Quantenphysik: Ferne Quasare und die Quantenverschränkung

TomS

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Wenn man als Student nach einer leicht anwendbaren Beschreibung des Messvorganges sucht, ist der Kollaps AFAIK immer noch die erste Wahl.
Das ist ein grundsätzliches Missverständnis.

Der Kollaps ist sicher eine leicht anwendbare Methode zur Berechnung der Messergebnisse und deren Wahrscheinlichkeiten. Er ist jedoch gerade keine Beschreibung des Messvorgangs. Zumindest diese Präzisierung sollte dem Student ebenfalls vermittelt werden.
 

Bernhard

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Er ist jedoch gerade keine Beschreibung des Messvorgangs.
Die bornsche Regel ist möglicherweise keine gute Beschreibung, aber dennoch sehr gut anwendbar. Wenn die bornsche Regel aus anderen Axiomen iwann hergeleitet werden kann, wird das sicher ebenso Einzug in die Lehrbücher halten, aber davon sind wir AFAIK noch relativ weit (?) entfernt.

Überzeugend sind für mich auch die Argumente zur Dekohärenz, aber die zugehörigen Rechnungen sind mMn doch deutlich schwerer zu überblicken als die bornsche Regel.
 
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TomS

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Die bornsche Regel ist möglicherweise keine gute Beschreibung, aber dennoch sehr gut anwendbar.
Die Bornsche Regel ist gut anwendbar, aber sie stellt in keinster Weise eine Beschreibung dar.

Beim Eierkochen gibt es ein Rezept - kochendes Wasser, Ei rein legen, fünf Minuten warten, weiches Ei ist fertig.

Und dann gibt es eine chemische und/oder physikalische Beschreibung des Kochvorgangs, der Wärmeübertragung, der biochemischen Prozesse die die Gerinnung des Eiweißes bewirken etc.

Die Bornsche Regel ist ein Rezept, keine Beschreibung des Vorgangs. Sie steht zur einzig bekannten quantenmechanischen Beschreibung die wir kennen - der Schrödingergleichung - in explizitem Widerspruch. Man darf die Bornsche Regel natürlich anwenden, aber man sollte doch wissen, dass sie eben keine Beschreibung des Messvorgangs liefert. Das haben Born, Bohr u.a. nie behauptet - ganz im Gegenteil. Bohr hat immer darauf hingewiesen, dass die Quantenmechanik dies nicht leistet und seiner Meinung nach auch nicht leisten muss.

Um diesen Unterschied zwischen Rezept und Beschreibung zu verstehen und die inhärenten Probleme nachvollziehen zu können muss man sich noch nicht mal mit der Dekohärenz u.a. befassen.
 
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Kosmorobi

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Ich komme gerade in eine Glaubenskrise. Ich lese auf Wikipedia über die Bellsche Ungleichung und komme einfach nicht weiter. Lässt sich das irgendwie auf den Punkt bringen?
 

TomS

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Ja.

1) Theorien gemäß der klassischen Sichtweise können dergestalt konstruiert werden, dass sie lokalisierten Objekten diesen Objekten anhaftende Eigenschaften zuweisen. Diese Eigenschaften können auch sogenannte „versteckte“ d.h. zunächst nicht direkt sichtbare Eigenschaften sein. Daraus folgen für Bell-artige Experimente bestimmte Vorhersagen, z.B. für die Korrelation von Spins.

2) Bei Theorien gemäß der quantenmechanischen Sichtweise wird (u.a.) im Falle der Verschränkung die Idee der lokalisierten Objekten mit anhaftende Eigenschaften aufgegeben. Eigenschaften im klassischen Sinn treten erst im Zuge der Messung zutage und sind vorher nicht vorhanden. Daraus folgen für Bell-artige Experimente andere Vorhersagen, wiederum z.B. für die Korrelation von Spins, die mit den o.g. klassischen Vorhersagen unverträglich sind.

Die Experimente zeigen, dass die klassische Sichtweise falsch ist, d.h. dass die aus (1) folgenden Vorhersagen nicht mit den experimentellen Ergebnissen übereinstimmen - wohl aber die Vorhersagen gemäß (2).

EDIT:

Ein bekanntes Beispiel zu (1) sind die Stiefelpaare, wobei jeder Stiefel in einen eigenen Sack gesteckt und zwei räumlich getrennten Beobachtern gegeben wird. Es ist klar, dass die Eigenschaft „rechts“ bzw. „links“ dem jeweiligen Stiefel bereits vor bzw. unabhängig von einer Beobachtung = dem Öffnen des Sacks anhaftet.

Ein bekanntes Beispiel zu (2) sind Paare verschränkter Photonen, wobei die Polarisationen der Photonen unabhängig voneinander an räumlich getrennten Polarisatoren gemessen werden. Rein quantenmechanisch kommt lediglich dem Photonenpaar der Gesamtspin S = 0 zu. Die Eigenschaft einer definierten Polarisation kommt jedoch nicht jedem einzelnen Photon bereits vor bzw. unabhängig von einer Beobachtung am Polarisator zu.

Man kann sowohl aus klassischen Theorien gemäß (1) als auch aus dem quantenmechanischen Formalismus gemäß (2) die Korrelationen der Messergebnisse der Polarisation berechnen. Sämtliche Experimente zeigen, dass (2) zutreffend ist, (1) dagegen explizit falsch.
 
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Kosmorobi

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Danke, so langsam komme ich weiter. Noch eine Frage: Wie ist das mit der Gleichzeitigkeit? Bei der Messung eines Photons soll das andere ja gleichzeitig beeinflusst werden. Nun ist ja nach ART Gleichzeitgkeit relativ. Bezieht sich gleichzeitig dann auf das Bezugsystem der Messapparatur?
 

TomS

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Im wesentlichen ja, wobei Gleichzeitigkeit nicht fundamental ist.

Es geht darum, dass die beiden Messungen dergestalt erfolgen - räumlich wie zeitlich - dass sie sich gegenseitig nicht kausal beeinflussen können, d.h. dass keine der beiden Messungen im Zukunftslichtkegel (salopp gesprochen in der Zukunft) der jeweils anderen Messung liegt. Damit kann immer ein Bezugsystem eines geeigneten Beobachters gefunden werden, für das beide Messungen gleichzeitig erscheinen.

Die Eigenschaft „dass keine der beiden Messungen im Zukunftslichtkegel der jeweils anderen Messung liegt“ ist beobachterunabhängig und nicht mehr relativ.
 
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