Was haltet ihr vom Transhumanismus?

Mahananda

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Hallo Ralander,

Ray Kurzweil ist anerkannter Experte in Bezug auf ...

Toll, das beeindruckt mich ungemein! Dennoch ist das, was er in seinem Buch "Homo s@piens" schreibt, auf einem Level mit schlechter Science Fiction. Gehirnscanning bleibt Utopie, und das ist auch gut so! :)

Was man vielleicht irgendwann mal hinkriegt, ist ein künstliches Gehirn, das in der Lage ist, ein Bewusstsein zu simulieren. Was jedoch die Wahrnehmungen und das Lernen betrifft, muss es das mit Hilfe eines ebenfalls simulierten Körperempfindens selbstständig tun. Reines Faktenwissen lässt sich problemlos speichern und via Internet und Co. verfügbar machen.

Worauf es ankommen wird, ist die Verinnerlichung gemachter Erfahrungen. Und da wird man um ein wie auch immer geartetes Körperempfinden nicht herumkommen. Und so etwas lässt sich nun mal nicht scannen, indem man Neuronen scannt. Wenn es richtig ist, dass Neuronenaktivität nur über Quantenmechanik beschreibbar ist, dann macht die Unschärferelation jeglichen Scanning-Bemühungen von vornherein einen dicken Strich durch die magere Rechnung ...

Viele Grüße!
 
R

Ralander

Gast
Hallo Mahananda,

Was jedoch die Wahrnehmungen und das Lernen betrifft, muss es das mit Hilfe eines ebenfalls simulierten Körperempfindens selbstständig tun....

Worauf es ankommen wird, ist die Verinnerlichung gemachter Erfahrungen. Und da wird man um ein wie auch immer geartetes Körperempfinden nicht herumkommen.

Selbstverständlich benötigt ein Wesen, welches über ein Bewusstsein und Intelligenz auf technologischer Basis verfügt, einen Körper.
(dieses wichtige Thema wurde übrigens ausführlich von Kurzweil behandelt)

Ein solches hochintelligentes Wesen ohne Körper, das würde ja fast an Körperverletzung grenzen! :)

Jetzt aber im Ernst:

Ein solches Wesen benötigt als fundamentale Voraussetzung einen Körper (Avatar)!
Es benötigt Input und Output, um in einer komplexen Welt selbständig zu lernen und zu interagieren!

Und hier ein paar ganz konkrete Beispiele dazu. Die Technologie gibt es schon heute in Teilbereichen:

Avatar:
http://phys.org/news/2012-02-japan-scientist-avatar-robot.html

Input:
http://www.planet-wissen.de/natur_technik/sinne/hoeren/hoeren_cochlea.jsp

Output:
http://www.pressestelle.tu-berlin.d...t_schnittstelle_zwischen_mensch_und_prothese/

In ein paar Generationen wird all dieses eine Selbstverständlichkeit sein !!
 

Wirbelwind

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Hallo Ralander,


Ein solches Wesen benötigt als fundamentale Voraussetzung einen Körper (Avatar)!
Es benötigt Input und Output, um in einer komplexen Welt selbständig zu lernen und zu interagieren!

Und hier ein paar ganz konkrete Beispiele dazu. Die Technologie gibt es schon heute in Teilbereichen:

Avatar:
http://phys.org/news/2012-02-japan-scientist-avatar-robot.html

Input:
http://www.planet-wissen.de/natur_technik/sinne/hoeren/hoeren_cochlea.jsp

Output:
http://www.pressestelle.tu-berlin.d...t_schnittstelle_zwischen_mensch_und_prothese/

In ein paar Generationen wird all dieses eine Selbstverständlichkeit sein !!

Alles vorstellbar. Was ich mir hingegen nicht vorstellen kann, ist das vollständige Auslesen aller relevanten Gerhirninhalte.

Viele Grüße
Wirbelwind
 

Mahananda

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Hallo Ralander,

Ein solches Wesen benötigt als fundamentale Voraussetzung einen Körper (Avatar)!

Schön. Nur, dass dieser "Körper" mit dem Körper, dessen Gehirn gescannt werden soll, nichts zu tun hat. Mein Einwand bezog sich eben auf dieses Scanning-Verfahren. Man kann vielleicht Neuronen scannen, um sie irgendwo an anderer Stelle nachzubauen (stelle ich mir insofern problematisch vor, weil man das biochemische Grundgerüst, das auf Proteinen und anderen organischen Chemikalien beruht, in ein anderes - nicht auf Proteinen etc. beruhendes analog transformieren müsste - aber das nur nebenbei ...).

Was man jedoch nicht scannen kann, ist die "Bedeutung" der jeweils aktuellen Neuronenaktivität, weil diese sich aus einem Interaktionsgefüge ergibt, das den gesamten Kortex umfasst. Insofern kann es keine Persönlichkeitsverdopplung durch Übertragung der Neuronenaktivität einer Person auf ein anderes, künstliches Gehirn geben, welches einen eigenen Wahrnehmungskontext hat.

Wenn es irgendwann künstliche Gehirne mit eigenem "Körper" geben wird (was nicht ausgeschlossen werden kann), dann entwickelt jedes eine eigene Persönlichkeit, die sich aus der Interaktion mit der Umwelt auf jeweils individuelle Weise ergibt. Eine Gedankenübertragung findet dann über Kommunikation statt, nicht aber über Gehirn-Scanning - so, wie wir z.B. mit anderen Menschen sprechen oder deren Aufzeichnungen lesen - meinetwegen vermittelt über digitale Netzwerke o.ä.

Viele Grüße!
 

Mahananda

Registriertes Mitglied
Hallo Wirbelwind,

Was ich mir hingegen nicht vorstellen kann, ist das vollständige Auslesen aller relevanten Gerhirninhalte.

Nicht nur das. Welche Gehirninhalte werden auf welcher Grundlage und nach welchen Kriterien als "relevant" bzw. "irrelevant" beurteilt? Ich denke, dass man da nicht einfach willkürlich trennen kann, weil das Gehirn - nicht ohne Grund - organisch mit dem übrigen Körper verwachsen ist, den es simuliert. Auf ein künstliches Gehirn trifft das nicht zu, so dass wir hier bereits eine Disproportionalität haben, die diverse Probleme bezüglich eines Gehirn-Scannings nach sich zieht.

Viele Grüße!
 

Wirbelwind

Registriertes Mitglied
Nicht nur das. Welche Gehirninhalte werden auf welcher Grundlage und nach welchen Kriterien als "relevant" bzw. "irrelevant" beurteilt?

Gehen wir mal von dem allereinfachsten Modell aus, nach dem das Gehirn aus Neuronen und Synapsen (also Verbindungen zwischen Nueronen) besteht. Die Neuronen haben jeweils irgendeinen internen Zustand, und auch die Synapsen haben jeweils irgendeinen Zustand (Stärke der Verbindung).

Selbst wenn man dieses allereinfachste Modell zugrunde legt, ist mir völlig schleierhaft, wie ein komplettes Auslesen dieser Informationen (am besten zerstörungsfrei) funktionieren soll. Es gab zwar in den letzten Jahrzehnten gewisse Fortschritte auf dem Gebiet der bildgebenden Verfahren, aber wir sind doch noch astronomisch weit davon entfernt, auf Grundlage von Absorptionsprofilen einzelne Neuronen und Synapsen sowie deren Zustände darstellen zu können.

Ich denke, dass man da nicht einfach willkürlich trennen kann, weil das Gehirn - nicht ohne Grund - organisch mit dem übrigen Körper verwachsen ist, den es simuliert. Auf ein künstliches Gehirn trifft das nicht zu, so dass wir hier bereits eine Disproportionalität haben, die diverse Probleme bezüglich eines Gehirn-Scannings nach sich zieht.

Die "Interfaces" zwischen Gehirn und Körper müsste man natürlich in irgendeiner Form simulieren. Das viel größere Problem sehe ich aber darin, überhaupt erstmal den genauen Zustand des Gehirns auszulesen (siehe oben). Und das wäre ja die Grundvoraussetzung, um überhaupt einen "Gehirn-Upload" in eine Simulationsumgebung durchführen zu können.

Es wird übrigens geschätzt, dass das Gehirn eines erwachsenen Mensch so etwa 10^11 Neuronen und 10^14 Synapsen enthält. Selbst wenn man annimmt, dass sich der Zustand eines Neurons und einer Synapse in nur wenigen Bytes beschreiben lässt, kommt man da ganz schnell in den Bereich von 2 Petabyte an Daten. Zwar wird es in absehbarer Zeit möglich sein, solche Datenmengen zu Speichern und auch in Echtzeit darauf zuzugreifen, aber diese enorme Datenmenge muss ja eben zunächst einmal aus dem Gehirn extrahiert werden. Und das war jetzt schon so ziemlich das einfachste Modell. Wenn die Zustände von Neuronen und Synapsen sich nicht innerhalb weniger Bytes darstellen lassen, können die Datenmengen auch noch um ein Vielfaches größer werden.

Viele Grüße
Wirbelwind
 

Mahananda

Registriertes Mitglied
Hallo Wirbelwind,

Es wird übrigens geschätzt, dass das Gehirn eines erwachsenen Mensch so etwa 10^11 Neuronen und 10^14 Synapsen enthält.

Das heißt also, pro Neuron etwa 1000 Synapsen, die sich wechselseitig verstärken oder hemmen und somit eine Vielzahl von möglichen Folgereaktionen in den nachgeschalteten Neuronen auslösen können. Je nachdem, wie sich die einströmenden Reize summieren, werden wahlweise völlig verschiedene Weiterleitungen, Verknüpfungen usw. aktiviert, die ihrerseits das Verhalten des nächsten bzw. der nächsten Neuronen beeinflussen. So etwas kriegt man nicht eben mal mit ein paar Bits hin.

Berücksichtigt man weiterhin, dass die Gehirnleistungen auch dadurch zustande kommen, dass mit mehrfacher Redundanz gearbeitet wird - was sich z.B. in der Auslösung verschiedener Assoziationsketten zeigt, wenn man seinen (gleichen Ausgangs-)Gedanken zu verschiedenen Gelegenheiten freien Lauf lässt - dann lässt sich aus dem möglicherweise gescannten Erregungsmuster schon mal gar nichts Eindeutiges ableiten, was sich im Sinne einer Übertragung auf ein anderes Medium verwerten ließe. Von daher bleibt so etwas Science Fiction der schlechteren Sorte ...

Viele Grüße!
 

Wirbelwind

Registriertes Mitglied
Hallo Mahananda,

Das heißt also, pro Neuron etwa 1000 Synapsen, die sich wechselseitig verstärken oder hemmen und somit eine Vielzahl von möglichen Folgereaktionen in den nachgeschalteten Neuronen auslösen können.

Richtig, im Durchschnitt etwa 1.000 wird derzeit geschätzt. Wobei die tatsächliche Anzahl Synapsen pro Neuron stark variiert. Es gibt also auch Neuronen mit deutlich weniger als 1.000 Synapsen und andere mit deutlich mehr als 1.000 Synapsen.

Je nachdem, wie sich die einströmenden Reize summieren, werden wahlweise völlig verschiedene Weiterleitungen, Verknüpfungen usw. aktiviert, die ihrerseits das Verhalten des nächsten bzw. der nächsten Neuronen beeinflussen.

Hierzu kenne ich den aktuellen Forschungsstand nicht genau. Ob die Neuronen wirklich als eine Art "Router" agieren, der ja nach Einganspfad unterschiedliche Ausgangspfade wählt, weiß ich nicht. Im einfachsten Fall wären auch deutlich primitivere Neuronen denkbar.

So etwas kriegt man nicht eben mal mit ein paar Bits hin.

Nein, Dein Router-Neuronenmodell sicherlich nicht. Dafür würde man zumindest eine Art Routing-Tabelle benötigen.

Berücksichtigt man weiterhin, dass die Gehirnleistungen auch dadurch zustande kommen, dass mit mehrfacher Redundanz gearbeitet wird - was sich z.B. in der Auslösung verschiedener Assoziationsketten zeigt, wenn man seinen (gleichen Ausgangs-)Gedanken zu verschiedenen Gelegenheiten freien Lauf lässt - dann lässt sich aus dem möglicherweise gescannten Erregungsmuster schon mal gar nichts Eindeutiges ableiten, was sich im Sinne einer Übertragung auf ein anderes Medium verwerten ließe.

Reine Erregungsmuster reichen meiner Ansicht nach hinten und vorne nicht aus, um die exakte Synapsenkonfiguration zu ermitteln. Dieser Ansatz erscheint mir allein schon deshalb völlig absurd, weil das Erregungsmuster ja nur eine Reaktion auf einen bestimmten Input ist. Da könnte man auch gleich versuchen, aus dem äußerlichen Verhalten eines Menschen die Synapsenkonfiguration zu rekonstruieren.

Nein, man müsste schon versuchen, direkt die Verschaltung des Gehirns zu ermitteln und dabei auch inaktive Neuronen bzw. Synapsen zu erfassen.

Von daher bleibt so etwas Science Fiction der schlechteren Sorte ...

Wir sind jedenfalls meiner Einschätzung nach extrem weit davon entfernt, und selbst nach Kurzweils "technologischer Singularität" dürfte es noch ziemlich lange dauern, bis so etwas in greifbare Nähe rückt.

Viele Grüße
Wirbelwind
 

Frankie

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Hallo allerseits!

Endlich mal ein Thema das mir wirklich am Herzen liegt! :)

Es mag ja sein, daß all dies Zukunftsmusik ist, aber das liegt an der Architektur unserer bisherigen Rechner. Es wurde schon angesprochen, daß es möglich ist Gehirnfunktionen synapsengenau in Hard- oder Software zu gießen (zumindest habe ich das selbst am Beispiel eines synapsengenauen Nachbaus einer Stabheuschrecke ca. 1990 am DFKI in Kaiserslautern gesehen). Der wichtige Punkt ist m. E. folgender: bisher werden entweder neuronale Vorgänge simuliert, oder physikalische Netzwerke gebaut die einen Ausgangszustand reflektieren aber nicht verändern können - womit die Lernfähigkeit wegfällt. Beipiel für letzteres ist die oben erwähnte Stabheuschrecke.

Beide Wege gehen schlecht für künstliche Intelligenz so wie wir sie verstehen würden:

1. Simulation vervielfacht den Aufwand für die Darstellung eines neuronalen Netzes derart, daß selbst bei heutigen massivparallelen Großrechnern die Übertragungswege zwischen den Komponenten die Simulationsgeschwindigkeit viele Größenordnungen unter Echtzeit drücken würden.

2. Hardware ohne Software verbietet Selbstorganisation und damit Lernfähigkeit.

Tatsächlich ähnelt die Selbstorganisationsfähigkeit des Hirns meiner Meinung auch organischen Algorithmen in der Statik-Simulation mechanisch belasteter Bauteile.

Weiterhin (auch wieder IMHO):
Die einzige Möglichkeit, ein ausreichend schnelles echtes neuronales Netzwerk herzustellen, ist seine technischen Komponenten auf die entsprechende in der Natur vorhandene biologische Größe zu packen.

Wenn das möglich wäre (ich denke an Risk Prozessoren im Nanobereich, verbunden mit einem chemischen Substrat daß die Ausbildung (und auch den Abbau) von elektrisch leitfähigen Bahnen erlaubt) dann würde ich folgende gewagte Prognose starten:

- wäre es möglich den Schaltplan eines menschlichen Gehirns (nur den, nicht die augenblicklichen Erregungszustände) mit einem hinreichend genauen 3D Scan auszulesen, und würde man diesen in gleicher Weise auf das oben erwähnte neuronale Netz als Grundzustand abbilden können

- würde man das entsprechende neuronale Netz um die nötigen Inputs / Outputs erweitern (Video / Audio etc )

...dann könnten wir eine Überraschung über die physikalische Grundlage des Bewußtseins erleben, wenn wir dieses System mit 40 Hz Takt versorgen.

Das ist meine Überzeugung nach meinem begrenzten Wissensstand, wie gesagt - keine wissenschaftlich fundierte Meinung...

Viele Grüße an alle,
Frankie
 
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Frankie

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Ach so und noch ein Nachschlag:

Würde man ein solches Netz praktisch ohne strukturelles Info starten, aber mit Takt und Ein- und Ausgängen versorgen, würde es sich automatisch entwickeln, und zwar (1) weil die Fähigkeit zur Selbstorganisation die Ausführung der Selbstorganisation erzwingt. Das ist m. E. nach ein Naturgesetz.

Übrigens folgt daraus halbwegs analog: wenn man die Entwicklung des Lebens im Universum insgesamt als Selbstorganisation begreift (und das ist sie wenn man von der nichtmetallischen Ursuppe nach dem Urknall ausgeht) - dann ist die Existenz anderen Lebens im Universum kein "kann" sondern ein "muß", da die Naturgesetze überall im Universum gelten und mit (1) folgt diese Aussage.

Meine Meinung wie gesagt ;-)

Frankie
 
Zuletzt bearbeitet:

Wirbelwind

Registriertes Mitglied
Hallo Frankie,

Es mag ja sein, daß all dies Zukunftsmusik ist, aber das liegt an der Architektur unserer bisherigen Rechner.

Das sehe ich etwas anders.

Maßgeschneiderte Hardware ergibt erst dann Sinn, wenn die genauen Anforderungen bekannt sind. Solange man sich noch in der Experimentierphase befindet, sind universelle Rechnerarchitekturen besser geeignet, weil sich grundlegende Änderungen an einem simulierten neuronalen Netzwerk eben schneller realisieren lassen als an einem neuronalen Netzwerk, das bereits in Hardware gegossen wurde. Ganz zu schweigen von den astronomischen Kosten, die entstünden, wenn man für jedes Experiment erstmal dedizierte Hardware entwickeln müsste.

Es wurde schon angesprochen, daß es möglich ist Gehirnfunktionen synapsengenau in Hard- oder Software zu gießen (zumindest habe ich das selbst am Beispiel eines synapsengenauen Nachbaus einer Stabheuschrecke ca. 1990 am DFKI in Kaiserslautern gesehen).

Wie genau definierst Du "synapsengenau" und wie will das DFKI 1990 die exakte Synapsenkonfiguration einer Heuschrecke ermittelt haben? Wenn dies tatsächlich der Fall gewesen wäre, hätte sich das Ding ja annähernd wie eine echte Heuschrecke verhalten müssen. Tatsächlich war das aber meines Wissens "nur" ein Laufroboter und man hat vermutlich einfach ein ANN zusammengeschustert, das in der Lage ist, die Beine näherungsweise wie eine echte Heuschrecke zu bewegen.

Weiterhin (auch wieder IMHO):
Die einzige Möglichkeit, ein ausreichend schnelles echtes neuronales Netzwerk herzustellen, ist seine technischen Komponenten auf die entsprechende in der Natur vorhandene biologische Größe zu packen.

Warum sollte das so sein? Wenn Synapsen optisch realisiert würden, könnte man sicherlich auch auf wesentlich größeren Skalen mit der Übertragungsgeschwindigkeit des Gehirns mithalten.

Man stelle sich eine große Kugel vor, auf deren Innenfläche die Neuronen angeordnet sind. Die Verbindungen könnten dann über gebündelte Lichtstrahlen durch den Innenraum erfolgen. Da bräuchte man auch keine Kabel wachsen zu lassen, sondern nur die Emitter auf die gewünschten Zielneuronen ausrichten.

Ach ja: "Google Brain" scheint auch ohne maßgeschneiderte Hardware zu funktionieren.

- wäre es möglich den Schaltplan eines menschlichen Gehirns (nur den, nicht die augenblicklichen Erregungszustände) mit einem hinreichend genauen 3D Scan auszulesen, und würde man diesen in gleicher Weise auf das oben erwähnte neuronale Netz als Grundzustand abbilden können

Gerade das halte ich ja für den Knackpunkt. Alles andere halte ich für vorstellbar. Damit habe ich hingegen ziemliche Probleme.

Viele Grüße
Wirbelwind
 
R

Ralander

Gast
Hallo Frankie,

Würde man ein solches Netz praktisch ohne strukturelles Info starten, aber mit Takt und Ein- und Ausgängen versorgen, würde es sich automatisch entwickeln, und zwar (1) weil die Fähigkeit zur Selbstorganisation die Ausführung der Selbstorganisation erzwingt. Das ist m. E. nach ein Naturgesetz.

Übrigens folgt daraus halbwegs analog: wenn man die Entwicklung des Lebens im Universum insgesamt als Selbstorganisation begreift (und das ist sie wenn man von der nichtmetallischen Ursuppe nach dem Urknall ausgeht) - dann ist die Existenz anderen Lebens im Universum kein "kann" sondern ein "muß", da die Naturgesetze überall im Universum gelten und mit (1) folgt diese Aussage.

Ich sehe grundsätzlich die Dinge wie du!

Simulation (auf von Neumann-Architektur) taugt nicht, um komplexe und vor allem schnelle neuronale Netze zu kreieren!

Eher auf dieser Basis (echte Parallel-Verarbeitung):

http://www.spektrum.de/alias/kuenstliches-gehirn/neurone-co-imitieren-mit-silizium/1157707

http://www.heise.de/tr/artikel/Der-Gehirn-Prozessor-276263.html

Aber du hast Recht, man muss die Plastizität des Gehirns berücksichtigen!
D.h., wenn hardwareseitig Neuronen und Synapsen realisiert werden, dann sollte die Signalübertragung zwischen diesen nicht statisch, sondern veränderbar sein.
D.h., dieses künstliche neuronale Netzwerk sollte, wie das plastische biologische Gehirn, in der Lage sein, Signalwege aufzubauen, aber auch wieder zu verändern bzw. bei Nichtbedarf auch wieder zu löschen!

Ein solches künstliches neuronales Netzwerk wäre damit lernfähig und anpassbar!
Und wenn man dann für Input und Output sorgt (Interaktion mit der realen Welt), dann würde dieses Netzwerk wie ein Kind anfangen zu lernen und Bewusstsein entwickeln?!
 

Mahananda

Registriertes Mitglied
Hallo Frankie,

bei IT-Fragen bin ich kein Kenner und kann daher inhaltlich bei der Diskussion um Computertechnologien nicht mitreden. Dein "Nachschlag" reizt mich jedoch zur Widerrede.

... weil die Fähigkeit zur Selbstorganisation die Ausführung der Selbstorganisation erzwingt.

Diese Überlegung geht nur auf, wenn die zur Selbstorganisation erforderlichen notwendigen und hinreichenden Rahmenbedingungen kontinuierlich zur Verfügung stehen. Anderenfalls erfolgt Stagnation und Kollaps.

... wenn man die Entwicklung des Lebens im Universum insgesamt als Selbstorganisation begreift (und das ist sie wenn man von der nichtmetallischen Ursuppe nach dem Urknall ausgeht) - dann ist die Existenz anderen Lebens im Universum kein "kann" sondern ein "muß", da die Naturgesetze überall im Universum gelten ...

Und genau da liegt das Haar in der (Ur)suppe!

Es ist zwar einerseits so, dass das Leben im Rahmen geltender Naturgesetze (Physik und Chemie) entstanden ist und sich entwickelt hat, aber es ist nicht so, dass das Leben eine notwendige Folge der chemischen Evolution gewesen ist.

Die Kopplung zwischen RNA-Chemie und Peptid-Chemie zu einem Hyperzyklus, in dessen Folge sich eine Rückkopplung zwischen Genom und Proteom ergeben hat, die man als "Ur-Sprung ins Leben" bezeichnen kann, folgt nicht als Muss aus den Gesetzen der Organischen Chemie, sondern stellt lediglich eine Möglichkeit dar, die sich realisieren KANN.

Die Bedingungen, die auf der Urerde dazu geführt haben, dass sich dieses Potenzial von der Möglichkeit in die Wirklichkeit umwandeln konnte, sind derzeit nicht nachvollziehbar und damit (noch) nicht nachstellbar. Von daher ist es zumindest verfrüht, aus der Tatsache eines Einzelfalls auf eine Vielzahl gleichartiger Fälle zu schließen, wenn man die Bedingungen nicht kennt, unter denen Leben entsteht. Beobachtungen werden uns irgendwann weiter bringen.

Viele Grüße!
 

Mahananda

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Hallo Ralander,

D.h., dieses künstliche neuronale Netzwerk sollte, wie das plastische biologische Gehirn, in der Lage sein, Signalwege aufzubauen, aber auch wieder zu verändern bzw. bei Nichtbedarf auch wieder zu löschen!

Das heißt aber weiterhin, dass Du einen Stoffwechsel installieren musst, der das nötige Material liefert bzw. abtransportiert. Und dieser Stoffwechsel bedarf wiederum einer irgendwie gearteten Kontrolle über Rückopplungssysteme, die wiederum irgendwie mit dem neuronalen Netzwerk verbunden sein müssen. Und diese Kontrollmechanismen müssen ihrerseits lernfähig und veränderbar sein, damit die Effizienz sukzessive optimiert wird. Und all das müsste in einem flüssigen Medium ablaufen, damit der Materialtransport sichergestellt werden kann. Und die Materialkonzentration müsste auf einem gangbaren Level gehalten werden, wobei zu bedenken ist, dass metallhaltige Lösungen leitfähig sind und demnach die Gefahr besteht, dass Teile des Systems bzw. das ganze System infolge Kurzschlusses kollabiert. Es müsste also irgendwie eine Möglichkeit der Isolation gefunden werden, um solche Reaktionen zu vermeiden.

Bei Neuronen ist das einfach gelöst: Die Erregungsleitung funktioniert über Ionenkanäle, die voneinander über sog. Schwannsche Scheiden isoliert sind. Zwischen den Synapsen und der Empfängerzelle werden Neurotransmitter ausgeschüttet und sofort wieder abgebaut, so dass keine Zeit für "Kurzschlüsse" bleibt.

Bei Halbleitersystemen stelle ich mir es überaus schwierig vor, so etwas gangbar nachzubauen. Da kann man Neuronenschaltungen scannen bis man blau anläuft - wenn das Empfängersystem von vornherein anders konstituiert ist als die Vorlage, kann die analoge Umsetzung nicht gelingen. Im Rahmen der Möglichkeiten des Systems kann man vielleicht das eine oder andere nachahmen - siehe dazu das Heuschreckenbeispiel - aber es sind eben nur Teilaspekte und nicht etwas in Gänze vergleichbares.

Viele Grüße!
 
R

Ralander

Gast
Hallo Mahananda,

Das heißt aber weiterhin, dass Du einen Stoffwechsel installieren musst, der das nötige Material liefert bzw. abtransportiert. Und dieser Stoffwechsel bedarf wiederum einer irgendwie gearteten Kontrolle über Rückopplungssysteme, die wiederum irgendwie mit dem neuronalen Netzwerk verbunden sein müssen. Und diese Kontrollmechanismen müssen ihrerseits lernfähig und veränderbar sein, damit die Effizienz sukzessive optimiert wird.

man braucht keinen "Stoffwechsel"!

Man macht es wie das biologische Vorbild:

Das Gehirn verstärkt synaptische Signalwege bei positivem Lerneffekt (positive Rückkopplung) und schwächt synaptische Signalwege bei negativen Lerneffekt (negative Rückkopplung) !
Oder mit anderen Worten, wenn man Mist gebaut hat, dann kann man die dazu verwendeten synaptische Signalwege ruhig in die Tonne hauen!!

Und genauso könnte man es bei künstlichen neuronalen Netzen auch machen:

Während der Lernphase wird ein synaptischer Signalweg ausprobiert und bei Misserfolg werden die beteiligten Neuronen und Synapsen wieder gedämpft oder auf Null gesetzt.
Das macht man solange, bis man einen Lernerfolg erzielt hat!

Dann kann man den Signalweg der beteiligten Neuronen und Synapsen fest abspeichern!!

Dieses Prozedere kann eine übergeordnete Software handeln. Maßgeblich ist nur, dass ein Lernerfolg stattfindet (positive Rückkopplung) !!

Zum Lernen gehört übrigens auch ein Lehrer!
Und genau der könnte die positive Rückkopplung geben und bestätigen, sodass die übergeordnete Software fest abspeichert!!

Verblüffende Parallelität zum Lernen eines Kindes oder?!
 

Mahananda

Registriertes Mitglied
Hallo Ralander,

Während der Lernphase wird ein synaptischer Signalweg ausprobiert und bei Misserfolg werden die beteiligten Neuronen und Synapsen wieder gedämpft oder auf Null gesetzt.
Das macht man solange, bis man einen Lernerfolg erzielt hat!

Dann müsstest Du vorab alle Synapsen vorinstallieren, bevor Du über Versuch und Irrtum die passenden Verbindungen aktiv erhältst und die anderen wieder deaktivierst. Das Gehirn ist da in seiner Arbeitsweise ganz anders. Hier werden Synapsen im Verlauf der Lernprozesse (pränatal und postnatal) durch Zellwachstumsprozesse dorthin installiert, wo es "sinnvoll" erscheint. Erst später wird deaktiviert bzw. verstärkt, wenn sich der Reizinput auf bestimmte feste Muster eingrenzen lässt. Glücklicherweise aber auch hier redundant, so dass z.B. Schlaganfall-Patienten verlorene Hirnareale über Umwege wieder verfügbar machen können. Bei einem künstlichen Gehirn mit fest vorinstallierten Synapsen fehlt Dir da ein ganzes Stück Plastizität ...

Viele Grüße!
 

Wirbelwind

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Man macht es wie das biologische Vorbild:

Das Gehirn verstärkt synaptische Signalwege bei positivem Lerneffekt (positive Rückkopplung) und schwächt synaptische Signalwege bei negativen Lerneffekt (negative Rückkopplung) !

Das wird ja auch schon seit langem so gemacht. Stichwort Backpropagation. Allerdings mit der Einschränkung, dass auf diese Weise nur die Gewichte der Synapsen trainiert werden. Ob überhaupt eine Verbindung zwischen zwei Neuronen besteht oder nicht, wird hingegen i.d.R. vorab festgelegt.

Und genauso könnte man es bei künstlichen neuronalen Netzen auch machen:

Während der Lernphase wird ein synaptischer Signalweg ausprobiert und bei Misserfolg werden die beteiligten Neuronen und Synapsen wieder gedämpft oder auf Null gesetzt.
Das macht man solange, bis man einen Lernerfolg erzielt hat!

Wenn Du Synapsen zwischen beliebigen Neuronen zulassen möchtest, dann kommst Du bei 10^11 Neuronen auf eine Gesamtzahl von 10^22 Synapsen, deren Gewichte Du trainieren müsstest. Dann mal viel Spaß ...

Das menschliche Gehirn kann im übrigen auch nicht beliebige Synapsenkonfigurationen realisieren. Einerseits ist die Länge der Synapsen begrenzt, so dass die Entfernung zwischen den zu verbindenden Neuronen nicht beliebig groß sein kann. Und andererseits ist auch die Gesamtzahl der Synapsen pro Neuron begrenzt (Größenordnung 10^4).

Insofern steht es durchaus nicht im Widerspruch zum Vorbild Gehirn, wenn hier vorab eine gewisse Einschränkung getroffen wird.

Viele Grüße
Wirbewind
 

Frankie

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Hallo Frankie,



Das sehe ich etwas anders.

Maßgeschneiderte Hardware ergibt erst dann Sinn, wenn die genauen Anforderungen bekannt sind. Solange man sich noch in der Experimentierphase befindet, sind universelle Rechnerarchitekturen besser geeignet, weil sich grundlegende Änderungen an einem simulierten neuronalen Netzwerk eben schneller realisieren lassen als an einem neuronalen Netzwerk, das bereits in Hardware gegossen wurde. Ganz zu schweigen von den astronomischen Kosten, die entstünden, wenn man für jedes Experiment erstmal dedizierte Hardware entwickeln müsste.

Die Kosten wären tatsächlich relativ bzw. vergleichsweise gering. RISKer geht es kaum...

Wie genau definierst Du "synapsengenau" und wie will das DFKI 1990 die exakte Synapsenkonfiguration einer Heuschrecke ermittelt haben? Wenn dies tatsächlich der Fall gewesen wäre, hätte sich das Ding ja annähernd wie eine echte Heuschrecke verhalten müssen. Tatsächlich war das aber meines Wissens "nur" ein Laufroboter und man hat vermutlich einfach ein ANN zusammengeschustert, das in der Lage ist, die Beine näherungsweise wie eine echte Heuschrecke zu bewegen.

Genau das eben nicht. Die Stabheuschrecke hat gigantisch große Neuronen bei vergleichsweise simpler Verschaltung. Der BIO Fachbereich der Uni hat per Mikroskop-Schnitte den gesamten Aufbau des neuronalen Netzes analysiert, am DFKI wurde das in ein Schaltschema umgesetzt und das entspechende "Laufmodell" umgesetzt (einschließlich Optik / Muskeln). Dieses Modell zeigt bei entsprechender Reizung genau die Verhaltensmuster einer lebenden Stabheuschrecke, einschließlich eines "Trippeltanzes" (wobei ich den Auslöser nicht mehr weis, ist alles zu lange her).

Warum sollte das so sein? Wenn Synapsen optisch realisiert würden, könnte man sicherlich auch auf wesentlich größeren Skalen mit der Übertragungsgeschwindigkeit des Gehirns mithalten.

Es ging mir nicht um Machbarkeit, sondern um Verwendbarkeit.

Man stelle sich eine große Kugel vor, auf deren Innenfläche die Neuronen angeordnet sind. Die Verbindungen könnten dann über gebündelte Lichtstrahlen durch den Innenraum erfolgen. Da bräuchte man auch keine Kabel wachsen zu lassen, sondern nur die Emitter auf die gewünschten Zielneuronen ausrichten.
Interessant - muß man aber nicht bei meiner Annahme.
Ach ja: "Google Brain" scheint auch ohne maßgeschneiderte Hardware zu funktionieren.



Gerade das halte ich ja für den Knackpunkt. Alles andere halte ich für vorstellbar. Damit habe ich hingegen ziemliche Probleme.
Wie gesagt - denkbar ist auch der Ansatz ohne Grundzustand, aber mit Lernfähigkeit.
Viele Grüße
Wirbelwind

Grüße, Frankie
 

Frankie

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(...) Das menschliche Gehirn kann im übrigen auch nicht beliebige Synapsenkonfigurationen realisieren. Einerseits ist die Länge der Synapsen begrenzt, so dass die Entfernung zwischen den zu verbindenden Neuronen nicht beliebig groß sein kann. Und andererseits ist auch die Gesamtzahl der Synapsen pro Neuron begrenzt (Größenordnung 10^4). (...)
Viele Grüße
Wirbewind

Genau. (Einerseits) ist in meinem Modell eine phsikalische Eigenschaft des Systems und durch (Andererseits) ist genau das Leistungsspektrum eines solchen gedachten Nanoprozessors definiert. 10^5 Gatter passen locker in ein Sandkorn.

Grüße,
Frankie
 

Wirbelwind

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Genau. (Einerseits) ist in meinem Modell eine phsikalische Eigenschaft des Systems und durch (Andererseits) ist genau das Leistungsspektrum eines solchen gedachten Nanoprozessors definiert. 10^5 Gatter passen locker in ein Sandkorn.

Von welchem Modell sprichst Du? Ich scheine die Stelle verpasst zu haben, wo Du dieses Modell exakt definiert hast.

Viele Grüße
Wirbelwind
 
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