LIGO: Erste direkte Beobachtung von Gravitationswellen

julian apostata

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Moin Delta3,
es macht nicht wirklich Spaß mit jemandem über dieses Thema zu diskutieren, der nicht mal das Originalpaper gelesen hat.

Es ist auch nicht besonders witzig, wenn man so was liest...

with a peak gravitational-wave strain of 1.0×10−21

...sich dann mit Bing eine Übersetzung holt...

mit einem Höhepunkt Gravitations-Welle Stamm von 1.0 × 10−21

...und dann der Laie mit einem Gravitationswellenstamm alleine gelassen wird.

Was zum Geier soll denn das sein?
 

ralfkannenberg

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Es ist auch nicht besonders witzig, wenn man so was liest...



...sich dann mit Bing eine Übersetzung holt...
Hallo Julian,

wie oft muss ich eigentlich noch schreiben, dass der Erwerb eines klassischen Lexikons Englisch-Deutsch und eines zweiten klassischen Lexikons Deutsch-Englisch, beide in Buchform und beide mindestens je 80000 Wörter, unabdingbar ist ?


Diese bing-Übersetzungen kannst Du auf diesem Niveau vergessen, sowas kann man brauchen, wenn man in einer Stadt ist und einen Passanten den Weg zum Bahnhof fragen muss.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

ralfkannenberg

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eines klassischen Lexikons Englisch-Deutsch und eines zweiten klassischen Lexikons Deutsch-Englisch, beide in Buchform und beide mindestens je 80000 Wörter,
Und da steht also:

strain: I. 1. Spannung, Zug; 2. techn. (verformende) Spannung, Verdehnung; 3. med. Zerrung; 4. Anstrengung, -spanning

u.s.w. u.s.w.

Ich denke, mit den beiden Übersetzungen bekommt man wenigstens eine Idee, um was es sich handeln könnte.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

RPE

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Wenn man nur die Gesamtmasse abschätzen kann, wie kommt man dann auf die einzelnen Massen (29 + 36 Mo)?

Delta, da musst du dich schon weiter durchhangeln durch die Referenzen für solche Fragen. Aus Ref [39] im Paper findest du:
http://arxiv.org/pdf/1602.03840v1.pdf
As the BHs get closer to each other and their velocities
increase, the accuracy of the PN expansion degrades,
and eventually the full solution of Einstein’s equations is
needed to accurately describe the binary evolution. This is
accomplished using numerical relativity (NR) which, after
the initial breakthrough [28–30], has been improved continuously
to achieve the sophistication of modeling needed
for our purposes. The details of the merger and ringdown
are primarily governed by the mass and spin of the final
BH. In particular, the final mass and spin determine the
(constant) frequency and decay time of the BH’s ringdown
to its final state [31]. The late stage of the coalescence allows
us to measure the total mass which, combined with
the measurement of the chirp mass and mass-ratio from the
early inspiral, yields estimates of the individual component
masses for the binary.


Sagt das nicht die ART voraus?
"die ART" sagt ja so einfach nix voraus. Simulationen unter Annahme der Gültigkeit von ART zeigen das meint Hr. Senf.
 

RPE

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Da ist erst die Rede von einem Signal, welches von 35 Hz auf 250 Hz ansteigt.
Und dann eine Gravitationswellenspannung von 10^-21???
Ich steh da hoffnungslos auf dem Schlauch.
Julian,
strain steht für relative Verformung in der Mechanik. Also um wieviel sich ein Körper pro Länge verformt.
Damit hat strain die SI-Einheit m/m = 1. Es wird aber auch oft explizit in mm/m etc. angegeben.

10^-21 kannst du demnach mit 4 km Armlänge multiplizieren und darüber staunen, um welchen winzigen Betrag die Gravitationswelle den kompletten Arm gestaucht bzw. gestreckt hat.
 

ralfkannenberg

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Da kommt mir nicht mal der Ansatz einer Idee. Da ist erst die Rede von einem Signal, welches von 35 Hz auf 250 Hz ansteigt.

Und dann eine Gravitationswellenspannung von 10^-21???

Ich steh da hoffnungslos auf dem Schlauch.
Hallo Julian,

ok, der nächste Schritt ist, vom Lexikon denjenigen Begriff zu nehmen, der "passt". In diesem Fall past wohl der Begriff aus dem technischen Bereich, also unter "2. techn.".

1. Da werden 2 Übersetzungen angegeben:
(verformende) Spannung
Verdehnung


2. Jetzt drehen wir den Spiess um und schauen, wie diese Worte ins Englische übersetzt lauten:

Spannung: da fängt 1. bereits mit technisch an und es werden sogar Teilbereiche genannt:

mechanische Spannung: tension
elastische Spannung: stress
verformende Spannung: strain
Druck, Gas: pressure

Bei der Verdehnung habe ich dann indes nichts passendes gefunden und bei nur "Dehnung" auch nicht.


3. Jetzt gehen wir in die Wikipedia, d.h. google (strain, Wikipedia).
Der 2.Hit lautet: Deformation (mechanics)


Und da findest Du m.E. alles, was Du brauchst.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

julian apostata

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Okay, ich bin dann gestern doch noch von alleine auf die Lösung gekommen und RPE und Ralf haben meine Vermutung bestätigt. Durch den "Gravitationswellenstamm" lief ich erst mal mit einem gewaltigen Brett vorm Kopf durch die Gegend. Dabei ist die Sache doch wirklich so was von simpel!

Aber kann es sein, dass hier so mancher Fachmann die Probleme unterschätzt, die beim Laien auftreten können, wenn er versucht, so ein Paper zu entschlüsseln?

Naja, ich werde die nächsten Tage mal versuchen, wie weit ich mit dem Text komme.

Und dass ein BH nicht das ist, woran viele zuerst denken, hab ich inzwischen auch schon raus gefunden. Es ist ein black hole!

Das ist aber eine der vielen Stolperfallen, woran der Laie scheitern kann. Und wenn's dann auch noch wirklich kompliziert wird, dann hat er eben keine Chance, da durch zu kommen.
 

DELTA3

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Danke Ralf für die Links in deinem Post #80. Da werden schon die meisten meiner Fragen beantwortet. Ich habe übrigens auch das von Frank genannte "Originalpaper" gelesen, und zwar schon bevor Frank das reklamiert hat. Zugegebenermassen nur den Abstract, der mir trotz meiner einigermassen brauchbaren Englischkenntnisse doch ziemlich unverständlich war. Auch nach nochmaligem Lesen konnte ich nicht herausfinden, wie man die Einzelmassen bestimmen konnte, da bleibt einem Laien wie mir halt einfach nur der 'Glauben' an die Wissenschaftler.

Gruß, Delta3
 

IceyJones

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das ist das generelle problem von fachveröffentlichungen. die bauen ja meist auf dutzenden anderen papern auf, die man zwar alle in den referenzen findet, aber kaum auch noch "erarbeiten" kann. diese bauen auch wieder auf anderen papern auf, etc....

einfach ist das alles nicht
 

ralfkannenberg

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da bleibt einem Laien wie mir halt einfach nur der 'Glauben' an die Wissenschaftler.
Hallo Delta3,

wenn Du in einem Forum über Herztransplantationen qualifiziert mitdiskutieren möchtest wirst Du vermutlich ein abgeschlossenes Medizinstudium vorweise können müssen.

Bei medizinischen Fragestellungen ist das irgendwie selbstverständlich, doch bei den Naturwissenschaften reklamieren die Laien, dass man alles so erklären müsse, dass auch die Laien das bis ins letzte Detail verstehen können.

Warum dieser Unterschied ?


Freundliche Grüsse, Ralf


P.S. Neben dem Abstract sollte man wenigstens auch noch die "Introduction" und die "Conclusion" durchlesen.
 

FrankSpecht

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Moin Delta3,
ich bitte um Entschuldigung für meinen "pampigen" Post gestern!
Ich versuche, es jetzt besser zu machen!
Auch nach nochmaligem Lesen konnte ich nicht herausfinden, wie man die Einzelmassen bestimmen konnte, da bleibt einem Laien wie mir halt einfach nur der 'Glauben' an die Wissenschaftler.
Die entscheidende Textstelle befindet sich auf Seite 3, 2. Absatz:
The basic features of GW150914 point to it being
produced by the coalescence of two black holes—i.e.,
their orbital inspiral and merger, and subsequent final black
hole ringdown. Over 0.2 s, the signal increases in frequency
and amplitude in about 8 cycles from 35 to 150 Hz, where
the amplitude reaches a maximum. The most plausible
explanation for this evolution is the inspiral of two orbiting
masses, m[SUB]1[/SUB] and m[SUB]2[/SUB], due to gravitational-wave emission. At
the lower frequencies, such evolution is characterized by
the chirp mass M [Anm.: es folgt eine Formel zur Bestimmung der Chirpmasse, die ich hier nicht darstellen kann],
where f and f[SUP]*[/SUP] are the observed frequency and its time
derivative and G and c are the gravitational constant and
speed of light. Estimating f and f[SUP]*[/SUP] from the data in Fig. 1,
we obtain a chirp mass of M≃ 30M[sub]⊙[/sub], implying that the
total mass M = m[SUB]1[/SUB] + m[SUB]2[/SUB] is ≳70M[SUB]⊙[/SUB] in the detector frame.
Also, man hat ein Signal gemessen, dass zu einem bestimmten Modell (eben jene Formel) zur Bestimmung der Chirpmasse passt. Diese Chirpmasse ist abhängig von den beteiligten Massen m[SUB]1[/SUB] und m[SUB]2[/SUB], der Gravitationskonstanten G, der Lichtgeschwindigkeit c und der Frequenz f. Aus der Art der Frequenzzunahme schließen sie auf jeweilige Massen der Schwarzen Löcher von etwa 30 Sonnemassen (beachte die Fehlertoleranz im Abstract).

Zu deiner anderen Frage:
Sagt das nicht die ART voraus?
steht gleich im ersten (!) Satz nach dem Abstract:
In 1916, the year after the final formulation of the field
equations of general relativity, Albert Einstein predicted
the existence of gravitational waves.
 
Zuletzt bearbeitet:

ralfkannenberg

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Patient tot, Herztransplantation fehlgeschlagen. Patient lebt, Herztransplantation erfolgreich.
Gravitationswelle gemessen, Patient lebt. Gravitationswelle nicht gemessen, Patient lebt.
Dewegen.
Hallo RPE,

ja, das hat natürlich was :)

Ich vergesse immer wieder, wie priviligiert wir eigentlich sind, dass unser Tun oder Versagen keine Todesopfer zur Folge hat.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

Herr Senf

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... Sagt das nicht die ART voraus?
Hallo DELTA3,

deswegen sagt man dazu auch "Entenbeweis":
Sieht aus wie eine Ente, watschelt wie eine Ente, schnattert wie eine Ente - also ist es eine Ente.
Sieht aus wie in der ART, läuft wie eine Welle und chirpt wie ein Merger - also ist es ein Zusammenstoß binärer SL.

Grüße Senf
Quelle: den Entenbeweis (Erfinder nicht recherabel) habe ich vor ein paar Tagen in einem anderen Blog aufgeschnappt
 

ralfkannenberg

Registriertes Mitglied
deswegen sagt man dazu auch "Entenbeweis":
Sieht aus wie eine Ente, watschelt wie eine Ente, schnattert wie eine Ente - also ist es eine Ente.
Sieht aus wie in der ART, läuft wie eine Welle und chirpt wie ein Merger - also ist es ein Zusammenstoß binärer SL.
Welch' wohltuende Worte, die mein Herz erfreuen :)

Noch 2 Enten warte ich ab, und dann möchte ich auch Eier (Weisse Zwerge-Paare) und Küken (Doppel-Pulsare) sehen - dann bin ich überzeugt.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

DELTA3

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@ Ralf:
wenn Du in einem Forum über Herztransplantationen qualifiziert mitdiskutieren möchtest wirst Du vermutlich ein abgeschlossenes Medizinstudium vorweise können müssen.

Kannst du mir dieses Forum nennen?

Wenn ich an Herztransplantationen interessiert wäre, würde ich mich dazu vorher etwas schlau machen. Wenn du mich für einen Deppen hältst, der hier in diesem Elite-Forum nichts zu suchen hat, dann hast du das ja hiermit klar gemacht. Frage mich nur, wozu dieses Forum dann da ist.

Gruß, Delta3
 

DELTA3

Registriertes Mitglied
Hallo Frank, Entschuldigung angenommen!
Estimating f and f* from the data in Fig. 1,
we obtain a chirp mass of M≃ 30M⊙, implying that the
total mass M = m1 + m2 is ≳70M⊙ in the detector frame.

Das habe ich auch gelesen und auch halbwegs verstanden. Aber wenn man in einer populärwissenschaftlichen Veröffentlichung ausführlich erklärt, wie man aus dem Anstieg der Frequenz die Gesamtmasse des Systems zu ~70M⊙ errechnet, und ausserdem die Einzelmassen mit 29M⊙ und 36M⊙ angibt, und nicht etwa 2mal 35M⊙ (bzw. 32,5), dann würde mich halt interessieren, wie man das aus dem gemessenen Signal errechnen kann. Darüber habe ich nichts gefunden.

Zu deiner anderen Frage:

Sagt das nicht die ART voraus?

Da ging es darum, dass ca. 5% der Gesamtmasse als Gravitationswelle abgestrahlt werden.

Wahrscheinlich kann man das nicht aus der ART entnehmen, weil Einstein damals vermutlich noch nicht an kollidierende SLs gedacht hat. Die wurden ja erst später von Schwarzschild und Kerr berechnet.

Gruß, Delta3
 
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FrankSpecht

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Eigenschaften von GW150914

Moin,
... dann würde mich halt interessieren, wie man das aus dem gemessenen Signal errechnen kann. Darüber habe ich nichts gefunden.
Um es kurz zu umreißen: Man weiß anhand des Modells (Chirp-Mass, bei Mergern allerdings komplexer), wie das Mergeverhalten verschiedener Massen aussehen muss. Aus den Messungen erhält man direkt die Parameter Frequenz, Amplitude, Zeitverlauf. Gravitationskonstante und Lichtgeschwindigket sind bekannt. Nun lässt man einen Computer, der mit allen möglichen Parametern gefüttert wurde, über ein statistisches Verfahren (Bayes-Theorem) die wahrscheinlichsten Massen errechnen.

Deswegen steht unter Fig. 1 des Originalpapers zur zweiten Bildreihe auch:
Solid lines show a numerical relativity waveform for a system with parameters consistent with those recovered from GW150914 confirmed to 99.9% by an independent calculation. Shaded areas show 90% credible regions for two independent waveform reconstructions.


Kennst du das Begleitpaper "Properties of the binary black hole merger GW150914" zum Originalpaper?
Hier findest du sehr detailliert die Ermittlung der Eigenschaften des beobachteten Mergers. Und den Satz (Seite 11, Summary):
We have reported the properties of GW150914 derived from a coherent analysis of data from the two LIGO detectors, based on the most accurate modelling of the coalescence signal as predicted by general relativity.
Fett von mir


PS: Mir fällt spontan ein Vergleich ein, der den Messvorgang vielleich vorstellbarer macht:Stell dir vor, du stehst irgendwo in einer Stadt und hörst neben dem Straßenlärm (Rauschen) mehrere Kirchen läuten (Gravitationswellen). Anhand der Lautstärke (Amplitude) der Glocken (Merger) kannst du nach deiner Erfahrung (Modell) grob abschätzen, wie weit entfernt ein bestimmtes Läuten ist. Anhand der Tonhöhe (Frequenz) der Glockenklänge und deren angenommene Entfernung kannst du auf die Größe der Glocken (Masse) schließen.
Hm - zuviel des Guten?
 
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FrankSpecht

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Moin,
Da ging es darum, dass ca. 5% der Gesamtmasse als Gravitationswelle abgestrahlt werden.
Wahrscheinlich kann man das nicht aus der ART entnehmen, weil Einstein damals vermutlich noch nicht an kollidierende SLs gedacht hat.
Doch, die 5% hätte man auch damals schon errechnen können.
Nur gab es zu der Zeit noch keinerlei Grund, das zu tun, weil die Hinweise auf so kompakte Massen wie Schwarze Löcher oder Neutronensterne eher "spärlich" waren.
Außerdem war die Messtechnik dafür noch nicht empfindlich genug; selbst Einstein zweifelte, dass gewisse Effekte (Gravitationslinsen von fernen Objekten, Gravitationswellen) jemals messbar/sichtbar sein würden.

Man muss sich natürlich auch bewusst sein, dass Anfang des 20. Jahrhunderts die einzige bekannte Galaxie die Milchstraße war :eek:
 
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