Irreführende Begriffe in der Relativitätstheorie

Ich

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Der Bitte von Frank Specht folgend eröffne ich diesen Thread zur Terminologie in der SRT.
https://www.astronews.com/forum/sho...t-los-mit-RelativKritisch&p=128289#post128289

Relevante Links sind wohl:
https://www.astronews.com/forum/sho...t-los-mit-RelativKritisch&p=128289#post128289
http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?p=65318#post65318
http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?p=65367#post65367
http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?p=88436#post88436

Was mir an irreführenden Begriffen einfällt:
- relativistische Masse (die wurde schon ott besprochen und kritisiert)
- Längenkontraktion bzw. Länge an sich
- Zeitdilatation

Ich habe nächste Woche wohl wenig Zeit, aber vielleicht komme ich doch dazu.

So als Einsiteg: Meiner Meinung nach sollte die "Länge" immer die Ruhelänge eines Körpers bedeuten, so wie man mittlerweile mit "Masse" immer die Ruhemasse meint. Und zwar aus genau denselben Gründen.
Analog könnte man zur "kontrahierten" Länge "relativistische Länge" oder so sagen.
 

TomS

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Guter Thread!

M.E. sollte man sich in der RT möglichst auf messbare und invariante Größen konzentrieren.
 

FrankSpecht

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Moin Ich,
vielen Dank für die Erstellung des neuen Themas!

Wenn ich das richtig verstehe, habt ihr etwas gegen die Wortwahl dieser historisch gewachsenen Begriffe und würdet lieber auf modernere Formulierungen umschwenken?

Interessanterweise gibt es zu einem weiteren Begriff aus diesem Bereich einen Artikel im Blog „Hier wohnen Drachen“: Hat die Lichtgeschwindigkeit den falschen Namen?

Dass wir von der Grenzgeschwindigkeit als “Lichtgeschwindigkeit” reden, ist in vieler Hinsicht historischer Zufall, man hätte das Phänomen, dass es in einem Universum eine maximal mögliche Geschwindigkeit gibt (die auch für alle Beobachterinnen dieselbe ist) auch anders entdecken können.
 
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Ich

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Zum Begriff "Länge":

Die RT ist eine geometrische Theorie der Raumzeit. Das heißt, Raum und Zeit werden immer zusammen betrachtet, und alle Dinge werden durch geometrische Objekte in dieser vierdimensionalen Raumzeit abstrahiert.
Ein (Maß-)Stab zum Beispiel wird im dreidimensionalen Raum als eine eindimensionale Strecke abstrahiert, wenn einen seine Querausdehnung nicht interessiert. Von jedem Punkt im Raum kann man sagen, ob er zum Stab gehört oder nicht. Der Stab ist die Menge aller Punkte, die zum Stab gehören.
In der Raumzeit heißen die Punkte Ereignisse, und der Stab ist die Menge aller Ereignisse, die zum Stab gehören. Der Stab existiert eine Zeit lang, und zu jedem Raumpunkt gehört dann noch eine Zeitkoordinate, um ein Ereignis zu definieren. Der Stab wird also in der SRT als ein zweidimensionaler Streifen abstrahiert.
Die "Länge des Stabes" ist dabei die Breite dieses Streifens. Wie man die misst, ist intuitiv klar: Das ist die Länge einer Strecke, die quer durch den Streifen geht, also senkrecht auf den Rändern steht. (Siehe dieses Beispiel)
Das ist auch genau das, was man im herkömmlichen Sprachgebrauch die "Länge des Stabes" nennt. Es ist eine Eigenschaft des Stabes allein und nicht von anderen Dingen abhängig. Es ist egal, ob man Montags oder Dienstags misst, ob man den Stab senkrecht oder waagerecht hält und so weiter.

Aus historischen Gründen ist das dummerweise nicht die Sprachregelung, die in der RT gilt. Hier nennt man quasi die Länge einer in beliebigem Winkel durch den Streifen gehenden Strecke die "Breite des Streifens" - beziehungsweise den Abstand zweier in einem beliebigen Bezugssystem gleichzeitigen Ereignisse auf den Enden des Stabs seine "Länge". Das ist nunmehr nicht einfach eine Eigenschaft des Stabes allein, sondern hängt auch noch vom Winkel (dem "Bezugssystem") ab. Damit hat es auch nur mehr wenig mit dem herkömmlichen Sprachgebrauch zu tun, was zu Verwirrung führt. Statt sinnvollerweise die Länge als die senkrechte Messung zu definieren, nennt man diese "Ruhelänge", und diese schrägen Messungen, für die man sich eigentlich ein anderes Wort ausdenken müsste, nennt man "Länge".

Auf die Spitze getrieben wird das dadurch, dass man auch noch von "Längenkontraktion" spricht. Das verdinglicht diese Absurdität noch: Man misst nicht einfach je nach Bezugssystem eine unterschiedliche Länge, was schon schlimm genug wäre. Nein, man sagt auch noch klar und deutlich: Die Länge hat sich kontrahiert, also zusammengezogen. Der Stab hat sich also zweifelsfrei geändert. Man stelle sich das mal bei einem ganz normalen Streifen vor, dessen Breite man messen soll: Man würde sagen, der Streifen habe eine "senkrechte Breite" von 1 cm - und sobald der Streifen bei der Messung schräg steht, unterliegt er einer "Breitenexpansion", weil er dadurch breiter wird. Das wäre total hirnverbrannt. Das würde bedeuten, dass sich eine Eigenschaft des Streifens selbst ändert, wenn man ihn schräg hält, er würde je nachdem breiter oder weniger breit werden.
Aber genau so ist die Sprachregelung in der SRT. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es jemanden gibt, der beim Erlernen der RT nicht mit diesem blödsinnigen Konzept gerungen hätte: Ändert sich die Länge des Stabes nun "wirklich" oder nur "scheinbar"? Eigentlich tut sich ja nichts am Stab, wenn man ihn aus einem bewegten Bezugssystem betrachtet. Also nur "scheinbar". Andererseits passt er auf einmal (zumindest für kurze Zeit) in meine Garage, die eigentlich kürzer ist. Also doch eine "wirkliche" Änderung?
Bei dem Beispiel des Streifens weiß jeder, dass sich am Streifen und damit auch an seiner Breite natürlich nichts ändert, wenn man ihn schräg misst. Das, was man da misst, ist einfach nicht seine Breite, sondern irgendeine Schnittlänge. Da kommen erst gar keine "Paradoxien" auf und auch keine tief philosophischen Grübeleien über die "Wirklichkeit oder Scheinbarkeit der Breitenexpansion eines Streifens, wenn man ihn schräg anschaut". Diese ganzen Hirnverknotungen sind vollkommen überflüssige Resultate einer blödsinnigen Sprachregelung - die, wie Philip richtig sagt, noch aus der Lorentzschen Äthertheorie stammt, in der man dreidimensional dachte und tatsächlich glaubte, Stäbe würden kontrahieren, wenn man sie in Bewegung setzt.
 
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Ich

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Moin Ich,
vielen Dank für die Erstellung des neuen Themas!

Wenn ich das richtig verstehe, habt ihr etwas gegen die Wortwahl dieser historisch gewachsenen Begriffe und würdet lieber auf modernere Formulierungen umschwenken?

Interessanterweise gibt es zu einem weiteren Begriff aus diesem Bereich einen Artikel im Blog „Hier wohnen Drachen“: Hat die Lichtgeschwindigkeit den falschen Namen?
Das finde ich im Vergleich ziemlich harmlos. Ja, die Bedeutung von c ist eine Grenzgeschwindigkeit, eine fundamentale Eigenschaft der Raumzeit, und nicht so etwas profanes wie die Geschwindigkeit, mit der sich elektromagnetische Wellen mit Wellenlängen zwischen 400 und 800 nm ausbreiten. Trotzdem ist c nun mal die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum, eben weil Licht sich mit dieser (die Stelle einer unendlichen Geschwindigkeit einnehmenden) Grenzgeschwindigkeit bewegt. Da ist auch nur wenig Potential für Verwirrung. Dieses wird natürlich weidlich ausgenutzt unter den Cranks, aber so richtig irreführend finde ich die Bezeichnung Lichtgeschwindigkeit nicht.
 

TomS

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Statt sinnvollerweise die Länge als die senkrechte Messung zu definieren, nennt man diese "Ruhelänge", und diese schrägen Messungen, für die man sich eigentlich ein anderes Wort ausdenken müsste, nennt man "Länge".
Der Begriff Ruhelänge ist - genauso wie Ruhemasse - für sich betrachtet völlig unkritisch. Das „Ruhe“ verdeutlicht lediglich, um was es geht. Man könnte es weglassen, wenn man nicht von dir völlig zurecht kritisierten nächsten Schritt tut ...

Auf die Spitze getrieben wird das dadurch, dass man auch noch von "Längenkontraktion" spricht. Das verdinglicht diese Absurdität noch: Man misst nicht einfach je nach Bezugssystem eine unterschiedliche Länge, was schon schlimm genug wäre. Nein, man sagt auch noch klar und deutlich: Die Länge hat sich kontrahiert, also zusammengezogen.
Zustimmung, das ist natürlich Unsinn.

M.E. sollte man sich in der RT möglichst auf messbare und invariante Größen konzentrieren.
Betrachten wir die berühmten zerfallenden Myonen in der Atmosphäre. Man könnte dies vollständig mittels der invarianten Begriffe der Eigenzeit der Myonen und des Beobachters sowie der Eigen- bzw. Ruhelänge der Flugstrecke formulieren. Die „kontrahierte Länge“ ist nur dann wichtig, wenn man das Experiment aus Sicht der Myonen und unter Verwendung der Längenkontraktion diskutieren möchte. Wenn man dies einfach bleiben lässt, braucht man das alles nicht und kommt mit invarianten und allen vertrauten Größen aus.

Das Ganze wird noch schlimmer, wenn man erstens die Längenkontraktion einführt, und zweitens erklärt oder gar visualisiert, dass schnell bewegte Körper nicht kontrahiert sondern gedreht erscheinen. Warum führt man‘s dann ein?

Wichtig im Zusammenhang mit den Myonen ist die Diskussion zweier verschiedener Methoden der Längenmessung, nämlich einmal die Ruhelänge mittels eines Meterstabes und einmal die zurückgelegte Länge durch die Atmosphäre während eines bestimmten Eigenzeit. Dabei ist man jedoch gerade nicht die Ruhelänge, sondern Eigenzeit und Geschwindigkeit, und leitet daraus einen Längenbegriff ab. Der Unterschied muss klar werden.
 
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FrankSpecht

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Moin Tom,
ich komme noch nicht ganz klar mit eurer Kritik an den Begrifflichkeiten.

Du schreibst:
Das Ganze wird noch schlimmer, wenn man erstens die Längenkontraktion einführt, und zweitens erklärt oder gar visualisiert, dass schnell bewegte Körper nicht kontrahiert sondern gedreht erscheinen. Warum führt man‘s dann ein?
Das ist mir durchaus klar, aber welcher Begriff wäre dann besser geeignet, eine „scheinbare“ Kontraktion plus Drehung in der Raumzeit zu benennen?
Wissen, eurer Erfahrung nach, selbst Fachleute oftmals nicht den Unterschied zwischen real und relativ, bzw. relativistisch?

Ich habe mal vor einiger Zeit eine eigentlich gut gemachte Doku How the universe works gesehen. Darin wurde eine Animation gezeigt (ich habe mal im Link an die Stelle gespult, wo's kritisch wird), die mir die - wenigen verbliebenen - Haare aus Fremdscham zu Berge stiegen ließ (dasselbe gilt für fast alle Sendungen von Alpha Centauri mit Harald Lesch). Von einem fachlich weniger vertrauten Freund weiß ich aber, dass ihm dadurch das Prinzip erst klar wurde.

PS:
Ist denn nicht von vornherein klar, zumindest unter Fachleuten, wie diese Begriffe anzuwenden sind?
Und hilft es wirklich, andere Begrifflichkeiten einzuführen, die ebenfalls einer tiefergehenden Erläuterung bedürfen?
 
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pauli

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Ich denke eine Drehung entspricht einer scheinbaren Kontraktion, die Silhuette wird schmaler, insofern würde das passen :)
 

ralfkannenberg

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Mehr oder weniger will ich darauf hinaus.
Es gibt Weltbilder (https://de.wikipedia.org/wiki/Spezi...edia/File:Drehung_und_Bezugssystemwechsel.svg) wie diese. Wie soll man die einem Laien erklären?
Helfen dazu neue Begriffe?
Hallo zusammen,

ich denke, das wird so nichts: die einen reden stillschweigend über Phänomene in der 4-dimensionen Raumzeit, die überdies noch negativ-definit ist, und die anderen reden stillschweigend über den 3-dimensionalen Raum, der eine wunderschöne euklidische Metrik hat und in dem diese Zeitdilatationen und Längenkontraktionen auftreten.

Diese beiden Gruppen an Menschen sind durchaus disjunkt, d.h. die ersten sind eher die Fachleute und die zweiten sind eher die Laien. Somit macht es m.E. am meisten Sinn, die anschaulichen Begrifflichkeiten - nicht zuletzt auch für die Laien - im 3-dimensionalen Raum zu benennen, so dass diejenigen, die da gerne in der Raumzeit operieren, dies mit präzisen Fachbegriffen tun, die sie ohnehin problemlos verstehen.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

TomS

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die einen reden stillschweigend über Phänomene in der 4-dimensionen Raumzeit, ... und die anderen reden stillschweigend über den 3-dimensionalen Raum ...

Somit macht es m.E. am meisten Sinn, die anschaulichen Begrifflichkeiten - nicht zuletzt auch für die Laien - im 3-dimensionalen Raum zu benennen ...
Nochmal:

ich würde messbare Effekte auf Basis von invarianten Größen in den Mittelpunkt der Diskussion stellen.
Bsp. Zwillingsparadoxon: beide Zwillinge messen ihre sogenannte Eigenzeit auf einer jeweils mitgeführten Uhr. Der Gangunterschied ist kein "Phänomen in der 4-dimensionen Raumzeit" sondern ein messbares Phänomen. Wie man das dann auf theoretische Konstrukte zurückführt muss, kann später diskutiert werden.
 

ralfkannenberg

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Der Gangunterschied ist kein "Phänomen in der 4-dimensionen Raumzeit" sondern ein messbares Phänomen.
Hallo Tom,

warum sollte es denn nicht-messbar sein ?

Man kann die Raumzeit auf den 3-dimensionalen Raum projizieren und dann dort alles was die Projektion "überlebt" (also nicht identisch verschwindet) messen, ebenso wie man die Raumzeit auf die 1-dimensionale Zeitachse, die ja aus mathematischer Sicht ebenfalls ein "Raum" ist, projizieren und dann dort alles was bei der Projektion nicht identisch verschwindet, messen.

Nur weil man den 3-dimensionalen Raum und die 1-dimensionale Zeitachse geeignet in einen 4-dimensionalen Raum einbettet verliert man ja nicht die "Messbarkeit".


Freundliche Grüsse, Ralf
 
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TomS

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Man kann die Raumzeit auf den 3-dimensionalen Raum projizieren und dann dort alles was die Projektion "überlebt" (also nicht identisch verschwindet) messen, ebenso wie man die Raumzeit auf die 1-dimensionale Zeitachse, die ja aus mathematischer Sicht ebenfalls ein "Raum" ist, projizieren und dann dort alles was bei der Projektion nicht identisch verschwindet, messen.

Nur weil man den 3-dimensionalen Raum und die 1-dimensionale Zeitachse geeignet in einen 4-dimensionalen Raum einbettet verliert man ja nicht die "Messbarkeit".
Alles richtig, aber didaktisch oft falscher Ansatz.

Man geht von 4-dim. Mannigfaltigkeiten oder und Lorentztransformationen aus und entwickelt damit die Idee der RT. Das halte ich für wenig sinnvoll. Besser, man geht von messbaren Phänomene aus, diskutiert diese anhand von Invarianten bzw. Observablen und führt anhand dieser Begriffe dann die mathematischen Konzepte ein.

Lies' dir mal diverse Einführungen zur Zeitdilatation durch, wo diese als Spezialfall der Lorentztransformation dargestellt werden. Das ist Käse, da i) zu kompliziert, ii) Lorentztransformationen behandeln Koordinaten-, abgelesen auf den Uhren werden jedoch Eigenzeiten - der Zusammenhang bleibt nebulös; iii) in der ART existiert die Zeitdilatation als globales Phänomen weiterhin, allerdings existiert keine globale Lorentzinvarianz mehr. Stattdessen sollte man Eigenzeiten diskutieren: dann benötigt man - leider - als abstraktes Konzept die Länge einer vierdimensionalen Weltlinie; Lorentztransformationen werden nicht benötigt.
 

Ich

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Das ist mir durchaus klar, aber welcher Begriff wäre dann besser geeignet, eine „scheinbare“ Kontraktion plus Drehung in der Raumzeit zu benennen?
Wissen, eurer Erfahrung nach, selbst Fachleute oftmals nicht den Unterschied zwischen real und relativ, bzw. relativistisch?

PS:
Ist denn nicht von vornherein klar, zumindest unter Fachleuten, wie diese Begriffe anzuwenden sind?
Und hilft es wirklich, andere Begrifflichkeiten einzuführen, die ebenfalls einer tiefergehenden Erläuterung bedürfen?
Der Punkt ist, meiner Meinung nach, nicht ob sich Fachleute auskennen. Sondern ob sie sich trotz der Begriffe auskennen, oder wegen ihnen.
Jemanden zu fragen, ob die Längenkontraktion real ist oder nicht, ist ähnlich hilfreich wie die berühmte Frage "Schlagen Sie immer noch Ihre Frau"? Auf so etwas kann man weder mit ja noch mit nein antworten, weil die Frage vollkommen blödsinnige Dinge impliziert, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben.
Und zu den anderen Begrifflichkeiten: Wenn man eine neue revolutionäre Theorie hat, braucht man auch neue Begrifflichkeiten. Es ist alsi nicht nur hilfreich, sondern notwendig, neue Begriffe einzuführen. Hilfreich wäre es allerdings, nicht altbekannte Begriffe für vollkommen abstrakte neue Konzepte herzunehmen und stattdessen die altbekannten konkreten Konzepte mit neuen Begriffen zu belegen - sondern es andersherum handzuhaben.
Ich habe mal vor einiger Zeit eine eigentlich gut gemachte Doku How the universe works gesehen. Darin wurde eine Animation gezeigt (ich habe mal im Link an die Stelle gespult, wo's kritisch wird), die mir die - wenigen verbliebenen - Haare aus Fremdscham zu Berge stiegen ließ[...].
Ich finde die Animation ok, es weiß aber leider nur eine verschwindende Minderheit eingeweihter Personen, wie sie zu deuten ist. Schlimm, weil konkret falsch, fand ich das und das. Ich lasse mal als Quiz, was genau ich hier meinen könnte.
 

FrankSpecht

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Ich finde die Animation ok
Das sehe ich nicht so, denn so, wie die Animation dargestellt ist, würden wir nie eine Verzerrung sehen, da die Lichtstrahlen genauso parallel aus dem Gravitationspotential [EDIT: deutlichere Stelle im Video] herauskommen, wie sie hineingelangt sind.
Schlimm, weil konkret falsch, fand ich das und das. Ich lasse mal als Quiz, was genau ich hier meinen könnte.
Ich denke, du sprichst die fehlgedeutete Eigenzeit an ("wenn ich höher auf der Treppe stehe, geht meine eigene Uhr ein bisschen schneller") ;)

PS: Ok, im Nachgang muss ich konstatieren, dass das Video zumindest didaktisch doch nicht so gut ist
 
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Ich

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Das sehe ich nicht so, denn so, wie die Animation dargestellt ist, würden wir nie eine Verzerrung sehen, da die Lichtstrahlen genauso parallel aus dem Gravitationspotential [EDIT: deutlichere Stelle im Video] herauskommen, wie sie hineingelangt sind.
Du hast Recht, das ist mir entgangen. Ist also nicht ok.
Ich denke, du sprichst die fehlgedeutete Eigenzeit an ("wenn ich höher auf der Treppe stehe, geht meine eigene Uhr ein bisschen schneller")
Nein, das lässt sich kaum vermeiden, und es gibt ein vernünftigen Gegenstück zu dieser Aussage in der echten Physit. Bei dem Abschnitt stört mich "if you experience different gravitational environments, you will have a different flow of time". Die "experience" eines Gravitationsfeldes ist die Gravitationsbeschleunigung - und die sagt überhaupt nichts über die Größe der Zeitdilatation aus. Das ist nach meiner Erfahrung auch ein weitverbreiteter Stolperstein, hier sollte man als Filmemacher schon versuchen, den Fehler nicht zu wiederholen.
 

TomS

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Bei dem Abschnitt stört mich "if you experience different gravitational environments, you will have a different flow of time". Die "experience" eines Gravitationsfeldes ist die Gravitationsbeschleunigung - und die sagt überhaupt nichts über die Größe der Zeitdilatation aus.
Das ist ein spannender Punkt.

In die Berechnung der Zeitdilatation geht die Größe

$$ \sqrt{g_{\mu\nu} u^\mu u^\nu} $$

mit der Vierergeschwindigkeit u sowie die Weltlinie C ein.

Aus dem selben Ausdruck leitet man die Geodätengleichung ab.

Die Wirkung

$$ S[C] = \int_C ds $$

ist extremal, wenn die Weltlinie C einer Geodäten entspricht; in diesem Fall spürt man entlang C überhaupt nichts, die Bewegung ist kräftefrei. Wenn C aufgrund einer Kraft - z.B. eines Raketenantriebs - keiner Geodäten entspricht, dann wird die Eigenzeit entlang C, d.h. im wesentlichen S[C], tatsächlich beeinflusst. D.h., dass man schon davon ausgehen kann, dass wenn man eine Kraft spürt, dies auch Einfluss auf die Eigenzeit hat.

Aber es gibt natürlich noch andere Einflüsse, die man eben nicht spürt, weil immer kräftefreie Bewegung vorliegt. Man betrachte dazu zwei Geodäten C und C’ mit gemeinsamen Start- und Endpunkten, entlang derer ein unterschiedliches Gravitationsfeld d.h. unterschiedliche Metrik vorliegt, z.B. zwei sich schneidende Satellitenbahnen mit unterschiedlicher Exzentrizitäten. Obwohl beide Bewegungen kräftefrei sind, sind C und C’, g entlang C bzw. C’ und damit i.A. S[C] und S[C’] verschieden.

S[C] sammelt sozusagen diverse mathematische Effekte entlang C auf und präsentiert eine Art Summe. Man kann diese mathematischen Effekte nur in Spezialfällen separieren.
 
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Ich

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Es gilt die Uhrenhypothese: Beschleunigung per se hat überhaupt keinen Einfluss auf den "Uhrengang". Das bedeutet, man kann sein unmittelbares "gravitational Environment" ausmessen bis der Arzt kommt, man kann nicht ohne Kenntnis weiterer Dinge auf Zeitdilatation schließen. Diese "weiteren Dinge" sind die Informationen, die man braucht, um statt der Beschleunigung die Geschwindigkeit und das Gravitationspotential* zu kennen. Das sind nämlich die Größen, die für die Bestimmung der Zeitdilatation notwendig sind, und sie sind beide prinzipiell nicht messbar.

*Schon klar, in allgemeinen Raumzeiten ist beides nicht definiert, in einem fast statischen oder fast flachen Bereich aber schon.

S[C] bringt auch keine Aussage. Der zeitliche Abstand zwischen zwei Ereignissen kann auf Geodäten kürzer oder länger sein als auf beschleunigten Kurven, das kommt darauf an.
 

TomS

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Es gilt die Uhrenhypothese: Beschleunigung per se hat überhaupt keinen Einfluss auf den "Uhrengang".
Das behaupte ich auch nicht.

Aber eine Abweichung von der durch eine Geodäte C gegeben Vierergeschwindigkeit u wegen einer Beschleunigung hat eine lokale Auswirkung auf ds sowie eine globale aufgrund der Abweichung von C und damit von S[C]

S[C] bringt auch keine Aussage. Der zeitliche Abstand zwischen zwei Ereignissen kann auf Geodäten kürzer oder länger sein als auf beschleunigten Kurven, das kommt darauf an.
Richtig. Die Aussage ist ja gerade, dass eine Beschleungung zu einem anderen u und einem anderen C und damit einem anderen S[C] führt. Das widerspricht jedoch nicht der Uhrenhypothese.
 
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