Hallo Bynaus,
sicher man kann alles aus einer Perspektive sehen die SpaceX als grundlegend innovativ dastehen lässt. Die reinen Fakten allerdings geben das nur sehr begrenzt her, wenn man Elon Musks Publicity mal ganz aussen vor lässt und sich ausschliesslich auf das stützt was auch tatsächlich stattgefunden hat.
@Lina-Inverse: Es gab schon Zweifel an der grundsätzlichen Machbarkeit der Landung. So wurde das auch noch nie versucht - die Landung der ersten Stufe lässt sich kaum mit der Landung einer DC-X vergleichen.
Der Seitenhieb auf die DC-X ist unangebracht, nicht nur weil die Grösse wenig zum Problem beiträgt, sondern auch weil das Konzept sehr viel älter ist. Es gab um 1970 bereits die Idee die S-I in modifizierter Form als Erststufe für das Space Shuttle zu verwenden. Diese sollte dann horizontal landen (überstieg das NASA Budget und wurde schnell fallen gelassen). Die Idee die Erststufe zu recyclen ist also keineswegs neu; neu ist nur die praktische Umsetzung. Ob man nun vertikal oder horizontal landet, oder nur wassert wie beim SRB, ist absolut zweitrangig, es geht mir nur um die Wiederverwendung.
SpaceX hat - auch ohne Wiederverwendung - bereits heute die niedrigsten Startkosten auf dem amerikanisch/europäischen Markt. Gemäss Präsident Shotwell sollen die Preise für Starts mit wiederverwendeten Stufen um ca. 10% gegenüber dem "normalen" Preis sinken. Stärkere Senkungen sind erst auf lange Sicht möglich (ein Grund liegt wohl auch darin, dass SpaceX wegen den Entwicklungskosten neuer Technologie - Raptor, Mars-Programm, etc. - auch weiterhin einen enormen Geldbedarf hat). Ich denke, die Falcon 9 ist vor allem ein Testvehikel, das die grundsätzliche Machbarkeit nicht nur der Landung, sondern auch der Wiederverwendung von Stufen im Experiment und dann auch in der Praxis demonstriert. Sie soll zeigen, dass man Raketenstufen dutzende Male wiederverwenden kann.
Ob die Startkosten bei SpaceX wirklich signifikant niedriger sind ist schwer zu sagen; sicher die reinen Kosten für die Rakete sehen toll aus - nur geben alle anderen LSP die Startkosten inkl. Nutzlastintegration und Abwicklung an. Und der Preis den SpaceX für die F9 auf der Webseite angibt gilt für den Fall das die Nutzlast so klein ist das sie wieder landen können. Davon unberührt sind die Versicherungsprämien die wegen der schwächeren Zuverlässigkeit der F9 höher sein werden. Wieviel günstiger, wenn überhaupt, ein Start der F9 für eine konkrete Nutzlast ist kann man da mangels konkreter Informationen kaum sagen.
Dazu kommt das SpaceX mit seinem Launchmanifest Jahre im Rückstand ist - das kann jeden Startkostenvorteil bei weitem überwiegen. Ein Kommunikationssatelit der 2 Jahre länger auf den Start warten muss ist ausgefallenes Geld.
Das die Stufen "dutzende" Male wiederverwendet werden ist ökonomisch eher unwahrscheinlich, SpaceX selbst geht derzeit auch eher von ~10 Mal aus. Ob sich das so auch realisiert warte ich einfach mal ab. Bis jetzt ist ja noch keine Stufe ein Zweites Mal geflogen. Es spielt auch gar keine grosse Rolle ob es 3, 10 oder 50 Mal sind (1/x tendiert eben schon bei kleinen x gegen 0), weil mit steigender Anzahl der Wiederverwendungen sowieso die Inspektions- und Wiederaufarbeitungskosten dominieren - die sind es die die Rechnung entscheiden, und derzeit noch komplett unbekannt.
Für das Geld wir die Rakete nicht gebaut - sie wird nur teil-abgeschrieben! Zur Erinnerung: sie ist (nach Plan) tausendfach wiederverwendbar (zumindest der teuerste Teil, der Booster).
Denkst du eigentlich mal selbst über diese Ankündigungen nach? Nicht nur die angenommen Anzahl der Wiederverwendungen für sich genommen ist schon fragwürdig. Erstes kostet die Entwicklung bevor die Rakete das Erste mal fliegt. Zweitens bedeuten 1000 Starts selbst bei super-optimistischen Startraten (25 Starts pro Jahr) 40 Jahre Einsatzzeit. Drittens sind 140.000$ pro Passagier verdammt nah an den Treibstoff und Versorgungskosten für sich genommen. Viertens wäre ein Marstransferschiff ungefähr 1-2 Jahre unterwegs (hin+zurück), man brächte dann nur EINE einzige Rakete um bei 25 Starts pro Jahr mehrere Raumschiffe zu bedienen (je nach Anzahl der Tankflüge). Alles im Preis inbegriffen? Was Musk hier angibt sind die projektierten Grenzkosten; keine Zahlen die real erreichbar sind.
Für eine Firma, die 2002 gegründet wurde, haben sie in 14 Jahren bereits viel erreicht:
- Erste Firma, die eine komplett privat entwickelte Rakete in die Umlaufbahn beförderte
- Erste Firma, die eine selbst entwickelte (und von der NASA mitfinanzierte) Raumkapsel ins Weltall und zurück brachte
- Erste Firma, die eine Raumkapsel zur ISS geschickt hat
- Erste Firma, die eine erste Stufe einer orbitalen Rakete gelandet hat
- Erste Firma, die erfolgreich ein "full-flow" Methan-Triebwerk getestet hat
Es zahlt sich aus mal kurz ausserhalb der SpaceX Publicity zu denken. Was davon ist tatsächlich eine besondere Leistung? Werden die anderen Raketen etwa alle nicht von Firmen gebaut? Worin besteht die besondere Leistung die SpaceX von den anderen unterscheidet? Besteht sie nicht nur darin nicht in direktem Auftrag für Dritte gebaut zu haben, sondern "nur" um die Aufträge Dritter zu bekommen? Und das mit der "orbitalen" Stufe ist auch sehr geschicktes Verkaufen - bei der Stufentrennung ist die F9 noch meilenweit von orbitaler Geschwindigkeit entfernt; es spielt genau gar keine Rolle für die Landung wie schnell die Oberstufe da später noch wird. Ich muss sagen für eines muss man vor SpaceX wirklich den Hut ziehen: Publicity. Vergleich doch mal einfach Fakten (Starts, Fehlschläge/Erfolge mit anderen LSP). Wie, nur hinteres Mittelfeld?
Es gibt staatliche Raumfahrtagenturen, die haben in Jahrzehnten und mit weitaus mehr Geld nicht annähernd so viel erreicht.
Du kannst das Kind ruhig beim Namen nennen: NASA. Und ein Mitgrund ist natürlich keinesfalls darin zu suchen das mit jedem neuen Präsidenten das Programm auf den Kopf gestellt wird? Oder generell darin das bei den staatlichen Agenturen die Politik sich oft konträr zum effizienten Einsatz der Mittel einmischt?
Ich würde SpaceX nicht unterschätzen. Es dauert alles immer länger, als Elon Musk ankündigt (und einige angekündigte Dinge dauern sehr viel länger als andere), aber am Ende machen sie es dann (meistens) doch.
Bisher hat SpaceX seine technischen Entscheidungen jeweils *mehrfach* fast komplett revidiert bzw. komplett zum Fenster rausgeworfen. Falcon 1 bis zur begrabenen 1e. Falcon 5. Falcon 9 1.0 und 1.1. Von der "einfachen" Technik der Rakete die man ursprünglich propagiert hat ist nichts mehr übrig. Im Gegenteil das Merlin arbeitet mit einem ziemlich hohen Brennkammerdruck. Falcon 9-1.0 war von Anfang an zu klein in der Nutzlast, weshalb man dann auch schnell die Leistung steigern musste was zur 1.1 führte. Die hatte aber keine Reserven für die Landung zur Wiederverwendung, also musste nochmals die Leistung gesteigert werden = 1.2 oder FT wie sie nun heisst. Das ist für mich nicht gerade eine direkt zielstrebige Umsetzung.
Was irgendwie auch bisher niemanden gestört hat ist das SpaceX eigentlich gar kein geeignetes Triebwerk im Portfolio hat für eine Erststufe in der Grössenordnung 6000t. Das Raptor soll so grob das 3.5-fache vom Merlin an Schub bringen. Die F9 1.2 hat ein Startgewicht von ~700t mit 9 Triebwerken. Es bräuchte dann über 20 Raptor Triebwerke in der Erststufe um 6000t zu wuppen, man muss schon sehr viel Vertrauen haben um da nicht ein oder zwei schwere Fehlstarts in der Anfangsphase einzukalkulieren, inkl. ein oder zwei neuer Startanlagen
Ob SpaceX einen eventuellen Fehlschlag rein finanziell verkraften kann? Es gibt ja keine direkten Kunden für diese Riesenrakete, sie ist Elon Musks Weg einen Traum wahr zu machen.
Zu lang, weiter in Teil 2