Schwarzkörperstrahlung aus der Rekombinationsepoche (CMB)

09c

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Hallo zusammen,

laut Wikipedia beträgt die mittlere Dichte des Universums ca. 4,7e-30 g/cm³. Daraus ergibt sich die Dichte zur Zeit der Rekombination (z=1100) rund 6,3e-21 g/cm³. Bezieht man die Dichte gänzlich auf atomaren Wasserstoff, so folgt eine Teilchendichte zur Zeit der Rekombination mit etwa 3750 H-Atomen pro Kubikzentimeter.
Die Saha-Gleichung beschreibt das thermodynamische Gleichgewicht von Ionisation und Rekombination. Es ergibt sich das Temperaturintervall für die Rekombination bei dieser Dichte zwischen 4500 und 3000 Kelvin. Die Anwesenheit von nichtbaryonischer Materie (DM) setzt die Dichte der baryonischen Materie herab. Auf das Temperaturintervall ist der Verdünnungseffekt der DM nur gering.
Ein H-Atom benötigt bei dieser Temperatur und Dichte ca. 1 Woche bis es ein anderes H-Atom trifft, wenn die Verdünnung durch andere Teilchenarten (Helium, DM) nicht berücksichtigt wird.
Am ehesten ähneln die Bedingungen der Rekombinationsepoche denen der H-II-Wolken. Von ihnen ist bekannt, dass sie kaskadenartig unter Abstrahlung von Wasserstofflinien rekombinieren.
Der Verweis auf die Photosphäre der Sonne taugt nicht, weil dort der Druck und die Dichte um 13 Zehnerpotenzen höher sind, so dass dort der Hydrid-Mechanismus mithilfe von Natrium funktioniert. Wenn primordiales Lithium die Rolle des Elektronendonators während der Rekombinationsepoche übernimmt, ist die Hydrid-Bildung als Reaktion 2.Ordnung aufgrund der niedrigeren Teilchendichte um geschätzte 26 Zehnerpotenzen langsamer als die Reaktion in der Photosphäre der Sonne.
Es ergeben sich nun 2 Fragen:
1. Wie funktioniert der Absorptionsmechanismus, der aus Linienspektren Schwarzkörperstrahlung (CMB) macht?
2. Sind noch Wasserstofflinien aus der Rekombinationsepoche vorhanden?

Grüße,
09c
 

Bernhard

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Hallo 09c,

diese Frage nach der Herkunft des CMB ist naheliegend und interessant. Glücklicherweise kann man das einfach im Fließbach (T. Fließbach, "Allgemeine Relativitätstheorie") nachlesen. Demnach beginnt die Rekombination bei T < 3000K. Die aktuelle Temperatur des CMB beträgt nun 2.725 pm 0.001K. Multipliziert man das mit 1101 (=z+1) bekommt man die Temperatur zum Zeitpunkt der Emission und das sind "interessanterweise" ziemlich genau 3000K. Die Strahlung des CMB stammt demnach aus den freien Photonen aus der Zeit vor der Rekombinationsära.
Grüße
 

09c

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Hallo Bernhard,
wenn die Rekombination energieneutral wäre, würde ich uneingeschränkt zustimmen. Aber die Rekombinationsenergie des Wasserstoffs beträgt 13,6 Elektronenvolt.
Vergleicht man dies mit der mittleren thermischen Energie eines Atoms bei 3000 K (3/2*1,38e-23*3000/1,6e-19=0,388) so stellt man fest, dass die Rekombinationsenergie 35 mal so groß ist. Auch die Anzahl der Photonen nimmt durch die kaskadenartige Rekombination erheblich zu. Vor dem Wasserstoff war das noch energieintensivere Helium dran! Bei der üblichen Betrachtung wird der sehr starke energetische Effekt der Rekombination ungerechtfertigt ausgeklammert.
Grüße,
Martin
 

09c

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Nachtrag zum Thema Rekombinationsepoche

Hallo zusammen,
Der Thomson-Wirkungsquerschnitt der Elektronen beträgt 6,65e-29 m². Die Anzahldichte der Protonen und Elektronen bei voller Ionisation ist bei z=1100 jeweils rund 4,0e8 Teilchen pro Kubikmeter, wenn die Anteile von Helium und dunkler Materie berücksichtigt werden. Daraus ergibt sich eine mittlere freie Weglänge der Photonen von 3,8e19 m entsprechend 4000 Lichtjahren zwischen den Wechselwirkungen mit Elektronen.
Die Compton-Wellenlänge der Elektronen ist klein gegen die Wellenlängen der Wasserstofflinien. Mit fortschreitender Rekombination schwindet die Anzahl der freien Elektronen und die freie Weglänge der Photonen nimmt zu. Deshalb müssten die Emissionslinien des Wasserstoffs zehntausende Jahre in die Rekombinationsepoche hinein zurück verfolgbar sein.
Neben der kosmischen Rotverschiebung sollte auch der mit der Tiefe wachsende Compton-Effekt erkennbar sein. Die Temperatur der freien Elektronen wird durch die Streuung der Rekombinationsstrahlung erhöht.
Grüße, 09c
 

Bernhard

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Hallo Martin,

ich denke über den Planck-Anteil des CMB brauchen wir uns erst mal keine Gedanken zu machen. Die ehemalige Schwarzkörperstrahlung von damals wurde über z=1100 auf knapp 3K "gestreckt". Es war damals ein Planck-Spektrum und ist es damit auch heute noch.

Die Rekombinationsstrahlung hatte damals kein Planck-Spektrum, sondern ein Linienspektrum mit diskreten Energiestufen, sowohl für Wasserstoff (13,6 eV, Lyman-Serie, Balmer-Serie, usw.) als auch für Helium (...). Falls vom Zeitpunkt der Emission bis zum heutigen Nachweis auf der Erde keine Absorption stattfand, sollte man also ein schwaches und extrem rotverschobenes (z um die 1100) Linienspektrum messen können. Energie und Wellenlänge der einzelnen Linien können wir über den genauen Zeitpunkt der Emission und dem zugehörigen z ausrechnen. Zusätzlich kann man sich Gedanken machen über die ursprüngliche Photonendichte jeder Linie. Diese Photonendichte wird durch die Expansion des Universums zwar stark verringert, aber man sollte daraus die heutige Dichte der Photonen jeder Linie ausrechnen können und weiß damit, mit welcher Intensität diese Linien zu erwarten sind. Hat man das ausgerechnet weiß man, ob sie prinzipiell nachweisbar sind.
MfG
 

Bernhard

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Schau' Dir dazu diesen Artikel ... an.
Hallo MAC,

soweit ich das überblicken kann, beschreibt der Artikel aber nicht direkt, was aus der Rekombinationsstrahlung geworden ist. Kann man davon ausgehen, dass diese UV-Strahlung das neutrale Wasserstoff- und Heliumgas einfach aufgeheizt hat und dabei absorbiert worden ist?
MfG
 

Ich

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Man sollte dazusagen, dass auf ein Proton/Elektron etwa 10^9-10^10 Photonen kommen. Diese sind bei sehr, sehr viel höherer Temperatur entstanden, ohne ausgerprägte Linien. Und bis zur Rekombination werden sie im Wesentlichen durch Compton- und später Thomsonstreuung an die Materie gekoppelt, was auch ohne Linien abgeht.
Die Rekombinationsstrahlung selbst (und auch durch inelastische Stöße an neutralen Atomen entstandene Strahlung) sollte also ungefähr eine Milliarde mal schwächer sein als der CMB.
 

mac

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Hallo Ich,

was Du hier:
Man sollte dazusagen, dass auf ein Proton/Elektron etwa 10^9-10^10 Photonen kommen.
schreibst, deckt sich ganz gut mit dem, was man darüber im Artikel zur Hintergrundstrahlung findet (400 Photonen pro cm³ im heutigen Universum). Aber ich verstehe nicht, wie es zu dieser Zahl kommt (damit meine ich nicht, daß ich die Messung anzweifle)

Wenn das Verhältnis Materie/Antimaterie im frühen Universum sich um ein Milliardstel unterschieden hat, dann müssen doch aus den, bei der gegenseitigen Annihilation entstandenen Photonen, durch die nachfolgenden Wechselwirkungsprozesse (die Du im Anschluß beschrieben hattest) mit der übriggebliebenen Materie, wesentlich mehr Photonen (natürlich mit geringerer Energie) entstanden sein. Wo sind die geblieben?

Herzliche Grüße

MAC
 

mac

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Hallo Bernhard,

soweit ich das überblicken kann, beschreibt der Artikel aber nicht direkt, was aus der Rekombinationsstrahlung geworden ist.
Was sich da quantitativ alles abgespielt hat, weiß ich auch nicht. Man kann das sicher rechnen, aber dabei kann man auch viel falsch machen und vieles übersehen, wenn das nicht zum ‚täglich Brot‘ gehört. (Ich hatte die obige Frage an 'Ich' schon mal vor einiger Zeit hier im Forum gestellt und schließe aus der Tatsache, daß es damals darauf keine Antwort gab, vielleicht etwas voreilig, daß ich nicht der einzige bin, der bei dieser Frage 'schwimmt'.)

Auslöser für meinen Hinweis-Link war einfach mein eigenes (früheres) Missverständnis, wieso das Universum erst durch die ersten Sterne, also durch das ultraviolette Licht und seine Ionisationsfähigkeit wieder durchsichtig wurde, wo es doch vorher ganz explizit hieß: Durch die Rekombination wurde das Universum durchsichtig.
Beide Aussagen sind richtig, aber für jeweils verschiedene Wellenlängen.



Kann man davon ausgehen, dass diese UV-Strahlung das neutrale Wasserstoff- und Heliumgas einfach aufgeheizt hat und dabei absorbiert worden ist?
das hatte inzwischen ‚Ich‘ schon beantwortet.

Herzliche Grüße

MAC
 
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Bernhard

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bei der gegenseitigen Annihilation
Hi MAC,

da liegt offensichtlich ein kleineres Mißverständnis vor? Rekombination heißt hier doch lediglich, dass ein freies Elektron und ein freies Proton (oder auch Elektron + Heliumkern, usw.) unter Aussendung eines Photons ein neutrales Wasserstoffatom (Heliumatom usw.) bilden. Die CP-Asymmetrie spielt in dieser Epoche dann schon lange keine Rolle mehr.
MfG
 
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mac

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Hallo Bernhard,

das war kein Missverständnis.

Ich meinte genau diese, sehr frühe Epoche. Sie soll die eigentliche, (Haupt)Quelle für die Photonen im Universum sein. Natürlich nicht als direkte Abbildung dieses Annihilationsprozesses, denn dazwischen liegen ja einige hunderttausend Jahre Wechselwirkungsprozesse im zeitweise sehr dichten Medium des Universums. Aber die (Haupt)Wärmequelle für dieses Medium (oder besser, den baryonischen Anteil dieses Mediums) war eben die Annihilation (Strahlenmeer) in der Frühphase.

Herzliche Grüße

MAC
 
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Bernhard

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Die Rekombinationsstrahlung selbst (und auch durch inelastische Stöße an neutralen Atomen entstandene Strahlung) sollte also ungefähr eine Milliarde mal schwächer sein als der CMB.
Ob der Nachweis dieser Strahlung heute technisch möglich ist, erscheint damit zumindest als fragwürdig.

EDIT: Ein Liniensprektrum würde ich hier allerdings wegen der Rayleigh-Streuung an bereits gebildetem neutralem Wasserstoff nicht mehr, wie oben behauptet, erwarten.
 
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Bernhard

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Aber welche Frage das war, weiß ich jetzt trotzdem nicht.
Ich hatte mich gefragt, wo eigentlich die ganzen Photonen des CMB herkommen. Mit Deiner Erklärung wird es dann sofort klar. Ich finde es schon faszinierend wie konsistent das gesamte Urknall-Modell damit letztlich ist...
 
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Ich

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Hallo mac,

was Du hier schreibst, deckt sich ganz gut mit dem, was man darüber im Artikel zur Hintergrundstrahlung findet (400 Photonen pro cm³ im heutigen Universum). Aber ich verstehe nicht, wie es zu dieser Zahl kommt (damit meine ich nicht, daß ich die Messung anzweifle)
Das weiß ich auch nicht; also wie man sie aus den Messungen rückrechnet schon, aber nicht, ob und wie man sie aus grundlegenden Prinzipien ableiten kann.

Wenn das Verhältnis Materie/Antimaterie im frühen Universum sich um ein Milliardstel unterschieden hat, dann müssen doch aus den, bei der gegenseitigen Annihilation entstandenen Photonen, durch die nachfolgenden Wechselwirkungsprozesse (die Du im Anschluß beschrieben hattest) mit der übriggebliebenen Materie, wesentlich mehr Photonen (natürlich mit geringerer Energie) entstanden sein. Wo sind die geblieben?
Das sind nur Streuprozesse, die Photonen ablenken, aber nicht erzeugen.

(Ich hatte die obige Frage an 'Ich' schon mal vor einiger Zeit hier im Forum gestellt und schließe aus der Tatsache, daß es damals darauf keine Antwort gab, vielleicht etwas voreilig, daß ich nicht der einzige bin, der bei dieser Frage 'schwimmt'.)
Ich weiß jetzt nicht genau, welche Frage du meinst. Wenn ich nicht antworte, hat das oft auch den Grund, dass ich keine befriedigende Antwort weiß und noch was nachschauen will... aber dann darauf vergesse oder doch keine Lust mehr habe. Da kannst du ruhig nachhaken.

Noch was: Das hier kann im Zusammenhang interessant sein: genügend häufige Teilchenzerfälle im sehr frühen (aber nicht zu frühen) Universum wären im CMB heute sichtbar, eben weil sie solche Linien erzeugt hätten. Solhe gab es also nicht.
 
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mac

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Hallo Ich,

erst mal Danke für Deine Antwort!

Das sind nur Streuprozesse, die Photonen ablenken, aber nicht erzeugen.
Nur als Beispiel: Compton-Streuung: 1 Photon regt ein Atom an und wird mit größerer Wellenlänge gestreut. Angeregtes Atom gibt seine Anregung als Photon entsprechender Wellenlänge ab. So werden aus einem Photon (mindestens) 2. Weiteres Beispiel: Auch in einem Plasma gibt es jede Menge Rekombinationen und anschließende Ionisationen. Jede Rekombination erzeugt Photon(en), eben einer der Abkühlungsprozesse. Jeder dieser Prozess macht aus einem Photon mehrere Photonen (in Summe mit der Energie des Ursprungsphotons) oder baut kinetische Energie durch Stoßanregung in Form von abgestrahlten Photonen ab. Oder ein weiteres einfaches Beispiel: Aus einem mindestens 1,022 MeV Photon werden am Ende zwei 511 keV Photonen durch die Paarbildung von Elektron/Positron.


Ich weiß jetzt nicht genau, welche Frage du meinst. Wenn ich nicht antworte, hat das oft auch den Grund, dass ich keine befriedigende Antwort weiß und noch was nachschauen will... aber dann darauf vergesse oder doch keine Lust mehr habe. Da kannst du ruhig nachhaken.
Ich finde die jetzt auch nicht wieder. Sie war allerdings, wenn ich mich richtig erinnere nicht direkt an Dich gerichtet und auch nicht explizit gestellt, sondern nur als Bemerkung eingeflochten, daß ich eben das Zustandekommen dieser Anzahl (400 pro cm³) von Photonen als direkte Abbildung der Anzahl der Annihilationen im Frühen Universum nicht plausibel finde. (Was wahrscheinlich daran liegt, daß ich eben nicht genau weiß, wo man da vielleicht etwas zu verkürzt informiert wird)

Herzliche Grüße

MAC
 
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Ich

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Nur als Beispiel: Compton-Streuung: 1 Photon regt ein Atom an und wird mit größerer Wellenlänge gestreut. Angeregtes Atom gibt seine Anregung als Photon entsprechender Wellenlänge ab. So werden aus einem Photon (mindestens) 2.
Das ist aber keine Compton-Streuung, sondern inelastische. Sowas ist den Hintergrundphotonen nicht passiert, weil es keine Atome gab. Später, als die Rekombination für Atome gesorgt hatte, war der Wirkungsquerschnitt so klein, dass die von dir beschriebene Reaktion kaum noch stattfand.
 

mac

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Hallo Ich,

Das ist aber keine Compton-Streuung, sondern inelastische. Sowas ist den Hintergrundphotonen nicht passiert, weil es keine Atome gab. Später, als die Rekombination für Atome gesorgt hatte, war der Wirkungsquerschnitt so klein, dass die von dir beschriebene Reaktion kaum noch stattfand.
In meiner Erinnerung (auch wiedergefunden bei Wikipedia) ist die Comptonstreuung sowohl an freien Elektronen als auch an freien Atomkernen möglich. Das ist aber vielleicht der Punkt, bei dem ich quantitativ etwas auf dem Schlauch stehe (auch weil ich mit sowas immer nur bezogen auf Wasser umgehe und es da bei höheren Energien (im MeV-Bereich) ja auch zu einigen anderen Prozessen kommt). Wobei doch eigentlich der Löwenanteil noch während der Annihilationsphase und wohl auch noch davor abgelaufen sein müßte.

Ich muß jetzt aber erst mal hier abbrechen, weil ich gleich zur Arbeit muß.

Herzliche Grüße

MAC
 
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