SuperKEKB: Dem Antimaterie-Rätsel auf der Spur

astronews.com Redaktion

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Nach achtjähriger Umbauphase sollen am japanischen Teilchenbeschleuniger SuperKEKB bald wieder Elektronen und Positronen aufeinanderprallen. Die Forscher hoffen, dass sich aus den dabei entstehenden Zerfallsprodukten Hinweise auf die spannenden Frage ergeben, warum es im Universum eigentlich kaum noch Antimaterie gibt. (26. März 2018)

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Michael60

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Nach achtjähriger Umbauphase sollen am japanischen Teilchenbeschleuniger SuperKEKB bald wieder Elektronen und Positronen aufeinanderprallen. Die Forscher hoffen, dass sich aus den dabei entstehenden Zerfallsprodukten Hinweise auf die spannenden Frage ergeben, warum es im Universum eigentlich kaum noch Antimaterie gibt. (26. März 2018)

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Woher weiss man, dass es im Universum fast nur noch Materie gibt?
In unserer "Region" ist das natürlich zweifelsohne der Fall, aber weit entfernte Galaxien könnten doch z.B. aus Antimaterie bestehen. Gibt es da ein Unterscheidungsmerkmal?
 

Protuberanz

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Auch zwischen Galaxien gibt es AFAIK Gasbrücken, welche mit einer möglichen Antimaterie in dieser Menge recht heftig reagieren würden.
Das ist richtig, gilt aber trotzdem nur für den Teil, den wir beobachten können. Die Frage ist, wenn die Konzentrationen an Materie und Antimaterie unterschiedlich verteilt waren und die Inflation den dicksten Brocken Antimaterie außerhalb unseres Sichtfeldes transportiert hat, dann können wir auch keine Reaktionen mehr beobachten, weil diese ja bereits lange vor unserer Beobachtungszeit stattgefunden haben. Da wir nicht wissen, wie groß das Universum wirklich ist, wissen wir auch nicht, was in dem Bereich hinter der Wand der Hintergrundstrahlung existiert.
 

Tom

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Ich gehe davon aus, dass SuperKEKB auch keinen Unterschied feststellen wird.
Warten wir ab.
 

Ich

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Das ist zwar richtig, allerdings datiert man die Entstehung der Materie auf das Ende der Inflationsphase. Die Asymmetrie müsste also schon am Anfang vom Ende im Inflatonfeld auftreten, damit man hinterher universumsgroße Bereiche mit nur einer Sorte Elementarteilchen befüllen kann. Google (inflation separated matter antimatter) verweist in dieser Frage u. A. auf einen gewissen Stephen Selipsky, der da schreibt:
Selipsky schrieb:
There are two fatal problems with trying to inflate apart local regions of excess matter and antimatter to explain the observable universe’s baryon number.

Firstly, inflation dilutes everything to exponentially tiny (tiny, tiny, tiny) densities, as in less than one particle per observable universe volume. So even if some fluctuation created local regions of matter excess before inflation, you’d end up with nothing.

Secondly, when inflation ends, the energy density driving the inflation flows into other fields and modes (that's the dynamical meaning of “inflation ends”; where else can the energy go?), and statistical mechanics says that all those modes randomize: you reheat the universe. The reheating temperature is proportional to the scale of the inflation dynamics, which we assume is related to a unification scale above 10^{14} GeV, and certainly has to be well above the TeV scale where we experimentally haven't seen any sign of inflatons or related weirdness [*]. If that reheating temperature is above the electroweak phase transition (“only” 0.1 TeV or so), electroweak sphalerons / instantons rapidly violate B+L and wash out any local excess of baryon number B that any earlier mechanism somehow had created. Electroweak instantons freeze out and become exponentially slow violators of B+L at lower temperatures; so the trick is to continue generating baryon number through CP violation fast enough and long enough just below the phase transition to survive through the last instantons. Standard Model CP violation seems too small to accomplish that, since the phase transition is not strongly first order… which motivates the continuing research on this topic.

Cosmic inflation is not the answer.
Mir hat das gefallen, weil es voller Fachjargon ist, den ich nicht verstehe. Ich habe aber den Eindruck, dass er nicht schwallt, sondern das Unverständnis tatsächlich bei mir liegt.
 

Protuberanz

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Die Weichen für die Verteilung, sind möglicherweise bereits in der Planck-Phase gestellt worden. Wenn bereits zu diesem Zeitpunkt eine Gruppierung der Bedingungen zur Bildung von Materie und Antimaterie stattgefunden hat, dann kann die Inflation die entsprechenden Gruppen in verschiedenen Bereichen des Raums verteilt haben. Dadurch sollten auch große Bereiche zwischen den Materie- und Antimateriebereichen existieren, in denen sich absolut nichts befindet, die Annihilationsgrenze sozusagen. Aber auch das liegt scheinbar außerhalb unseres Sichtfeldes, denn beobachtet hat es bisher niemand. Da aber niemand weiß, wie groß das Universum wirklich ist, stellt eine Nichtbeobachtung immer noch nicht die Existenz in Frage.
 

TomS

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Die Weichen für die Verteilung, sind möglicherweise bereits in der Planck-Phase gestellt worden. Wenn bereits zu diesem Zeitpunkt eine Gruppierung der Bedingungen zur Bildung von Materie und Antimaterie stattgefunden hat, dann kann die Inflation die entsprechenden Gruppen in verschiedenen Bereichen des Raums verteilt haben.
Der von Ich zitierte Text erklärt, warum diese Erklärung genau nicht funktionieren kann.
 

Protuberanz

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Der von Ich zitierte Text erklärt, warum diese Erklärung genau nicht funktionieren kann.
In dem Text erklärt Herr Seplinsky, welche Probleme er vermutet und selbst die scheinbar absoluten Angaben sind formuliert mit "...and statistical mechanics says that all those modes randomize...", "...which we assume is related to a unification scale above 10^{14} GeV...", "..."and certainly has to be well above the TeV scale...", "...Standard Model CP violation seems too small to accomplish that..."
Bis zum vorletzten Satz ist nur von Annahmen (zufällig, annehmen, scheint) die Rede und der Aufforderung, das weitere Forschung unabdingbar erscheint.
Und nur weil der letzte Satz eine eine Endgültigkeit in der Meinung von Herrn Seplinsky ausdrückt, gehst Du von einer Gesetzmäßigkeit aus?
 

mac

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Hallo Protuberanz,

diese Inflation wurde eingeführt um die nahezu absolute Homogenität der Hintergrundstrahlung zu erklären.

Kurz gefaßt gibt sie dem Energieinhalt des Universums genügend Zeit um sich zu homogenisieren, bevor sie wirkt und mit Hilfe der Raumexpansion dem Energieinhalt die genau nötige Expansionsgeschwindigkeit mitgibt, die ein flaches Universum ermöglicht.

Man kann sich darüber streiten ob eine solche Erfindung legitim ist oder nicht – Tatsache bleibt aber daß sie die Beobachtungen bisher am besten erklärt, sogar immer noch mit den neuesten Messungen dazu.

Wenn man nun aber hingeht und die Inflation, die ja gerade die homogenität der Hintergrundstrahlung erklären soll, dazu zu benutzen eine Erklärung für die fehlende Antimaterie heranzuziehen, dann würde man damit doch gleichzeitig ihre wichtigste Daseinsberechtigung aushebeln – eben die Erklärung der Homogenität.

Du meinst es könnte doch sozusagen hinter unserem Beobachtungshorizont liegen. Dann mußt Du aber gleichzeitig die Kröte schlucken, daß wir mitten in einer privilegierten Position stecken und Du brauchst eine Erklärung, wie es zu dieser unbeobachtbaren Inhomogenität kommen konnte.

Solche Kröten führt man in der Physik nur dann ein, wenn man garkeinen anderen Ausweg mehr findet. (z.B. eben die Inflation, aber seinerzeit auch das Neutrino)

Neutrinos konnten wir inzwischen nachweisen, was vermutlich die Hemmschwelle für solche Kröten etwas gesenkt haben könnte, aber auch die Inflation hat unstreitbar den Vorteil, wesentlich weniger unerklärliches einzuführen als Deine Hoffnung? auf eine Art Zellteilung während der Inflation. (Das mit der Zellteilung hab‘ ich aus einem alten Film mit Curd Jürgens zu eben diesem Problem der fehlenden Antimaterie. Titel weiß ich leider nicht mehr)

Herzliche Grüße

MAC
 

Protuberanz

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Hallo mac (und natürlich auch Ich und TomS),
vielen Dank, das Du Dich (bzw. Ihr Euch) mit meinem geistigen Fußpilz überhaupt außeinander setzt.
Ich muß allerdings sagen, das ich schon das eine oder andere Problem mit dem Standardmodell habe, es allerdings auch nicht komplett ausschließe. Ich würde es vielmehr kombinieren wollen. Allerdings gehört das in den Bereich GDM. Da ich jedoch keine wasserdichte Theorie zu formulieren in der Lage bin, werde ich das auch nicht tun. Allerdings möchte ich immer einmal wieder meine Bedenken, gegen (aus meiner begrenzten Sicht) fragwürdige Argumentationen formulieren.
Was mich an Deiner Begründung stört, hast Du bereits selbst formuliert. Es gibt also keine Notwendigkeit dies zu wiederholen.
 

Protuberanz

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Aber eine winzige Anmerkung habe ich noch. Der Vergleich mit der Zellteilung hinkt auf einem Fuß. Zellteilung läßt zwei identische Bereiche entstehen. Meine Annahme tut das nur aus einer sehr begrenzten Sicht, da Materie und Antimaterie ja in vielen Dingen eher komplementär sind.
 

Bernhard

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Ich befürchte, dass du den Text von seinem physikalischen Gehalt her sowie teilw. sprachlich nicht verstanden hast.
Sollte man es nicht eher so erklären, dass die Baryogenese (gemäß Inflationsmodell) erst nach der Inflation stattgefunden hat? Das, was wir Materie oder Antimaterie nennen, wäre demnach erst nach der Inflation, d.h. aus dem Inflaton-Feld entstanden.

Dieser Punkt wird bei Selipsky so nicht direkt angesprochen.
 

Protuberanz

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Hallo Bernhard,
ich hatte den Selipskytext so verstanden, das die elektroschwachen Sphaleronen mit Hilfe von Instantonwellen einen wie auch immer (durch irgendwelche früheren Prozesse) entstandenen Baryonenüberschuß, wieder entfernen würden. Ich weiß zwar immer noch nicht, wie das funktionieren soll, wenn Baryonen und Antibaryonen zu diesem Zeitpunkt bereits asymetrisch verteilt sind, aber sei's drum. Ich habe da wohl einen Denk- bzw. Verständnisfehler
Ich hatte ja die Weichenstellung zur Lokalisierung möglicher Materie- und Antimateriebereiche in die Planck-Phase angedacht. Das war also vor der Baryogenese, als es noch nicht einmal eine Trennung der fundamentalen Kräfte gab. Aber das hatte ich offensichtlich leider falsch verstanden.
 

TomS

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Schauen wir uns doch die Argumentation nochmal an:

Wenn die Materie aus der Ära vor der Inflation stammen würde, dann müsste zunächst mal eine lokale, reine Materiefluktuation vorhanden sein. Das erklärt zunächst mal gar nichts, denn wir haben weiterhin kein Modell, das diese Asymmetrie erklären könnte. Darüberhinaus müsste die heutige Materiedichte erklärbar sein; dies würde jedoch eine deutlich höhere Dichte vor der Inflation voraussetzen, wofür wir wiederum kein vernünftiges Modell haben. Darüberhinaus können wir berechnen, dass bestimmte topologische Feldkonfigurationen der elektroschwachen Eichfelder - sogenannte Sphaleronen - einen vorher vorhandenen Materieüberschuss wieder zerstören würden.

D.h. dass wir keine Erklärung kennen, die einen Materieüberschuss über die Inflationsphase hinweg bewahren könnte. Daraus folgt, dass wir eine Erklärung benötigen, wie der Materieüberschuss im Zuge des Endes der Inflation entstehen kann. Diese Erzeugung von Materie mittels der CP-Verletzungen des Standardmodells ist jedoch nach allen Berechnungen zu gering, um den heute sichtbaren Überschuss zu erklären (auch dabei ist der o.g. Zerfallsmechanismus über Sphaleronen zu berücksichtigen).

D.h. es wurden diverse Mechanismen im Detail untersucht, die jedoch allesamt keine ausreichende Erklärung liefern. Die Frage der Entstehung des Materieüberschusses ist weiterhin offen.
 
Zuletzt bearbeitet:

TomS

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... das die elektroschwachen Sphaleronen ... einen wie auch immer früher ... entstandenen Baryonenüberschuß, wieder entfernen würden. Ich weiß zwar immer noch nicht, wie das funktionieren soll ...
Zum ersten funktioniert das auch ohne die Sphaleronen nicht, denn wir kennen keinen Mechanismus, der überhaupt zu einem ausreichenden Materieüberschuss führen könnte. Alleine die Existenz einer derartigen Asymmetrie ist schon mal Spekulationen.

Zum zweiten kennen wir jedoch Mechanismen - die o.g. Sphaleronen - die einen derartigen Materieüberschuss zerstören würden.

Alle naheliegenden Ansätze sind untersucht und müssen - leider - verworfen werden.
 

mac

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Hallo TomS,

Diese Erzeugung von Materie mittels der CP-Verletzungen des Standardmodells ist jedoch nach allen Berechnungen zu gering, um den heute sichtbaren Überschuss zu erklären (auch dabei ist der o.g. Zerfallsmechanismus über Sphaleronen zu berücksichtigen).
eine Verständnisfrage, von jemandem der sich in dieser Materie wirklich nur sehr sehr grob auskennt:

Führt die CP-Verletzung wirklich zu einer (wenn auch zu geringen) unterschiedlichen Verteilung zwischen Protonen und Antiprotonen?

Und wenn ja, würde diese sich, bei anderen als den dafür angenommenen Zeiträumen, nicht auch zu unterschiedlich hohen Anreicherungen führen?

Herzliche Grüße

MAC
 

Protuberanz

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Natürlich ist es Spekulation, das bestreite ich nicht. Aber Sphaleronen sind ebenfalls nur hypotetisch, weil experimentell nicht nachgewiesen.
Aber bevor man eine lokalisierte Asymmetrie als mögliche Erklärung in Betracht zieht, ist es natürlich sinnvoller eine Mengen-Asymmetrie als Ursache für die für uns sichtbare Materie zu verwenden.
Wie erklärt sich der Umstand, das auf 1 Mrd Antiteilchen, 1 Mrd und 1 Teilchen entstanden sein sollen? Ist das keine CP-Invarianz?
Erklärungsversuche gäbe es schon dazu, sogar eine ganze Theorie, aber das ist Ketzerei, bzw. hier im Forum GdM. Deswegen werde ich das hier ganz sicher nicht ausrollen.
Das Standardmodell braucht die CP-Verletzung, denn sonst gäbe es keine Baryogenese.
 
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