Ausrittsgeschwindikeit von chemischen Antrieben relativ zum Raumschiff?

Ionit

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Austrittsgeschwindigkeit von chemischen Antrieben relativ zum Raumschiff?

Hallo Freunde,

hier mal ein Gedankenexperiment + Frage.

Wir beschleunigen ein Raumschiff im Weltall mit einem nuklearen Pulsantrieb (Orion-Projekt) auf 20000 km/s.

Ist diese Geschwindigkeit erreicht, stoppen wir den nuklearen Pulsantrieb und zünden einen chemischen Antrieb, der an einer Düse eine Austrittsgeschwindigkeit von 4 km/s erreicht.

Beschleunigt das Raumschiff jetzt weiter, weil die Austrittsgeschwindigkeit RELATIV zum Raumschiff größer ist oder erfolgt keine Beschleunigung mehr, da die Geschwindigkeit des Raumschiffs ja schon viel höher als die Austrittsgeschwindigkeit (Düse) ist und es somit keinen weiteren Impuls (in Flugrichtung) gibt?

Wer kann man diese Frage beantworten?

Vielen Dank schonmal!

Gruß Matthias
 
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TomS

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Man beantwortet die Frage am einfachsten im Schwerpunktsystem des Raumschiffs: Nachdem das
Raumschiffs eine Geschwindigkeit von 20000 km/s relativ zum Startsystem erreicht hat, wird der erste Antrieb abgeschaltet, der zweite gestartet, und somit Treibstoff mit 4 km /s relativ zum Raumschiff ausgestoßen; relativ zum Startsystem wird der Treibstoff dagegen mit (20000 - 4) km/s ausgestoßen.

Aufgrund der Impulserhaltung vom Impuls(Raumschiff) plus Impuls(Treibstoff) muss das Raumschiff bezogen auf sein voriges Ruhesystem demnach weiter beschleunigen. Und natürlich beschleunigt es dann auch bzgl. des Startsystems.

 

Ionit

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Hallo TomS,

vielen Dank für die Antwort. Das heißt also, dass auch ein chemischer Antrieb ein Raumschiff im Vakuum auf relativistische Geschwindigkeiten bringen könnte (wenn der Tank groß genug wäre) obwohl die Austrittsgeschwindigkeit an der Düse nur einen Wert von 4km/s erreicht?

Das war mir bisher nicht bewußt (ich dachte bisher, dass das Raumschiff auf maximal Austrittsgeschwindigkeit (Düse) kommen kann).

Danke für die Aufklärung.
 
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Bynaus

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Dann käme man mit einem chemischen Antrieb nicht einmal in den Erdorbit (8 km/s)...

Rein theoretisch kann man mit jedem Antrieb beliebig nahe an c heran - praktisch ist es mit einem chemischen Antrieb unmöglich, weil man das ganze Universum als Reaktionsmasse bräuchte.
 

TomS

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Für die erreichbare Geschwindigkeit v(m) in Abhängigkeit von Nutzlast m, Treibstoff mu sowie effektiver Ausstoßgeschwindigkeit u gilt
$$v(\mu) = u \cdot \ln\left(1+\frac{\mu}{m}\right)$$

Kennt man umgekehrt die Nutzlast m, die Zielgeschwindigkeit v sowie u, so folgt die benötigte Treibstoffmasse
$$\mu(v) = m\,\cdot e^{v/u} - m$$

Wenn man relativistische Effekte berücksichtigt, wird die erste Gleichung zu

$$\frac{v(\mu)}{c} = \text{tanh} \frac{u}{c} \ln\left(1+\frac{\mu}{m}\right)$$

modifiziert.
 

JensU

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Hallo Freunde,

hier mal ein Gedankenexperiment + Frage.

Wir beschleunigen ein Raumschiff im Weltall mit einem nuklearen Pulsantrieb (Orion-Projekt) auf 20000 km/s.

Ist diese Geschwindigkeit erreicht, stoppen wir den nuklearen Pulsantrieb und zünden einen chemischen Antrieb, der an einer Düse eine Austrittsgeschwindigkeit von 4 km/s erreicht.

Beschleunigt das Raumschiff jetzt weiter, weil die Austrittsgeschwindigkeit RELATIV zum Raumschiff größer ist oder erfolgt keine Beschleunigung mehr, da die Geschwindigkeit des Raumschiffs ja schon viel höher als die Austrittsgeschwindigkeit (Düse) ist und es somit keinen weiteren Impuls (in Flugrichtung) gibt?

Wer kann man diese Frage beantworten?
Gruß Matthias

Wenn eine Geschwindigkeit von 20000km am Orionraumschiff erreicht werden sollte,
wird es durch den resultierenden Teilchen-Massestrom vor dem Raumschiff abgebremst, bzw
die Teilchen in Bremsstrahlung umgewandelt. Der Bremsimpuls muss mit dem gleichen Antriebsimpuls kompensiert werden.

Wenn sich der spezifische Impuls einer Nuklearexplosion hinter dem Raumschiff kugelförmig ausbreitet, wieviel Prozent davon
kommen an der Prallplatte und über den Stoßdämpfer effektiv am Raumschiff an?
Wie hoch ist der Gesamtwirkungsgrad?
Um auf deine 20 000 km/s zurückzukommen.

Gruß,
Jens
 
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Bynaus

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@JensU: die Materiedichte im interstellaren Raum ist viel zu gering, um ein Raumschiff nennenswert abzubremsen (zumindest auf typischen Strecken zwischen einzelnen, benachbarten Sternen). Um die Geschwindigkeit auf die Hälfte zu reduzieren, müsste das Schiff Teilchen mit einer Gesamtmasse gleich der Schiffsmasse begegnen.

Sagen wir, das Raumschiff hätte eine Querschnittfläche von 100 m2. Bei typischerweise 10000 Atomen pro m3 (mit Masse 1 u; typischer Wert für das warme, interstellare Medium) und 20000 km/s Geschwindigkeit durchquert es pro Sekunde also ein Volumen von 2e9 m3, in dem sich 2e13 Atome befinden. Deren Masse beträgt 2e13 u oder 2e13/6e23 g. Wenn das Raumschiff eine Masse von 1000 Tonnen hat, dauert es also 1e9 x 3e10 = 3e19 Sekunden, bis das Raumschiff seiner eigenen Masse an Teilchen begegnet, oder etwa 1 Billion Jahre (so lange bis zu Reduktion der Geschwindigkeit auf die Hälfte). Selbst in dichten interstellaren Molekülwolken, wo die Teilchendichte bis zu sieben Grössenordnungen höher ist, sind es dann entsprechend noch 100000 Jahre. Für Reisen zwischen Sternen ist dieser Effekt völlig irrelevant.

Wirkungsgrad ist theoretisch maximal 50%, effektiv wohl deutlich weniger (10%?). Das geht aber bereits in die Zahl von 20000 km/s ein.
 

JensU

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@JensU: die Materiedichte im interstellaren Raum ist viel zu gering, um ein Raumschiff nennenswert abzubremsen (zumindest auf typischen Strecken zwischen einzelnen, benachbarten Sternen). Um die Geschwindigkeit auf die Hälfte zu reduzieren, müsste das Schiff Teilchen mit einer Gesamtmasse gleich der Schiffsmasse begegnen.

Sagen wir, das Raumschiff hätte eine Querschnittfläche von 100 m2. Bei typischerweise 10000 Atomen pro m3 (mit Masse 1 u; typischer Wert für das warme, interstellare Medium) und 20000 km/s Geschwindigkeit durchquert es pro Sekunde also ein Volumen von 2e9 m3, in dem sich 2e13 Atome befinden. Deren Masse beträgt 2e13 u oder 2e13/6e23 g. Wenn das Raumschiff eine Masse von 1000 Tonnen hat, dauert es also 1e9 x 3e10 = 3e19 Sekunden, bis das Raumschiff seiner eigenen Masse an Teilchen begegnet, oder etwa 1 Billion Jahre (so lange bis zu Reduktion der Geschwindigkeit auf die Hälfte). Selbst in dichten interstellaren Molekülwolken, wo die Teilchendichte bis zu sieben Grössenordnungen höher ist, sind es dann entsprechend noch 100000 Jahre. Für Reisen zwischen Sternen ist dieser Effekt völlig irrelevant.

Wirkungsgrad ist theoretisch maximal 50%, effektiv wohl deutlich weniger (10%?). Das geht aber bereits in die Zahl von 20000 km/s ein.

Ja. Die Betrachtung ist von der Geschwindigkeit und Querschnittsfläche abhängig.
Bei einen Gesamtwirkungsgrad von 50-10%? können wir das Antriebskonzept vergessen.

Gruß,
Jens
 

Bynaus

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Bei einen Gesamtwirkungsgrad von 50-10%? können wir das Antriebskonzept vergessen.

Warum? Wie gesagt, basiert die berechnete Endgeschwindigkeit von 20000 km/s (0.06 c) bereits auf diesem Gesamtwirkungsgrad.
 

TomS

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Wenn eine Geschwindigkeit von 20000km am Orionraumschiff erreicht werden sollte,
wird es durch den resultierenden Teilchen-Massestrom vor dem Raumschiff abgebremst ...
Das könnte man in die Aufstellung der Raketengleichung einarbeiten.

Zu dem positiven Delta-v aufgrund der ausgestoßen Treibstoffmasse muss dann noch ein negatives Delta-v aufgrund der Reibung addiert werden. Die Stokes‘sche Reibungskraft lautet

$$ F = - D \eta v $$

wobei D für eine „effektiven Durchmesser“ von der Größenordnung des Durchmessers der Frontfläche steht, eta für die dynamische Viskosität des interstellaren Mediums. Darüber erhält man die negative Beschleunigung

$$ a = F/m $$

Die dynamische Viskosität kann mittels der kinetischen Gastheorie berechnet werden.


Alternativ kann man auch direkt die Stöße des Raumschiffs mit den interstellaren Materieteilchen mittels Impulserhaltung ansetzen; dabei ginge dann jedoch die Geschwindigkeitsverteilung Materie ein, die Rechnung wird recht kompliziert.
 
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JensU

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Warum? Wie gesagt, basiert die berechnete Endgeschwindigkeit von 20000 km/s (0.06 c) bereits auf diesem Gesamtwirkungsgrad.

Das Antriebskonzept ist aus meiner Sicht Unsinn,
weil die Stützmasse(Sprengsätze) im Raumschiff mitgeführt wird und mitbeschleunigt werden muss.
weil dadurch die Raumschiffmasse und das Trägheitsmoment sehr hoch ist.
weil dadurch die Beschleunigung auf die Endgeschwindigkeit sehr lange dauert.
weil der spezifische Impuls bzw. die Geschwindigkeit für die interstellare Raumfahrt zu gering ist.
weil der Gesamtwirkungsgrad schlecht ist.
weil die Sprengsätze eine potentielle Gefahr darstellen.
weil das Raumschiff nach dem abremsen am Ziel nicht mehr zurückfliegen kann.
weil dann die Stützmasse alle ist
u.s.w.

Gruß,
Jens
 

JensU

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Das könnte man in die Aufstellung der Raketengleichung einarbeiten.

Zu dem positiven Delta-v aufgrund der ausgestoßen Treibstoffmasse muss dann noch ein negatives Delta-v aufgrund der Reibung addiert werden. Die Stokes‘sche Reibungskraft lautet

$$ F = - D \eta v $$

wobei D für eine „effektiven Durchmesser“ von der Größenordnung des Durchmessers der Frontfläche steht, eta für die dynamische Viskosität des interstellaren Mediums. Darüber erhält man die negative Beschleunigung

$$ a = F/m $$

Die dynamische Viskosität kann mittels der kinetischen Gastheorie berechnet werden.


Alternativ kann man auch direkt die Stöße des Raumschiffs mit den interstellaren Materieteilchen mittels Impulserhaltung ansetzen; dabei ginge dann jedoch die Geschwindigkeitsverteilung Materie ein, die Rechnung wird recht kompliziert.

Alles richtig.
Wie kann ein sehr großes Mutterraumschiff (z.B. 20 000 km Durchmessser) trotzdem sehr schnell (z.B. 95% von c) reisen?
Hast du eine Vorstellung?

Gruß,
Jens
 

TomS

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Warum soll es so groß sein? Deutlich größer als die Erde? Womit baust du das?

Anyway - die einzige Möglichkeit wäre wohl, auf die Mitführung von Reibstoff zu verzichten und den Teilchenstrom selbst als Antriebsmasse zu nutzen, d.h. z.B. den von vorne kommenden Teilchenstrom möglichst reibungsarm durch einen Zylinder zu beschleunigen und als Strahl wieder auszustoßen.

Man kann ja mal überschlagen, wie eine ideale Form und Größe aussähe:

Maximieren des Zylinder-Radius R für möglichst großen Teilchenstrom ~ R².
Minimieren der Frontfläche A(R,h) ~ (R+h)² - R² und somit der Reibung, d.h. Aufbauten mit möglichst geringer Höhe h entlang des Zylinders.
Austrittsgeschwindigkeit v des Teilchenstroms am Ende des Zylinders als Funktion dessen Länge v(L).
Verfügbarer Energieinhalt für den Antrieb wäre ~ Volumen V ~ A(R,h) * L.
Verfügbare Masse pro Zeit m/t aus dem Teilchenstrom ~ aktueller Geschwindigkeit v.

In der ersten Beschleunigungsphase benötigst du jedoch einen konventionellen Antrieb.

... trotzdem sehr schnell (z.B. 95% von c) reisen ...
Beachte, dass bei relativistischen Geschwindigkeiten die bekannte Raketengleichung nicht mehr gültig ist; man verwendet stattdessen die relativistische Raketengleichung


 
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ralfkannenberg

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aaahhahahhahahaha
Hallo pauli,

selbstverständlich ist das alles richtig; die Frage ist nur, ob Jens das auch alles richtig (na ja, mit "ansatzweise" würde ich mich ja in seinem Fall schon zufrieden geben) verstanden hat.

Aber das ist eine Fragestellung, die mich persönlich nicht zu betreffen hat. Das muss Jens für sich selber entscheiden, und wenn er sie mit "nein" beantwortet, dann wäre jetzt eine gute Gelegenheit, hier im Forum Fach-Fragen zu stellen statt bereits angebliche Lösungen zu präsentieren.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

Bynaus

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Das Antriebskonzept ist aus meiner Sicht Unsinn,
weil die Stützmasse(Sprengsätze) im Raumschiff mitgeführt wird und mitbeschleunigt werden muss.
weil dadurch die Raumschiffmasse und das Trägheitsmoment sehr hoch ist.
weil dadurch die Beschleunigung auf die Endgeschwindigkeit sehr lange dauert.
weil der spezifische Impuls bzw. die Geschwindigkeit für die interstellare Raumfahrt zu gering ist.
weil der Gesamtwirkungsgrad schlecht ist.
weil die Sprengsätze eine potentielle Gefahr darstellen.
weil das Raumschiff nach dem abremsen am Ziel nicht mehr zurückfliegen kann.
weil dann die Stützmasse alle ist
u.s.w.

Gruß,
Jens

Das Orion-Konzept ist nicht so toll im Vergleich mit, sagen wir, einem Fantasieraumschiff aus Star Trek, aber es ist eines der besten, tatsächlich realisierbaren Konzepte die wir in Sachen interstellarer Raumfahrt (mit grossen Nutzlasten) haben. Deshalb ist es alles andere als Unsinn.
 

TomS

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... die einzige Möglichkeit wäre wohl, auf die Mitführung von Reibstoff zu verzichten und den Teilchenstrom selbst als Antriebsmasse zu nutzen, d.h. z.B. den von vorne kommenden Teilchenstrom möglichst reibungsarm durch einen Zylinder zu beschleunigen und als Strahl wieder auszustoßen.

Man kann ja mal überschlagen, wie eine ideale Form und Größe aussähe:

Maximieren des Zylinder-Radius R für möglichst großen Teilchenstrom ~ R².
Minimieren der Frontfläche A(R,h) ~ (R+h)² - R² und somit der Reibung, d.h. Aufbauten mit möglichst geringer Höhe h entlang des Zylinders.
Austrittsgeschwindigkeit v des Teilchenstroms am Ende des Zylinders als Funktion dessen Länge v(L).
Verfügbarer Energieinhalt für den Antrieb wäre ~ Volumen V ~ A(R,h) * L.
Verfügbare Masse pro Zeit m/t aus dem Teilchenstrom ~ aktueller Geschwindigkeit v.

In der ersten Beschleunigungsphase benötigst du jedoch einen konventionellen Antrieb.
Dazu habe ich folgendes gefunden:

https://www.heise.de/tp/features/Reiseziel-Alpha-Centauri-Realisierbare-Antriebssysteme-3437063.html


Ich denke, es lohnt sich, über den zur Beschleunigung notwendigen Energievorrat nachzudenken.

[h=1][/h]
 

Ionit

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Weiß jemand, in welcher Entfernung (zur Prallplatte) die A-Bomben gezündet werden würden, damit zwar genügend Impuls auf das Schiff übertragen wird, das Schiff selbst aber nicht zerstört wird?

In einem anderen Thread sagte jemand, dass Fusionsbomben noch wirkungsvoller wären. Warum ist das so, denn man müsste bei Fusionsbomen doch den Abstand zur Prallplatte erhöhen, damit die (stärkere) Detonation das Schiff nicht zerstört, was, bzgl. der Impulsübertragung relativ zu einer Fissionsbombe, ja keinen Unterschied machen würde?

Und wie würde man das Schiff abbremsen? Erfolgt das auch per Detonation, diesmal vor dem Schiff? Müsste man, während des Fluges, das Schiff drehen, damit die Prallplatte Vorne ist und dann vor dem Schiff die Bomben expoldieren, während das Schiff dadruch abgebremst wird? Gibt es dazu Überlegungen?

Danke und Gruß
Matthias
 
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