kurzzeitige Wirken von Gezeitenkräften ein, um Derartiges hervorzubringen.

Im Saturnsystem sehe ich keinen anderen Kandidaten als Titan, der dazu imstande wäre. Da die Tholine auf Iapetus mit denen auf Titan identisch zu sein scheinen, ließe sich die Frage, wie diese dort hingekommen sind, mit der Entstehung des Äquatorwulstes in einen Zusammenhang bringen - vorausgesetzt, so ein Szenario ist physikalisch möglich. Es wäre interessant, herauszufinden, bis auf welche Distanz die Annäherung erfolgt sein müsste, um die erforderlichen Gezeitenkräfte entstehen zu lassen. Dann ergibt sich die Frage, ob Iapetus bei der errechneten Distanz nicht zerrissen worden wäre. Weiterhin müsste untersucht werden, ob Teile der Titanatmosphäre abgezogen werden konnten - sei es als Wolke, durch die Iapetus später kreuzte oder als direkten Transfer auf die Iapetus-Oberfläche. Dazu sehe ich mich allerdings außerstande. Das müssten schon die Profis machen, die mit solchen Berechnungen vertraut sind.

Zur Suspektheit zufälliger Ereignisse: Was soll man dazu sagen? Einerseits muss man akzeptieren, dass so etwas vorkommt. Andererseits werden diese Szenarien entworfen, nachdem man auf gewohnten regulären Wegen zu keinem sinnvollen Ergebnis kommt. Die Kollisionshypothese der Erdmondentstehung weist weniger Widersprüche auf als alle Vorläufertheorien. Dass das Mondgestein identisch mit dem Material des Erdmantels ist, wurde auf mehrfachem Weg nachgewiesen, so dass man nicht umhinkam, den Mond als Relikt eines Impakts anzusehen.

Was meine Hypothese in Bezug auf Iapetus betrifft, so kann sie sich auch als falsch erweisen. Oder aber es wird eine Hypothese aufgestellt, die plausibler und zugleich mit weniger Zufällen auskommt. Was soll's? Auch Theorien unterliegen der Evolution. Die besseren setzen sich durch. Der Rest wird selektiert und findet - in wenigen Fällen - ein würdiges Begräbnis in der Literatur zur Wissenschaftsgeschichte.

Zum Wikipedia-Artikel: Ob aus den dort mitgeteilten Gedanken noch etwas wird, bleibt abzuwarten. Noch sind Exoplanetensysteme nicht hinreichend bekannt und erforscht, dass man einen Vergleich wagen könnte. Ich denke, dass die aufgezeigten Paare sich in einer recht auffälligen Regelmäßigkeit anordnen. Die Zuordnung von Iapetus als ehemaliger Paarkörper von Rhea erscheint mir plausibel. Wenn man annimmt, dass Titan erst später in das Saturnsystem gelangte, ließe sich diese Ausnahme erklären. Die aufgezeigten Übereinstimmungen in Masse und Radius der jeweiligen Paarkörper haben mich zumindest hellhörig gemacht, so dass ich glaube, dass da etwas dran ist. Es ist ja auch auffallend, dass es immer vier Körper sind, und dass diese sich in zwei Paare aufteilen. Interessant ist weiterhin, dass die Massensummen z.T. bis auf Bruchteile eines Prozents übereinstimmen. Ich weiß nicht, ob man das als Zufall abtun kann, mir erscheint dies jedoch sehr unwahrscheinlich. Diese Regelmäßigkeiten sind mir einfach zu regelmäßig, als dass sich da nicht ein bisher nicht entdeckter Entstehungsmechanismus verbirgt. Ich denke, hier muss man einfach abwarten, bis etwas wissenschaftlich Verwertbares gefunden wird. Mich hat dieser Artikel jedenfalls fasziniert, auch wenn sich daraus später nichts entwickeln sollte.

Viele Grüße!
 

mac

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Hallo Mahananda
der Wasserwulst der Erde entsteht durch deren Rotation. Die damit verbundene Abplattung der Gesamtgestalt der Erde betrifft den gesamten Erdkörper - von den Polen bis zum Äquator. Würde die Erde plötzlich einfrieren und zugleich die Rotation sich stark verlangsamen, bliebe die Gestalt des Rotationsellipsoids erhalten.
nein, die Erde würde diese Abplattung verlieren und einer Kugel ähnlicher werden.


Mahananda schrieb:
Ganz anders bei Iapetus: Hier ist lediglich der Äquatorbereich aufgewölbt, und auch nur im Bereich der Cassini-Region. Also kann die Ursache nicht in einer Rotation zu suchen sein, sondern es muss eine lokal begrenzte Hebung stattgefunden haben. Es ist ja nicht einfach nur ein Gebirgszug. Die gesamte Kruste hat sich in diesem Bereich verformt. Im NASA-Bildercache sind einige Aufnahmen zu sehen, die das sehr deutlich zeigen. Der Teil des Gebirgszugs, der dieser aufgewölbten Kruste aufgesetzt ist, erinnert nicht annähernd an ein Faltengebirge, eher schon an erstarrtes herausgequollenes Material von ursprünglich viskoser Konsistenz - etwa wie eine schlechte Klebstelle, wo zu viel Klebstoff eingesetzt wurde. Mir fällt keine geeignetere Ursache als das kurzzeitige Wirken von Gezeitenkräften ein, um Derartiges hervorzubringen.
also hier sollte ich mir vielleicht mal alle Bilder ansehen, die Du meinst, wahrscheinlich kenne ich die gar nicht und ich rede von was ganz Anderem als Du meinst. Könntest Du mir freundlicherweise den Link dazu mitteilen?


Mahananda schrieb:
Es wäre interessant, herauszufinden, bis auf welche Distanz die Annäherung erfolgt sein müsste, um die erforderlichen Gezeitenkräfte entstehen zu lassen. Dann ergibt sich die Frage, ob Iapetus bei der errechneten Distanz nicht zerrissen worden wäre. Weiterhin müsste untersucht werden, ob Teile der Titanatmosphäre abgezogen werden konnten - sei es als Wolke, durch die Iapetus später kreuzte oder als direkten Transfer auf die Iapetus-Oberfläche. Dazu sehe ich mich allerdings außerstande. Das müssten schon die Profis machen, die mit solchen Berechnungen vertraut sind.
eigentlich etwas, was ich mit Vergnügen täte, leider habe ich die nächsten Tage immer nur kleine Stückchen Zeit. Mach Dich nicht Bange vor solchen Berechnungen. Zumindest in erster Näherung sind sie nicht so sehr schwierig. Du mußt zunächst die Rahmenbedingungen eingrenzen. Wie schnell kann Iapetus vor diesem Swing by maximal gewesen sein? Das schränkt die kürzeste Distanz zu Titan ein, ist er für den Abstand zu langsam, wird er eingefangen oder stürzt auf Titan. Dann der Mindestabstand: Sein Gravitationsfeld muß für die Gashülle Titans vergleichbar stark sein wie das Gravitationsfel Titans. Tatsächlich kann der Abstand sogar etwas größer sein, weil sich unter diesen Umständen die Atmosphäre entspannt und Iapetus näher kommt. Versuchs einfach mal mit dieser Mindestentfernung von der festen Oberfläche Titans und dann noch mal 2 bis drei Verdoppelungen, wenn die Passage dann immer noch viel zu langsam ist, müßte man genauer rechnen und schauen wieviel schneller Iapetus durch die Annäherung an Titan wird. Das kannst Du als Näherung so berechnen: Wenn er z.B. bei einem Abstand 50 mal so groß wie die nötige Annäherung für den Gastransfer deutlich langsamer als die Fluchtgeschwindigkeit von Titan ist, dann kann es so nicht gewesen sein. Wenn bei diesen Näherungsrechnungen heraus kommt, es könnte vielleicht doch sein, dann kann man anfangen es zu simulieren.

Mahananda schrieb:
Zur Suspektheit zufälliger Ereignisse: Was soll man dazu sagen? Einerseits muss man akzeptieren, dass so etwas vorkommt. Andererseits werden diese Szenarien entworfen, nachdem man auf gewohnten regulären Wegen zu keinem sinnvollen Ergebnis kommt. Die Kollisionshypothese der Erdmondentstehung weist weniger Widersprüche auf als alle Vorläufertheorien. Dass das Mondgestein identisch mit dem Material des Erdmantels ist, wurde auf mehrfachem Weg nachgewiesen, so dass man nicht umhinkam, den Mond als Relikt eines Impakts anzusehen.
fachlich kompetent, kann ich Dir hier natürlich nicht widersprechen. Ich will es aber mal auf einem anderen Weg versuchen: Willi kann sich vielleicht noch daran erinnern.

Ich meine in den 60 Jahren, als man gerade anfing mit den Simulationsrechnungen zur Sonnensystem-Entstehung, stellte man fest: Es kann einfach nicht funktionieren, ein Planetensystem kann sich zumindest nicht im nötigen Zeitrahmen gebildet haben. Also kam man zu dem Schluß ein Sonnensystem wie unseres kann es eigentlich nicht geben.

Ja, aber nun war es halt doch da! Große Ratlosigkeit! Bis einer auf die Idee kam: Es hätte vielleicht durch eine nahe Begegnung mit einer anderen Sonne entstehen können. Diese Sonne reißt eine zigarrenförmige Gaswolke aus unserer Sonne heraus und siehe da, wie günstig, diese Zigarrenform erklärt gleich die Größenverteilung der Planeten in unserem Sonnensystem.

Zu der Zeit war ich glühender Perry Rhodan Fan, verehrte Hans Dominik, Jules Verne und noch einige andere bekannte Autoren. Ihr könnt Euch sicher vorstellen, wie schmerzhaft ich aus meinen Träumen von dieser grausamen Realität geweckt wurde. Ich dachte damals mit tiefster Inbrunst und völlig unwissenschaftlich: "wat' n quatsch!"

Zugegeben, viel was besseres kann ich zur Zeit auch nicht bieten. Aber ich habe immer noch meinen mächtigen Verbündeten von Damals. :D

Herzliche Grüße

MAC
 

Mahananda

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Hallo MAC,

schau mal hier:

photojournal.jpl.nasa.gov/catalog/PIA06166

Rechts von der Mitte läuft der Äquatorwulst in Gestalt einer Bergkette aus. Kurz danach befindet sich ein großer Impaktkrater. Das umgebende Terrain dieses Teils der Bergkette erscheint nicht hochgewölbt, sondern eben (abgesehen von den Kratern natürlich). Am linken Bildrand sieht die unmittelbare Umgebung schon etwas anders aus. Hier verjüngt sich die Kruste zum Äquator hin. Ich dachte erst, es wäre ein perspektivischer Effekt, weil gewissermaßen auf die Kante des gebirgszugs geblickt wird. Als ich dann im Heft 8/2005 der Zeitschrift "Sterne und Weltraum" auf Seite 23 detailliertere Aufnahmen sah, erkannte ich, dass es tatsächlich eine Krustendeformation war. Vielleicht besitzt du ja dieses Heft und kannst noch einmal nachsehen. Aber auch auf der NASA-Seite kann man schon einiges erkennen. Wenn du schon einmal dort bist, dann schau dir mal die anderen Iapetus-Bilder an, die aus größerer Entfernung aufgenommen worden sind (z.B. PIA08234). Da ist die Streuellipse schön zu sehen. Der Äquatorwulst ist in den hellen Regionen nicht auszumachen. Entweder ist er nicht da, oder der Kontrast ist zu gering. Aufschlussreich dazu auch die kartographische Darstellung (PIA07778).

Was die Berechnungen betrifft: Ich weiß nicht, ob und wie ich das schaffe. Mir fehlt da einfach die Erfahrung und natürlich die Zeit. Meine Schulzeit liegt schon etwas zurück, so dass ich mich in diesen Formelkram erst mühsam wieder hineindenken müsste. Na ja, vielleicht habe ich irgendwann mal genug Muße. Ich hätte allerdings nichts dagegen, anderen den Vortritt zu lassen.

Viele Grüße!
 

mac

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Hallo Mahananda,

ich hab' mir die ganzen NASA Aufnahmen angeschaut. (die SuW hab' ich wahrscheinlich nicht) bezogen auf meine Spekulation daß der Wulst durch Auffaltung entstanden sein könnte, finde ich bei den Iapetus-Aufnahmen nichts was dagegen spricht, allerdings bei den zahlreichen anderen Monden auch nichts, was dafür spricht.

Bei der dunklen Oberflächenregion fällt mir auch nichts gescheites ein. Sieht aus, als wäre Iapetus durch eine Scheibe aus Dreck hindurchgefallen, also durch die Ebene der Scheibe und hätte sie auch noch ganz genau getroffen und noch nicht so lange her. Alles was mir dazu einfällt, glaube ich selbst nicht.

Ich weis, nicht sehr ergiebig, aber noch abenteuerlichere Spekulationen als sie schon existieren und ich auch nicht glauben kann, will ich nicht von mir geben.

Herzliche Grüße

MAC
 

mac

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Hallo Mahananda,

ich hab' das jetzt mal soweit durchgerechnet, ob eine solche Begegnung überhaupt ohne Absturz möglich wäre. Ja! Womit ich aber bitteschön nicht sage, daß ich daran glaube!

Kurz die Daten: Umlaufgeschwindigkeit für Titan 100 km höher als sein Radius 1,8 km/s, Differenz zwischen Fluchtgeschwindigkeit und Umlaufgeschwindigkeit im Abstand Titans von Saturn 2,3 km/s, also egal aus welcher Richtung, Iapetus hätte schneller sein können, als unbedingt nötig. Mehr sagt diese Rechnung nicht aus!

Herzliche Grüße

MAC

PS: Naja, eigentlich sagt das auch nicht mehr, als man ganz ohne Rechnung auch schon sagen könnte.
 
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Mahananda

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Hallo MAC,

na immerhin ist nach dem ersten Überschlagen die Möglichkeit gegeben, dass sich so ein Vorgang ereignet haben könnte. Das ist zwar noch nicht viel, aber immerhin ein Anfang, auf dem sich aufbauen lässt. Zugegeben, die ganze Sache klingt ziemlich abenteuerlich, aber wenn alles passt - warum nicht? Falls das Szenario so abgelaufen ist, müsste man prüfen, woher Titan gekommen ist, und was ihn veranlasst hat, bis in Saturnnähe zu migrieren. Dann wird es aber noch spekulativer ...

Hab erst mal vielen Dank für deine Bemühungen. Vielleicht besteht irgendwann die Möglichkeit, die notwendigen Bedingungen noch genauer zu ermitteln. Wenn man davon ausgeht (ist nur eine Vermutung), dass Iapetus ursprünglich dichter an Rhea dran war als jetzt Titan - z.B. in 1:2-Resonanz, dann wäre die Fluchtgeschwindigkeit noch größer gewesen, und damit die Bandbreite möglicher naher Begegnungen bis hin zu einer direkten Querung der obersten Atmosphärenschichten.

Also nochmals vielen Dank und herzliche Grüße!
 

Mahananda

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So, ich habe nun doch einmal meinen Taschenrechner bemüht und bin auf folgende Werte gekommen:

Umlaufgeschwindigkeit in 100 km Höhe über Titanoberfläche: 1,83 km/s;

Umlaufgeschwindigkeit in 50 km Höhe über Titanoberfläche: 1,85 km/s;

Umlaufgeschwindigkeit unmittelbar an der Titanoberfläche: 1,867 km/s;

Umlaufgeschwindigkeit im heutigen Titanorbit: 5,44 km/s;

Fluchtgeschwindigkeit im heutigen Titanorbit: 7,69 km/s;

Differenz zwischen den letzten beiden Werten: 2,25 km/s.

Das bedeutet, dass Iapetus sogar die Oberfläche Titans hätte kratzen können, ohne dass er aufgeschlagen wäre. Dann allerdings wäre er ein Satellit Titans geworden, denn die Fluchtgeschwindigkeit an der Titanoberfläche beträgt 2,64 km/s. Die maximale Annäherung an Titan, bei der die Fluchtgeschwindigkeit gerade 2,25 km/s beträgt, liegt bei 970 km über der Oberfläche Titans - immerhin auch noch ganz schön nah.

Somit bleiben noch zwei Fragen offen:

1. Wie groß sind die Gezeitenkräfte für Iapetus? - Reicht das für eine Aufwölbung bzw. übersteigt das die Grenze zur Zerstörung?

2. Hätte Titan bei dieser Annäherung einen Teil seiner Atmosphäre verlieren können - evtl. auch als Wolke, die zunächst isoliert durch den Raum schwebte, bevor sie zu einem späteren Zeitpunkt auf Iapetus abregnete?

Das Massenverhältnis zwischen Titan und Iapetus beträgt etwa 68 : 1. Berücksichtigt werden muss auch die Festigkeit des Eises von Iapetus bei etwa 80 Kelvin Oberflächentemperatur.

Kann mir jemand dabei helfen, die passenden Formeln zu finden, um weiterzukommen?

Viele Grüße!
 

mac

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Hallo Mahananda,

in der Rechnung ist, wie bei mir, noch nicht berücksichtigt, daß Iapetus von Titan bei seiner Annäherung beschleunigt worden wäre.

Herzliche Grüße

MAC
 

Mahananda

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Hallo MAC,

stimmt, dann wäre vielleicht sogar der Extremfall einer 1cm-Passage möglich gewesen. Die Gezeitenkräfte werde ich zunächst für eine Distanz von 1000 km mit Newtons Gravitationsgesetz berechnen. Mich interessiert nun, wie groß die "Belastbarkeit" des Iapetus-Körpers ist, damit ich abschätzen kann, ob so eine Passage hätte überstanden werden können. Kennst du da passende Formeln bzw. Werte, die mir weiterhelfen? Weiterhin: Wie lässt sich die effektive Beschleunigung bei einer Passage berechnen? Stichworte: Anfangsgeschwindigkeit; Minimaldistanz; Endgeschwindigkeit

Viele Grüße!

P.S.: Du hattest recht, so schlimm sind die Anfangsberechnungen gar nicht. Es fällt mir nur schwer, die passenden Formeln zu finden. Aber hier finde ich ja kompetente Unterstützung.
 

mac

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Hallo Mahananda

Mich interessiert nun, wie groß die "Belastbarkeit" des Iapetus-Körpers ist, damit ich abschätzen kann, ob so eine Passage hätte überstanden werden können. Kennst du da passende Formeln bzw. Werte, die mir weiterhelfen? Weiterhin: Wie lässt sich die effektive Beschleunigung bei einer Passage berechnen? Stichworte: Anfangsgeschwindigkeit; Minimaldistanz; Endgeschwindigkeit
zur ersten Frage: Nein!

Als erste Näherung würde ich davon ausgehen daß (in diesem Fall) Iapetus auseinander gerissen wird, sobald die Gravitation Titans an der Oberfläche von Iapetus stärker ist, als die Gravitation von Iapetus selbst. Diese Situation wird verschärft durch die Fliehkraft der Rotation von Iapetus.

Zur zweiten Frage: Iterativ. Das heißt Du fängst mit irgendwelchen Anfangsbedingungen an, die Du für vernünftig hältst und berechnest für diese Bedingungen (statisch: Masse, dynamisch: Koordinaten Deiner Startbedingungen, Geschwindigkeitskomponenten in x, y und nicht unbedingt nötig auch z) Mit der Beschleunigung die Iapetus durch Titan erfährt, rechnest Du die Geschwindigkeitsänderung (für einen ausreichend kurzen Zeitschritt), rechnest den zurückgelegten Weg mit alter Geschwindigkeit + neuer Geschwindigkeit, bekommst dadurch neue Positionskoordinaten und fängst von Vorn an. In EXCEL z.B. ganz wenig Arbeit. Noch einfacher mit einem kleinen Programm in C oder Basic.

Als Test kannst Du z.B. mit Erde und Sonne arbeiten. Nur mußt Du bei einer nahen Passage die Zeitschritte relativ kurz wählen, weil sich hier innerhalb kurzer Zeit die Bedingungen stark ändern.

Herzliche Grüße

MAC
 

Mahananda

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Hallo MAC,

natürlich - auch Titan hat eine Roche-Grenze. Ich habe mal nachgerechnet und bin auf einen Wert von 1203,5 km über der Titanoberfläche gekommen. Allerdings gilt dies für flüssige Körper. Bei festen Körpern sind größere Annäherungen möglich. Andererseits könnte die Eigenrotation den Roche-Wert wieder steigen lassen.

zur Iteration auf EXCEL: Ehrlich gesagt, da habe ich keine Ahnung, wie man das macht. Aber eine Formel muss man doch da auch eingeben, um verwertbare Resultate zu erlangen, oder liege ich da falsch?

Viele Grüße!
 

Mahananda

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Hallo MAC,

danke für den Link! Der von mir vorhin genannte Roche-Wert galt übrigens für starre Körper. Für flüssige Körper beträgt er 4691,65 km. Der für Iapetus gültige dürfte irgendwo dazwischen liegen.

Viele Grüße!
 

Mahananda

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Hallo,

ein kleiner Nachtrag zum Thema. Offenbar ist das Einfangszenario von Titan durch Saturn bereits Gegenstand professioneller Forschung. Siehe dazu hier:

www.lpi.usra.edu/meetings/lpsc2007/pdf/2402.pdf

arxiv.org/ftp/astro-ph/papers/0602/0602512.pdf

Ich will damit nicht behaupten, dass das von mir beschriebene Einfangszenario hiermit eine Bestätigung gefunden hätte. Immerhin könnte man die Hypothese einmal genauer prüfen, ob Iapetus in der oben ausführlich diskutierten Art und Weise hätte beeinflusst werden können.

Viele Grüße!
 
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