Schon 1988 10.000 Menschen im All

Joachim

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Hallo Astrofreunde,

angespornt von einigen Fragestellungen hier im Forum habe ich mal ein Buch aus meiner Kindheit hervorgeholt. Das Buch ist von 1978 und heisst "Neues Wissen". Dort ist ein Konzept vorgestellt, wie Menschen ins All auswandern können.

Eine Tonne von 1-2 Kilometer Länge und 200 Metern Durchmesser wird am Lagrange-Punkt zwischen Sonne und Mond gebracht und simuliert dort mittels Rotation die Scherkraft. Die Tonnenwand besteht aus sechs Segmenten, die abwechselnd mit Fensterfläche und Ackerland/Wohnraum bedeckt sind. Drei grosse Spiegel reflektieren das Sonnenlicht 12 Stunden pro Tag in die Tonne, die anderen 12 Stunden ist es dunkel.

Die Prognose der Autoren: 10.000 Menschen werden schon 1988 von der Erde ausgewandert sein. Alle nötgen Technologien gibt es schon jetzt (1978) und die Finanzierung sowie kleinere Probleme (z.B. Strahlenbelastung) können leicht gelöst werden.

Nur ein Denk- und Diskussionsanstoss ;) von
Joachim
 

Bynaus

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Tja, erstens kommt es immer anders, und zweitens als man denkt...

Ich glaube zu beobachten, dass wir oft dazu tendieren, die nahe Zukunft zu überschätzen - aber die ferne Zukunft wird in der Regel stark unterschätzt! Zudem finden die grössten Fortschritte meist in Bereichen statt, an die man kaum denkt - wer hätte in den 70er Jahren schon das heutige Internet (Heimcomputer überhaupt), oder die Mobiltelefonflut vorher gesagt?

Ich glaube schon, das eines Tages viele Menschen ausserhalb der Erde leben werden - bestimmt nicht in 10 Jahren, und auch in 100 Jahren werden es kaum mehr sein als heute in der Antarktis - aber in 1000 Jahren? Da bin ich zuversichtlich.
 

Joachim

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Bynaus schrieb:
Ich glaube schon, das eines Tages viele Menschen ausserhalb der Erde leben werden - bestimmt nicht in 10 Jahren, und auch in 100 Jahren werden es kaum mehr sein als heute in der Antarktis - aber in 1000 Jahren? Da bin ich zuversichtlich.

Hallo Bynaus,

ich persönlich glaube eher, dass es nach einem Durchbruch schnell gehen wird. Es gibt nicht viele Gründe in die Antarktis zu ziehen, aber wenn es mal möglich sein wird eine Kolonie mit Gärten und Parks im Weltraum oder auf einem Planeten zu errichten, dann werden sich schnell viele Freiwillige und Abenteurer finden.

Was man aus diesem Beispiel lernen kann ist vielleicht, dass Probleme nie klein sind. Oder besser: Sie werden erst klein, wenn jemand eine Lösung gefunden hat, und das kann man nicht erzwingen. In diesem Fall liegt das Hauptproblem offenbar darin, dass man nicht genügend Baumaterial zu erschwinglichen Preisen in den Orbit bekommt. Potenzielle Weltraumtouristen gibt es genug, aber kaum einer kann es sich leisten.

Gruss,
Joachim
 

Bynaus

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Es kann schon sein, dass ein solcher Durchbruch bald kommt und sich das ganze Aufschaukelt... es könnte aber auch sein, dass im Zug einer kommenden Energiekrise die Prioritäten plötzlich ganz anders gesetzt werden.

Ein solcher Durchbruch wäre auf jeden Fall der Bau eines Orbitalseils (das wohl bald von dutzenden, hunderten gefolgt würde).
 

Joachim

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Was ich verschwiegen hatte: In dem Buch wird als Rohstoffquelle der Mond genannt. Der Lagrange-Punkt liegt vom Mond aus gesehen immer an der selben Stelle, denn der Mond zeigt uns ja immer die selbe Seite. Man könnte also, dem Buch zufolge, ein Katapult auf dem Mond bauen, das Baumaterial zum Lagange-Punkt schiesst.

Meines Erachtens liegt das Problem aber dann darin, erstmal Material zum Mond zu bringen, denn man kann schlecht ein paar Leute mit Spitzhacken und Spaten zum Mond schicken und erwarten, dass sie alles andere dort bauen. Man braucht zunächst eine solide Mondbasis mit Maschinen zum Abbau der Rohstoff und Hochöfen und und und...

Alles in Allem scheint es mir aufwändiger die Rohstoffgewinnung und Veredelung auf dem Mond aufzubauen, als erstmal eine einfach Station in einer höheren Umlaufbahn um die Erde zu bauen. ISS Mark II sozusagen.

Gruss,
Joachim
 

mac

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Ha!!!

ich wusste doch, dass ich diese Zeitschrift noch irgendwo habe! Manchmal ist meine Eichhörnchenmentalität auch nützlich (meistens jedoch füllt sie nur den Keller;) )


Hallo Joachim,

das war Bild der Wissenschaft Mai 1976

Der Artikel wurde geschrieben von:

Gerard K. O’Neill

Sein Titel war:
Umzug ins All
1988 verlassen die ersten 10000 Bürger die Erde

Was zunächst als „Spaß“ begann, wurde zur ernsten Angelegenheit, als die Rechenergebnisse vernünftig waren.

Nach fünf Jahren Arbeit an der Universität von Princeton folgten zwei Universitäts-Konferenzen. 1974 und 1975, über die Ergebnisse unserer Forschungen. Im Sommer 1975 diskutierten und analysierten bei einem Symposium im NASA-Ames Research Laboratory 28 Natur- und Sozialwissenschaftler sowie Ingenieure zehn Wochen lang das Projekt. … Sie kamen einhellig zu dem Schluß, dass das Projekt realisierbar ist.

Hier ein kleiner Ausschnitt der technischen Vorstellungen.

Nach dem jetzigen Stand unserer Forschung würde das Projekt Weltraum-Besiedelung mit einer kleineren Station beginnen, die am Lagrange-Punkt L5 in der Mondumlaufbahn errichtet wird.
Eine weitere Anfangsstation wird auf der Mondoberfläche gebaut. Die Gesamtmenge an Ausrüstungen, Vorräten und Wohnräumen für diese beiden Stationen wird zwischen 15000 und 50000 Tonnen liegen. Ein Shuttle oder ein vereinfachtes Fahrzeug wird dieses Materieal in einigen hundert Flügen zu den beiden Stationen schaffen. Bei täglichem Start, oder alle zwei Tage ein Start, würde diese erste Aufbauperiode etwa zwei Jahre dauern.

Der nächste Schritt ist der Bau einer Startbahn auf der Mondoberfläche. Prinzip Magnetschwebebahn.
Jeder dieser Schlitten wiegt etwa 5 kg Er wird beladen mit etwa 9 kg Mondoberflächenmaterial, … Der Schlitten wird über eine Strecke von 10 km magnetisch beschleunigt und am Ende seine Ladung zum selbständigen Weiterflug in den Weltraum freigeben. … Alle 150 Sekunden ein Schlitten

Er befördert damit bis zu 1 Million Tonnen Mondmaterial pro Jahr in den Weltraum.

Ist das lunare Materialpaket am Punkt L5 angekommen, so wird es in Metall, Glas, Keramiken und flüssigen Sauerstoff verwandelt. Abfallschlacken sammeln sich im Laufe der Jahre an und können zum Bau von Schutzschilden gegen kosmische Strahlung für die späteren Wohngebäude bei L5 Verwendung finden.

Aus dem gewonnenen Material werden riesige Zylinder gebaut, … Schon die erste dieser Einheiten der Weltraum-Besiedlung wird gigantische Ausmaße haben. Der Durchmesser des Zylinders beträgt 200 m, die Länge 1 km. … Die Kosten für die erste Station der Weltraum Besiedlung betragen etwa 96 Milliarden Dollar.

Als wirtschaftliche Basis war die Übertragung von Solarenergie via Mikrowellen auf die Erde gedacht. In einer Wirtschaftlichkeitsstudie war man zu der Überzeugung gelangt, mit diesen 96 Milliarden Dollar Einsatz, gegen rund 800 Milliarden Dollar Energiekosten durch konventionelle Produktion konkurrieren zu können. Langfristig mit einem Faktor 6 günstiger produzieren zu können.

Ich kann mich an diese Pläne noch erinnern. Es kam unter Anderem das Gegenargument der Gefährlichkeit einer solchen Mikrowellenbestrahlung.

Warum diese Pläne (vorläufig?) aber wirklich aufgegeben wurden, habe ich nicht mitbekommen.

Würde man die Weltraum-Alternative als Erschließung einer neuen Quelle unbegrenzter, sauberer Energie wählen, so wäre das eine weise Wahl. Bis jetzt deutet jedenfalls alles darauf hin, dass Sonnenenergie von erdsynchroner Umlaufstation, gebaut aus Mondmaterial am Punkt L5, auf der Erde weniger kostet als Energie aus bisherigen und zukünftigen alternativen Quellen.

Aus meiner Sicht ist der einzige, auch damals schon, grobe Unfug in diesem Artikel, die Behauptung, damit Überbevölkerung abbauen zu können.

Das meiste davon ist, bis auf die Zeitvorstellungen und die Fehleinschätzung zur Bereitschaft dafür Geld auszugeben, immer noch oder besser, wieder, aktuell.

Herzliche Grüße

MAC

PS Auf dem Titelbild ist eine Innenansicht zu sehen. Für damalige Möglichkeiten eine schöne graphische Arbeit. Wenn jemand von Euch bereit wäre das auf seiner Homepage zu zeigen, würde ich es einscannen und als jpg mailen.
 

Joachim

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Danke mac,

offenbar bezieht sich ein Buch auf die gleiche Quelle, gibt sie aber nur mit "Forscher der NASA" an. Auch in meinem Buch ist eine schöne Zeichnung dabei.

Ich weiss nicht, wie es mit dem Copyright aussieht. Darf man eine Zeitschrift-Kopie von 1976 einfach ins Netz stellen. Falls ja kann ich das machen.

Gruss,
Joachim
 

ChMessier

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Es ist immer wieder interessant, Aussagen über die Zukunft (damit meine ich keine astrologische Kaffeesatzlesereien, sondern einigermaßen ernsthafte Bemühungen) mit dem zu vergleichen, was wirklich eingetreten ist. Am besten sind noch Forscher dran, die sich auf langfristige Prognosen beschränken. Sie erfahren dann nicht mehr zu ihren Lebzeiten, welchen Mist sie prophezeit haben.
Apropos Mist. Um 1890 herum glaubte man, dass der Verkehr in New York im Jahre 1960 zusammenbreche müsse, da man dann nicht mehr wissen, wohin mit den vielen Pferdeäpfel, die beim Warentransport ständig anfallen.
 

mac

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Joachim schrieb:
Ich weiss nicht, wie es mit dem Copyright aussieht. Darf man eine Zeitschrift-Kopie von 1976 einfach ins Netz stellen. Falls ja kann ich das machen.
Hallo Joachim,

ich habe gerade eine diesbezügliche Anfrage an die Redaktion von Bild der Wissenschaft geschickt und hoffe natürlich auf einen positiven Bescheid.

Herzliche Grüße

MAC
 
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