Hi,
ich finde die Diskussion hier spannend und zögere, sie durch eine Antwort auf Hansjörgs Beitrag zu stören. Wie auch immer: Tom sagt, wenn am über Physik redet, betreibt man Philosophie im weitesten Sinne. Mag sein. Ich denke aber, hier geht es darum, ob Philosophie (im speziellen "transzendentaler Konditionalismus") etwas zur Physik beitragen kann.
Meine Meinung:
Vor jeder grundlegend neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnis stand ein philosophisches Vorwissen, Annahmen über die Welt, Prämissen der Erkenntnis. Z.B. als Newton – der Legende nach – einen Apfel vom Baum fallen sah, erkannte er, dass dasselbe, was den Apfel auf den Boden fallen ließ als universelles Gesetz auch die Planeten auf ihren Bahnen bestimmt. Das ist ein philosophisches Vorwissen – eine philosophische Propädeutik eines naturwissenschaftlichen Wissens. Das mathematisch ausformulierte Gravitationsgesetz war dann „Physik“.
Ich könnte versuchen, das als Gliederung der Arbeit eines Physikers zu deuten: erst die philosophische Erkenntnis, dann die exakte Formulierung. So wäre das einigermaßen haltbar und man müsste sich nur noch streiten, ob einem die Begriffsdefinitionen gefallen.
Es sieht mir aber schwer danach aus, dass du eher meinst:
- die geniale Erkenntnis, die die Physik voranbringt, wird vom Philosophen beigesteuert. Der Philosoph ist dabei Philosoph nach Ausbildung (Universität würde ich hier erwarten) oder nach Neigung (typischerweise Rentner mit technischer, aber leider nicht physikalischer Ausbildung).
- Der Physiker ist dann der Rechenknecht, der die tolle Propädeutik des genialen Philosophen in eine Formel gießt.
Das ist hoffnungslos weltfremd und naiv. Es verwundert nicht, dass eine solche Sicht der Dinge hauptsächlich von Philosophen geäußert wird - insbesondere von Philosophen nach Neigung, nicht nach Ausbildung.
Die Erfahrung lehrt vielmehr, dass der Philosoph exakt
gar nichts zur zeitgenössischen Physik beiträgt. Nun, warum ist das so? Woher diese eklatante Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit?
Hier ist ein Zitat angebracht, das Einstein zugeschrieben wird:
"Der gesunde Menschenverstand ist eigentlich nur eine Anhäufung von Vorurteilen, die man bis zum 18. Lebensjahr erworben hat."
Dem reinen Philosophen steht nicht mehr zur Verfügung als dieser gesunde Menschenverstand. Er glaubt, durch Anwendung seiner messerscharfen Logik, im Ohrensessel bei einem Glas Rotwein sitzend, die Rätsel der Welt lösen zu können. Eine bezaubernde Vorstellung, die nicht wenige sich "Philosoph" hat nennen lassen.
Das Problem dabei: Seit
Jahrhunderten gibt es "gesichertes Wissen" über die Welt, das dieser Philosoph mangels physikalischer Ausbildung schlicht und einfach nicht kennt. Mehr noch: vor gut 100 Jahren hat sich gezeigt, dass ein Verständnis der Welt einige Abstraktionsschichten erfordert, die weder durch noch so intensives Nachdenken erkennbar sind noch in der Schule gelehrt werden. Nur als Beispiel: Auf die Ultraviolettkatastrophe kommt man auch nach 100 Jahren im Ohrensessel nicht. Geht nicht. Kein noch so schlaues Nachdenken kann einem das beibringen.
Der Mensch ist ausgesprochen schlecht darin, seine eigenen Fehler zu erkennen -zum Glück! Auch der Philosoph. Er mag nachdenken wie er will, er wird seine Fehler nicht finden, das kann er gar nicht. Stattdessen wird er -ismen produzieren in seiner eigenen Welt.
Es braucht einen von außerhalb, der einem - mit dem richtig dicken Knüppel - seine Fehler austreibt. Das ist die Natur, das Experiment. Sei es real oder als Gedankenexperiment. Und das ist der Vorteil, den der Physiker hat und braucht, um nützlich zu sein: Auch er denkt sich irgendwelche Sachen aus, aber dann fragt er, ob das denn wirklich so ist. Oder ob das so sein könnte, wenn man die heutigen Theorien zugrunde legt. Dabei zeigt sich, dass 99% der Ideen einfach für die Mülltonne sind. Schön vielleicht, aber leider nicht richtig.
Dem Philosophen fehlt die Fähigkeit, das zu unterscheiden, deswegen kommt er nicht weiter. Er hängt fest in seinen "Denknotwendigkeiten", die er als Basis braucht, die aber auch seit Menschengedenken als bloße Vorurteile entlarvt wurden. Ein schönes Beispiel ist, wie Hansjörg hier den "Raum" gebraucht. Noch nie was von Relativität gehört, scheint es. Immer noch Kant, der euklidische Raum sei denknotwendig. Gut, vielleicht nach dem Hörensagen dazugelernt, dass der Raum auch nichteuklidisch sein könnte, aber immer noch ist es der Raum, der existiert.
Was ist mit Raumzeit? Was ist, wen man spekulativer weiterdenkt, mit dem holographischen Universum? Nix ist damit, das kennt der Philosoph leider nicht. Er kennt nur den gesunden Menschenverstand, und da sind solche Dnge nicht vorgesehen.