VLT: Der enge Tanz zweier Riesensterne

astronews.com Redaktion

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Mithilfe des Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO haben Astrononen ein extrem massereiches Doppelsternsystem entdeckt, dessen Partner sich so nahe sind, dass sie sich schon berühren. Das Duo dürfte entweder zu einem noch größeren Stern verschmelzen oder zu einem Paar aus Schwarzen Löchern werden. (21. Oktober 2015)

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Spock

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.... Vielmehr teilen sie sich einen Teil ihrer Hülle - die Astronomen schätzen diesen Anteil auf etwa 30 Prozent. Die Beobachtung solcher Systeme gelingt nur äußerst selten, da eine solche Entwicklungsphase sehr kurz ist. ...
Hallo,
wenn man von "sehr kurzer" Entwicklungsphase spricht, in welcher Größenordnung bewegt man sich dann? Eher im mehrjährigen Bereich oder doch eher Richtung einige Tausend Jahre?
 

ralfkannenberg

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Hallo,
wenn man von "sehr kurzer" Entwicklungsphase spricht, in welcher Größenordnung bewegt man sich dann? Eher im mehrjährigen Bereich oder doch eher Richtung einige Tausend Jahre?
Hallo Spock,

solche Sterne halten sich nicht so lange auf der Hauptreihe auf, typischerweise im einstelligen Myr-Bereich (1 Myr = 1 Million Jahre). Das passt auch gut zum geschätzten Alter der beiden Sterne, welches bei rund 3 Millionen und rund 2 Millionen Jahren liegt.

Ich konnte nun auf die Schnelle nicht finden, was die Verweildauer einen O7-Sternes auf der Hauptreihe ist; daraus kannst Du dann die Restlebensdauer abschätzen. Noch unklar ist, ob beide Komponenten verschmelzen oder ob sie zwei getrennte Endprodukte bilden, und je nachdem, wieviel Material die beiden noch loswerden können, könnte vermutlich auch ein Paar von Neutronensternen verbleiben. Vermutlich benötigt man hierfür aber noch viel mehr Beobachtungsdaten, da es heute für massereiche Sterne nach wie vor nur sehr grob verstanden ist, wieviel Material sie in den interstellaren Raum abzublasen imstande sind.

ich persönlich tendiere dazu, hier konservativ zu schätzen, da sich die theoretische Masse, die so ein Stern abzublasen imstande ist, alle 5 Jahre nahezu verdoppelt. Derzeit liegt schon die Maximalmasse für einen Stern, der sich zu einem Weissen Zwerg - also keineswegs einem Neutronenstern und schon gar nicht zu einem Schwarzen Loch - weiterentwickelt, bei ~10.5 Sonnemassen.


Freundliche Grüsse, Ralf
 
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Spock

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Hallo Ralf,

ja, solchen Riesen ist ein vergleichsweise kurzes Leben beschert, wie ich bisher nachlesen konnte. Je größer, desto intensiver, desto kürzer.

Ich hatte unter "kurzer Entwicklungsphase" eigentlich die Dauer des innigen Verhältnisses beider Sterne verstanden, also wie lange wird deren letzter Kuss wohl dauern bis zum Finale?

Nochmal nachgedacht ist es ja auch eigentlich gar keine Entwicklungsphase, sondern eher ein momentaner Zustand. Die Frage würde ich mir dann so beantworten: es gibt ja kaum etwas, was die beiden abbremst. Also kreisen beide solange umeinander, bis ihr natürliches Ende naht bzw. sich der einzelne Stern nicht mehr im Gleichgewicht befindet. Ich vermute, dass aber auch während des Veränderungsprozesses in mehreren Millionen Jahren beide Sterne sich weiter umkreisen werden und wenn sie sich nicht gänzlich in alle Richtungen wegsprengen, dürften auch Ihre Überreste (also Neutronenstern, schwarzes Loch, eben die getrennten Endprodukte, wie Du geschrieben hattest) sich bis in alle Ewigkeit weiter umkreisen.

Es sei denn, sie würden verschmelzen. Aber das wiederum müsste bedeuten, dass sie sich immer näher kommen müssten (ihre "Umkreisungsgeschwindigkeit" würde also doch abgebremst), bis beide Kerne eben tatsächlich verschmelzen würden und sich eine gemeinsame Schale bildet. Aber vermutlich auch dieses Szenario dürfte sich nicht schon in wenigen (tausend) Jahren ereignen, sondern eher in Richtung Myr.
 

ralfkannenberg

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Aber vermutlich auch dieses Szenario dürfte sich nicht schon in wenigen (tausend) Jahren ereignen, sondern eher in Richtung Myr.
Hallo Spock,

vermutlich ist es genau so, wie Du schreibst, aber die Beobachtungsdaten erscheinen mir noch nicht gut genug, jedenfalls wird diese Frage im Preprint offen gelassen. Vielleicht haben wir ja Glück und die beiden stossen schon morgen zusammen, das wäre aus wissenschaftlicher Sicht natürlich ein riesiges Glück, wenn man gerade am Verschmelzungstag das Fernrohr und die anderen Instrumente auf sie richtet.

Es gibt übrigens einen sehr interessanten Preprint eines Dreifachsternsystems mit einem Neutronenstern und zwei Weissen Zwergen (PSR J0337+1715), da sind auch alle Zwischenstadien aufgelistet. Das wurde hier im Forum erörtert: Millisekunden-Pulsar: Trio als Test für Relativitätstheorie


Freundliche Grüsse, Ralf
 
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Spock

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... Vielleicht haben wir ja Glück und die beiden stossen schon morgen zusammen, das wäre aus wissenschaftlicher Sicht natürlich ein riesiges Glück, wenn man gerade am Verschmelzungstag das Fernrohr und die anderen Instrumente auf sie richtet. ...
Quasi wie drei Sechser mit Zusatzzahl in Folge :)
 

Kibo

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Besteht eine Chance, das sich hier eine nackte Singularität bildet? (falls es so etwas überhaupt gibt)
 

Spock

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...
Es gibt übrigens einen sehr interessanten Preprint eines Dreifachsternsystems mit einem Neutronenstern und zwei Weissen Zwergen (PSR J0337+1715), da sind auch alle Zwischenstadien aufgelistet. Das wurde hier im Forum erörtert: Millisekunden-Pulsar: Trio als Test für Relativitätstheorie...
Danke für den Link. Könnte ein mögliches Schicksal für das Duo sein: 2 schnell rotierende Pulsare, die sich weiter umkreisen.
Vermutlich standen sich das Trio aus dem Preprint vor Millionen von Jahren mit ihren Oberflächen auch mal sehr nahe. Wäre interessant herauszubekommen, wer zuerst die Biege gemacht hat: der Weiße Zwerg oder einer der Pulsare. Wenn alle 3 Sterne zur gleichen Zeit aus einer Gaswolke entstanden sein sollten, dann müssten ja die beiden Pulsare zuerst entstanden sein, da sie ja nur aus sehr massereichen Sternen entstehen können, und die haben eben ein kürzesres Leben. Aus der kleineren "Sonne" folgte dann viel später der weiße Zwerg, wobei dieser sich vorher ja noch zu einem Roten Riesen aufgebläht und wenigstens seinen nächsten Begleiter (Pulsar) mit eingehüllt haben müsste - wenn ich die Stadien der Sternenleben richtig verstehe.
Interessant dabei ist aber noch, dass beide Pulsare durch eine Supernova entstanden sein müssen. Dieses Ereignis müsste doch eine enorme Impulskraft auf die beiden anderen Sterne ausgeübt haben und trotzdem konnten sie sich gravitativ halten.

Wäre ja jetzt spannend zu erfahren, was bei den beiden sich küssenden Sternen aus VFTS 352 passiert, wenn einer zuerst zur Supernova würde. Wird der andere weggeschleudert oder gleich mit angesteckt, sich in einer Supernova zu ergießen?

Schöne Grüße

PS: Mh, das gehört eher wieder hierhin: http://www.astronews.com/forum/show...sar-Trio-als-Test-f%FCr-Relativit%E4tstheorie
Hiere hattest Du (Ralf) ja auch schon ähnliches überlegt, habe ich gerade jetzt erst richtig gelesen.

(PSS: Man muss hier aber ganz schön schnell tippen, das System schmeißt einen ja frühzeitig aus dem Login raus.)
 
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ralfkannenberg

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Danke für den Link. Könnte ein mögliches Schicksal für das Duo sein: 2 schnell rotierende Pulsare, die sich weiter umkreisen.
Hallo Spock,

hier gibt es mehrere solcher Beispiele.

Vermutlich standen sich das Trio aus dem Preprint vor Millionen von Jahren mit ihren Oberflächen auch mal sehr nahe. Wäre interessant herauszubekommen, wer zuerst die Biege gemacht hat: der Weiße Zwerg oder einer der Pulsare. Wenn alle 3 Sterne zur gleichen Zeit aus einer Gaswolke entstanden sein sollten, dann müssten ja die beiden Pulsare zuerst entstanden sein, da sie ja nur aus sehr massereichen Sternen entstehen können, und die haben eben ein kürzesres Leben. Aus der kleineren "Sonne" folgte dann viel später der weiße Zwerg, wobei dieser sich vorher ja noch zu einem Roten Riesen aufgebläht und wenigstens seinen nächsten Begleiter (Pulsar) mit eingehüllt haben müsste - wenn ich die Stadien der Sternenleben richtig verstehe.
Das ist auf Seite 3 des Preprintes sogar mit mehreren Bildern näher beschrieben:

Formation of the Galactic Millisecond Pulsar Triple System PSR J0337+1715 - a Neutron Star with Two Orbiting White Dwarfs (Thomas Tauris, Ed van den Heuvel)


(PSS: Man muss hier aber ganz schön schnell tippen, das System schmeißt einen ja frühzeitig aus dem Login raus.)
Das ist mir früher auch passiert, aber es gibt beim Anmelden die Möglichkeit, dauerhaft eingeloggt zu bleiben, das ist die kleine Checkbox unten links "Angemeldet bleiben?".


Freundliche Grüsse, Ralf
 

Spock

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Ah, das Preprint muss man erst downloaden, um alles sehen zu können. Jetzt sehe ich auch die Bildchen. Ich hatte nur den direkten Artikel gelesen.
Na ja, mein Englisch ist da eher noch ausbaufähig.

Aus den Bildern geht ja schonmal hervor, dass eine SN keinen besonderen Einfluss auf die gravitative Wirkung der Sterne zueinander zu haben scheint. Hätte ich jetrzt nicht gedacht.
 
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ralfkannenberg

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Na ja, mein Englisch ist da eher noch ausbaufähig.

Aus den Bildern geht ja schonmal hervor, dass eine SN keinen besonderen Einfluss auf die gravitative Wirkung der Sterne zueinander zu haben scheint. Hätte ich jetrzt nicht gedacht.
Hallo Spock,

dieser Abschnitt im paper ist eigentlich eine der besten Zusammenfassungen zu diesem Thema, die ich kenne, und ich denke, es lohnt sich, Kaptitel 2 in Ruhe durchzulesen, durchzuarbeiten und zu verstehen. Ich habe mir mehrere Tage dafür Zeit genommen, man hat da ja keine Eile. - Da kommen nämlich ganz unterschiedliche Szenarien zur Anwendung, da werden Sternen die Hüllen abgesogen, da blähen sich Sterne soweit auf, dass die ein oder beide anderen in der Hülle liegen (ok, die Dichte so einer Hülle ist nicht sonderlich hoch, aber trotzdem) u.s.w.

Wenn Du bei einer Übersetzung nicht ganz klar kommst oder Du eine Abkürzung nicht verstehst - die meisten werden allerdings im Artikel selber erklärt, kannst Du ja gerne nachfragen.

Und wenn man das dann gut verstanden hat, dann wird auch klarer, nach welchen Methoden die Überlegungen zum aktuellen Sternsystem durchgeführt warden.


Freundliche Grüsse, Ralf
 
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