Aktuelle politische Trends und deren Wertung

Mahananda

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Hallo liebe Mitforistinnen und Mitforisten,

die letzte Diskussion hat gezeigt, dass es bezüglich aktueller politischer Trends offenbar verschiedene Wertungen gibt, die zu Kontroversen Anlass geben. Ein Anregung von Kibo aufgreifend, wäre es nützlich für alle Beteiligten, nicht zu vergessen, dass wir hier in einem Boot sitzen und uns daher gegenseitig mit Respekt begegnen, auch wenn wir die jeweils entgegengesetzte Position nicht teilen und nicht bereit sind, diese zu übernehmen.

Momentan gibt der Aufstieg der AfD und anderer ähnlich argumentierender Parteien in Europa Anlass für Debatten und Diskussionen, was davon zu halten ist, welche Chancen sich die einen davon erhoffen und welche Gefahren die anderen dabei sehen. Oftmals verquicken sich sowohl Hoffnungen wie auch Befürchtungen in ein und derselben Person, wenn zum einen der Aufstieg der AfD auf legitimen Forderungen beruhend erscheint und zum anderen hierbei noch andere Diskurse in die Öffentlichkeit gebracht werden, die diesen legitimen Forderungen gegenüber kontraproduktiv sind.

In diesem Thread soll daher die Gelegenheit gegeben werden, sich über diese und andere aktuelle politische Trends auszutauschen und eigene Wertungen zu diskutieren.

Zu einem offenen und fairen Meinungsaustausch, der ohne Diffamierungen von Gesprächspartnern auskommt, sind alle herzlich eingeladen.
 

ralfkannenberg

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Hallo zusammen,

aus hoffentlich verständlichen Gründen trete ich für diesen Thread in den Ausstand.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

Herr Senf

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Was soll hier eine Nickname-Talkshow, wer sich engagieren möchte, hat zu Hause einen ganzen Wahlbezirk zum Bessermachen.
Mit dem astronews.com Forum wird den Lesern von astronews.com die Möglichkeit gegeben, über Beiträge bei astronews.com zu diskutieren. Darüber
hinaus können im astronews.com Forum auch andere wissenschaftliche Themen diskutiert werden, sofern sie thematisch zu astronews.com passen.

Wenn's sein muß, ich habe vererbten Linksdrall, sofern die 10 Gebote eingehalten werden und die Französische Revolution gilt.
Als "Auslandsphysiker" bin ich in Weltoffenheit "studiert" - Liebe Grüße Dip
 

TomS

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Ich habe in einem alten Thread dazu alles wesentliche gesagt, jedoch keine Antwort darauf erhalten:

Bleiben wir daher beim eigentlichen Kern, der Entwertung einer anonymen Gruppe als Ganzem und dem "Entmenschlichen" der Individuen, das der physischen Gewalt vorausgeht bzw. diese insofern legitimiert, als dass sie sich sich nicht mehr gegen gleichwertige Menschen richtet.

Diese Denkmuster und die "Entmenschlichung" haben es den Tätern im Nationalsozialismus u.a. totalitären Regimen ermöglicht, Menschen zu vernichten, ohne dass sie den jeweils einzelnen Menschen vor sich gesehen hätten, sondern lediglich eine anonyme Masse, und damit eine Aufgabe, die erledigt werden muss und kann.

Genau diese Sprach- und Denkmuster existieren ganz offenbar - zumindest in Ansätzen - auch wenn die sie Benutzenden nicht erkennen können oder wollen, welche Sprach- und Denkmuster sie da benutzen; und diese Muster sind auch nicht jetzt plötzlich wiederentdeckt worden, sie existierten und existieren vielmehr unterschwellig weiter. Jeder, der sie heute benutzt, ist ein Kind seiner Zeit und ein in unserer Gesellschaft lebender Mensch, so dass sich unsere Zeit und unsere Gesellschaft damit auseinandersetzen muss, wie und warum diese Muster existieren und wieder aktiviert werden.

Dass man Gewalttaten und Aufruf zu Gewalt verurteilt, ist klar; und dass man die Umsetzung oder Änderung bestehender Gesetzen innerhalb eines rechtsstaatlichen Rahmens diskutieren kann ebenfalls; nicht klar scheint zu sein, welcher Sprache man sich bedient. Da Denken und Sprache der Tat vorausgeht, sollte m.E. auf dieser Ebene diskutiert werden.

Und ich möchte explizit betonen, dass das Problem der Sprache auch aber keineswegs nur mit der AfD oder insgs. rechts orientierten Gruppierungen zu tun hat.
 
Zuletzt bearbeitet:

Kibo

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Hallo Tom,

kannst du das auf ein Beispiel konkretisieren? Ich habe in den beiden anderen politischen Threads nur sporadisch reingeschaut, nach dem Abschluss war das wohl auch ganz gut so.

Ich bin selber auch betroffen, da sich der Graben leider durch meine Familie zieht. Es gibt da auf der einen Seite große Ressentiments gegenüber Flüchtlingen, der Bunderkanzlerin und so weiter. Da ist die Wortwahl auch oft nicht passend aufgrund der emotionsgeladenen Situation. Ich habe da die Erfahrung gemacht, dass über die richtige Wortwahl zu diskutieren zu keinem Ergebnis führt. Nur über harte Fakten kann man mit viel Mühe einen Konsens erreichen.
 

TomS

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Hallo Tom,

kannst du das auf ein Beispiel konkretisieren? Ich habe in den beiden anderen politischen Threads nur sporadisch reingeschaut, nach dem Abschluss war das wohl auch ganz gut so.
Du findest den Text hier:

https://www.astronews.com/forum/showthread.php?9929-Diskussionskultur&p=129419#post129419
https://www.astronews.com/forum/showthread.php?9929-Diskussionskultur&p=129403#post129403


Ich bin selber auch betroffen, da sich der Graben leider durch meine Familie zieht. Es gibt da auf der einen Seite große Ressentiments gegenüber Flüchtlingen, der Bunderkanzlerin und so weiter. Da ist die Wortwahl auch oft nicht passend aufgrund der emotionsgeladenen Situation. Ich habe da die Erfahrung gemacht, dass über die richtige Wortwahl zu diskutieren zu keinem Ergebnis führt. Nur über harte Fakten kann man mit viel Mühe einen Konsens erreichen.
Das ist ja schon mal ein Anfang - aber für die Ursachenforschung eben nicht ausreichend. Was jedoch nicht bedeutet, dass diese Ursachenforschung in einer konkreten Konfliktsituation in einer kleinen Gruppe hilfreich oder sinnvoll wäre. Der Konflikt ist da und kann ggf. ausgeräumt werden, ohne dass deswegen die Ursache oder Auslöser verschwindet. Möglicherweise ist sogar das Beiseitelassen der Ursachenforschung im Einzelfall die bessere Methode.

Ich möchte nicht alle Details nochmal wiederholen; die essentielle Frage für mich ist, was es für eine Gesellschaft bedeutet und wie sie damit umgeht, dass dieses Denken und diese Sprache salonfähig werden - und zwar nicht als emotionale Entgleisung sondern als Methode, die Zustimmung und Verteidigung erfährt. Diese Fragestellung richtig sich an die Gesellschaft, zumindest an diejenigen, die besorgt sind über das Abgleiten von Denken und Sprache.
 

galileo2609

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Da Denken und Sprache der Tat vorausgeht, sollte m.E. auf dieser Ebene diskutiert werden.
Als Anregung zwei (ältere) Links zur Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS):
- »Völkisch« ist rassistisch - AFD-Vorsitzende will Begriff rehabilitieren
- »Volksverräter« und »Lügenpresse«: Die Pegida und ihre Wörter
Und ich möchte explizit betonen, dass das Problem der Sprache auch aber keineswegs nur mit der AfD oder insgs. rechts orientierten Gruppierungen zu tun hat.
Das Problem der Sprache ist in der Regel subversiv. Es kann nahezu jede und jeden ereilen. Qua Sozialisation. Qua Einbettung in eine Kohorte oder eine peer group. Wir beobachten aber derzeit in den deutschsprachigen Ländern, europaweit, global, insbesondere von politisch rechts eine Brandbeschleunigung via Sprache, die sich gezielt historischer Vorbilder bedient. Die unter gängiger Bemühung politischer Hygiene vielgepriesene Mitte unserer Gesellschaften zeigt sich gegen diese Einflussnahme via Sprache wesentlich weniger resistent als erwartet. Das hat seine Gründe, die u. a. Sozialwissenschaftler*innen offen legen.
Im klassischen politischen Spektrum ist bei politisch links eher Desintegration zu beobachten: oder nichts! Der Graubereich dazwischen ist interessant. Insbesondere dann, wenn es zu (begrifflichen) Querfronten zwischen extrem rechts und diffus links kommt.

Grüsse galileo2609
 
Zuletzt bearbeitet:

TomS

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Die ... vielgepriesene Mitte unserer Gesellschaften zeigt sich gegen diese Einflussnahme via Sprache wesentlich weniger resistent als erwartet. Das hat seine Gründe, die u. a. Sozialwissenschaftler*innen offen legen.
Diese Gründe - nicht nur die Tatsache - würden mich interessieren. Mit seriösen Quellen und Gegenpositionen.
 

TomS

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Ohne dass ich das vorher gelesen hätte, kam ich auf die selben Schlussfolgerungen bis hin zur Wortwahl der „Entmenschlichung“

Je bedeutender man die eigenen Gruppen und ihre Interessen findet, desto größer werden Abneigung und Abgrenzung anderen gegenüber. Die extremen Formen bezeichnen Sozialwissenschaftler als "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit", im schlimmsten Fall kann es zu einer "Dehumanisierung" (Entmenschlichung) der Mitglieder anderer Gruppen kommen. Verhaltensbiologen sprechen von "kultureller Pseudospeziation" (die Aufspaltung der Art in "Scheinarten"). Selbst das Gebot "Du sollst nicht töten" gilt im Zwischengruppenkonflikt umso weniger, je weniger die "anderen" als gleichwertige Menschen betrachten werden. (Es kommt nicht von ungefähr, dass Kriegspropaganda darauf setzt, Gegner zu entmenschlichen.)

Zur Frage des Umgangs mit dem Problem klingt das recht überzeugend, jedoch auch nicht einfachen umsetzbar. Wie soll insbs. die Sprache so koordiniert werden?
 

galileo2609

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Hallo Tom,

deine Frage erschliesst sich mir nicht unmittelbar. Sprache in dieser Funktion „koordiniert“ sich insbesondere durch Wiederholung und ein gutes branding.

Grüsse galileo2609
 

TomS

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deine Frage erschliesst sich mir nicht unmittelbar. Sprache in dieser Funktion „koordiniert“ sich insbesondere durch Wiederholung und ein gutes branding.
Es geht um das Gegensteuern.

Offensichtlich ist es in diesem Zusammenhang einfacher und effizienter, negativ zu kommunizieren; und die Botschaft kommt eher an.

Wie möchtest du sprachlich gegensteuern?
 

galileo2609

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Hallo Tom,
Wie möchtest du sprachlich gegensteuern?
im Prinzip erst einmal ganz normal.

Man geht in einen Dialog. Argumente werden identifiziert, intersubjektiv wird Transparenz über Begriffe hergestellt. Begriffe werden analysiert, in diesem konkreten Zusammenhang insbesondere semantisch und historisch. Wenn nötig in einen sozialphilosophischen und ökonomischen Zusammenhang transferiert. Die Senderkompetenz wird analysiert und bewertet.

Nach dieser vorgängigen Abklärung richtet man den Dialog iterativ aus. Ist Basisaufklärung möglich? Ist pädogogisches Nachhalten erfolgversprechend? Kann man stabilisierende, aber selbstigmatisierende Resonanzräume ins Ungleichgewicht bringen?

Alles in allem also eine Frage des Gegenübers: nur angefixt, bereits überzeugt, schon selbst agitierend?
Je nach Diskursfähigkeit sollte man den Preis für abweichendes Verhalten in die Höhe treiben.

Reicht dir das als diskussionsfähige Impulse?

Grüsse galileo2609
 

galileo2609

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Und wie wird die "Diskursfähigkeit" gemessen?
Wie im normalen Leben.

Kann man sich über Begriffe einigen?
Kann man sich darauf einigen, Argumente anzuerkennen?
Kann man sich darauf einigen, Argumente auf evidenzbasierte Fakten zurückzuführen?
Ist es möglich, darüber verlässliche Kommunikation herzustellen?
Ist es nötig, die zugrundeliegende Metakommunikation zu problematisieren?
...

Grüsse galileo2609
 

TomS

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Alles gute Punkte zur Prävention / Immunisierung, jedoch m.E. fast nutzlos zur Therapie.

Konkret: wie erreichst die in einem Dialog jemanden, der diesen Dialog bereits aktiv vermeidet?
 

galileo2609

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Hallo Tom,
Konkret: wie erreichst die in einem Dialog jemanden, der diesen Dialog bereits aktiv vermeidet?
das ist ein Widerspruch in sich. Jemand, der einen Dialog „aktiv vermeidet“, mit dem ist man zunächst nicht in einem Dialog. Jedoch in einer kommunikativen Situation, in der man dennoch aufklären, erklären, einhegen kann. Ist diese Situation öffentlich, können die damit verbundenen Monologe zu Dialogen mit bis dahin Unbeteiligten führen.

Alles weitere hängt dann davon ab, ob über diese aktive Vermeidung des Dialogs in einer Metakommunikation gemeinsam gesprochen werden kann. Diese enthält dann wieder alle Elemente der von mir oben genannten iterativen Abklärung.

Grüsse galileo2609
 
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