Allgemeine Relativitätstheorie: Periheldrehung der Merkurbahn

09c

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Hallo zusammen,

bekanntlich wird die Periheldrehung von Planetenbahnen von der modifizierten Binet - Differentialgleichung abgeleitet.
Ich habe nun beide Formen dieser Gleichung parallel numerisch integriert und für jeden Schritt die Differenz der Bahnradien berechnet.
Zusätzlich habe ich die ursprüngliche Differentialgleichung so modifiziert, dass sie eine Apsidendrehung beschreibt. Auch davon habe ich die Differenz der Bahnradien im Bezug auf die
unmodifizierte Form berechnet.
Ergebnis: Die Periheldrehung wie sie die ART beschreibt ist OK.
Aber die ART beschreibt keine Apsidendrehung! Die Bahnkurve der ART weicht periodisch bis zu 14 km von der der Apsidendrehung ab.
Kann bitte jemand mein Resultat überprüfen?

Grüße,

09c
 

Bernhard

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Kann bitte jemand mein Resultat überprüfen?
Hallo 09c,

welches Integrationsverfahren hast Du denn benutzt? Sollte es das ganz einfache Euler-Verfahren sein, würde ich erst mal ein exakteres Verfahren empfehlen, wie z.B. http://de.wikipedia.org/wiki/Klassisches_Runge-Kutta-Verfahren .

Hast Du einmal Deine Ergebnisse grafisch dargestellt? Deine Integration sollte als Ergebnis den Radius der Bahn in Abhängigkeit des Winkels ergeben. Man kann bei der grafischen Darstellung also Zylinderkoordinaten verwenden und sollte dann die bekannte Rosettenkurve sehen können. Es wäre hilfreich, wenn Du mal Bilder davon zeigen könntest. Das Forum erlaubt zwar nicht das Hochladen von Bildern, aber es gibt im www etliche kostenlose Seiten, die das anbieten.
MfG
 

TomS

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Ich habe nun beide Formen dieser Gleichung parallel numerisch integriert und für jeden Schritt die Differenz der Bahnradien berechnet.
Welche beiden Formen? Die Newtonsche und die mit relativistischer Korrektur?

Zusätzlich habe ich die ursprüngliche Differentialgleichung so modifiziert, dass sie eine Apsidendrehung beschreibt.
Meinst du damit die relativistische Korrektur?

Verwendest du gekoppelte DGLs in r(t) und t sowie phi(t) und t, oder eine in r(phi)? Im ersten Fall musst du für einen Vergleich natürlich berücksichtigen, dass identische Zitschritte sowohl zu unterschiedlichem r als auch phi führen.

Ergebnis: Die Periheldrehung wie sie die ART beschreibt ist OK.
Aber die ART beschreibt keine Apsidendrehung!
Was ist für dich der Unterschied zwischen Periheldrehung und Apsidendrehung?

Hier sind die relevanten Gleichungen aufgeführt: http://en.wikipedia.org/wiki/Kepler_problem_in_general_relativity
Welche benutzt du?
 

09c

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Hallo Tom,

die modifizierte Differentialgleichung (ART) ist: u'' + u = A + 3/2*rs * u² ; u =1/r ; u'' ist die zweite Ableitung nach dem Winkel phi; A= G*M/r²/v² ; r = 0.307*1.496e11 m; v=59100 m/s
rs ist der Schwarzschild-Radius der Sonne 2*G*M/c².
Die Differentialgleichung der Apsidendrehung ist (1+d/2pi)² * u'' + u = A; A wie oben. d ist der Drehwinkel der Apside in Radian. Für d=0 folgt die ursprüngliche Form.
Die Lösung der letzten Differentialgleichung ist: u = A*(1+eps*cos(phi/(1+d/2pi))). eps ist die numerische Exzentrizität.
Die Zeit taucht nicht auf. --> r(phi)
Die Werte u für die drei Differentialgleichungen wurden parallel, voneinander unabhängig mit der Rechteck-Methode berechnet

Grüße,

09c
 

09c

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Hallo zusammen,

was ist der Unterschied zwischen Perihel- und Apsidendrehung? Eigentlich glaubte ich, da sei keiner. Aber was ist, wenn sich das Aphel nicht entsprechend mitdreht?
Aufgrund der Kleinheit des Drehungswinkels ist es nicht sinnvoll die Ellipsenbahnen selbst darzustellen. Deshalb wurde die Differenz der ART-Bahn zur Kepler -Ellipse berechnet.
Die Differenzkurve DeltaR(phi) besitzt Nullstellen ganz nahe bei phi=2pi;4pi;6pi ... (Perihel). Das heißt die Kepler- Ellipse wird dort geschnitten. Die Nullstellen (Schnittpunkte)
dazwischen liegen aber weit weg von phi=pi;3pi;5pi ... (Aphel). Im Gegenteil: Die Differenzen im Aphel liegen in der Größenordnung von 14 km. Der zweite Schnitt erfolgt erst weit weg vom Aphel.
Die ART-Bahn ist also in charakteristischer Weise deformiert.
Eine Apsidendrehung ohne physikalische Herleitung ist leicht zu formulieren. Dazu muß man nur das Winkelargument mit einer entsprechenden Zahl dividieren. Das Ergebnis r(phi) kann man mit
einer Tabellenkalkulation leicht überprüfen, wenn man die Apsidendrehung hinreichend groß wählt.
Ich berechnete die Differenzradien einer Apsidendrehung von 43,2 Bogensekunden pro Jahrhundert zur Kepler - Ellipse und verglich diese Kurve mit der Abweichung der ART-Bahn.
Ergebnis: An den Perihelpunkten stimmen die Kurven deckungsgleich überein. Die Differenzradien der Apsidendrehung sind an den Aphelpunkten gleich Null.

Grüße,

09c
 

Bernhard

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Sollte es das ganz einfache Euler-Verfahren sein, würde ich erst mal ein exakteres Verfahren empfehlen, wie z.B. http://de.wikipedia.org/wiki/Klassisches_Runge-Kutta-Verfahren .
Hallo 09c,

da habe ich leider Unsinn "verklickert". Man kann bei der Herleitung der Periheldrehung so viel analytisch ausrechnen, dass eine numerische Integration nicht wirklich lohnt. Verwende diese Zeit lieber auf eine ausgiebige Literaturrecherche um die Rechnungen nachvollziehen zu können.

Siehe z.B. auch: http://physik1.bersch.net/pdf/keplerproblem.pdf für das modifizierte Keplerproblem.

Aphel und Perihel der Ellipse sollten bei der exakten relativistischen Rechnung (siehe z.B. http://theory.gsi.de/~vanhees/faq/relativity/node72.html) in der gleichen Zeit einen Umlauf um den Brennpunkt der Ellipse machen, da ja sonst die elliptische Bahn zerstört werden würde.
MfG
 

TomS

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Hallo 09c,

Deine Darstellung ist ungewöhnlich; warum verwendest du u = 1/r?

Und deine DGL zweiter Ordnung ist sowohl kompliziert als auch numerisch weniger gut geeignet. Wie du der DGL erster Ordnung (Quadratwurzel der DGL, Trennung der Variablen, direkte Integration - siehe Wikipedia) ansiehst, enthält sie Konstanten der Bewegung. Diese sind im Falle der DGL erster Ordnung automatisch und explizit konstant, in deinem Fall wird das numerische Verfahren für die DGL zweiter Ordnung die Kostanz nicht automatisch garantieren.

Wenn du nicht an der Bahnkurve selbst sondern nur an der Perihel- bzw. Aphel-Drehung interessiert bist, ist eine vollständige Integration evtl. gar nicht notwendig. Die Betrachtung der Lösungsmenge von r'(phi) = 0 ist ausreichend; darin sind sowohl Perihel als auch Aphel enthalten.

Eine Idee wäre, die DGL aus einer geeigneten Lagrangefunktion abzuleiten und direkt die Zeitableitung des Laplace-Lenz-Runge-Vektors zu untersuchen (Achtung: nur eine Idee, algebraisch sicher aufwändig)
 

Bernhard

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Deine Darstellung ist ungewöhnlich; warum verwendest du u = 1/r?
Hallo Tom,

das findet man durchaus in den Standard-Lehrbüchern als Vereinfachung, siehe den Link zum GSI/Van Hees. Ich vermute, dass 09c eine veraltete Literaturquelle verwendet. Es wäre aber nett, wenn er diese mal angeben würde. Mir kommen die angegebenen Formeln vertraut vor, kenne diese aber eher aus mittlerweile nur noch antiquarisch erhältlicher Literatur. Manche Bibliotheken "bunkern" derartige Literatur auch über längere Zeiträume.
MfG
 

Bernhard

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Allerdings bleiben meine Einwände bzgl. der Ordnung der DGL sowie der Tatsache, dass eine vollständige Integration eigtl. nicht notwendig ist, bestehen.
Man sollte sich also auf eine korrekte DGL für die Bahnkurve r(phi) (s. z.B. VanHees-Link) einigen und kann sich dann die Lösung derselben genauer ansehen. 09c sollte dazu mal seine Quellen angeben. Bisher weiß man noch gar nicht, ob er selber etwas ausgerechnet hat und dabei Fehler gemacht hat :confused: .
 

TomS

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Man sollte sich also auf eine korrekte DGL für die Bahnkurve r(phi) (s. z.B. VanHees-Link) einigen und kann sich dann die Lösung derselben genauer ansehen. 09c sollte dazu mal seine Quellen angeben. Bisher weiß man noch gar nicht, ob er selber etwas ausgerechnet hat und dabei Fehler gemacht hat :confused: .
ja, da hast du völlig Recht
 

09c

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Hallo zusammen,

meine Quelle ist; U.E Schröder; Gravitation, Einführung in die allgemeine Relativitätstheorie ISBN 978-3-8171-1874-8 ; 5.Auflage 2011; Seite 112-116.
Die Differentialgleichung 1.Ordnung (9.17) ist mir bekannt. Sie bringt meiner Meinung keinen entscheidenden Vorteil (Wurzel, mehrere arithmetische Operationen).
Vollständige Integration halte ich für notwendig, um die Stabilität der Lösung bei verschieden großen Integrationsintervallen zu untersuchen. Sie ist sehr stabil.
Außerdem habe ich die Konsistenz mit bis zu 6 vollen Perioden geprüft.

Grüße,

09c
 

Bernhard

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1.) Hier (Link) wäre mal der Link auf eine öffentliche Seite des Buches von Schröder. Gleichung (9.18) passt meiner Meinung nach und stimmt auch mit der Gleichung von der GSI-Seite überein.

2.) Gehe ich davon aus, dass diese Gleichung direkt nicht analytisch lösbar ist, denn die zugehörige Lösung würde man sonst vermutlich in der Literatur finden. Aber das ist momentan nur eine Vermutung von mir.

3.) Die Bedingung r' = 0 ist wegen r <> 0 (r ungleich Null) gleichbedeutend mit u' = 0 und führt lediglich auf eine Beziehung zwischen den Konstanten der Bewegung und der Perihel- und Apheldistanz.
 

TomS

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Sie [die DGL 1. Ord.] bringt meiner Meinung keinen entscheidenden Vorteil (Wurzel, mehrere arithmetische Operationen).
Ich bin kein Numerik-Experte, aber ich würde im Zweifelsfall immer die DGL 1. Ord. verwenden. Der algebraische Aufwand sollte vernachlässigbar sein ggü. der 2. Ord., der potentiellen numerischen Instabilität und der Problematik, dass damit Erhaltungsgrößen nicht respektiert werden (das muss das Verfahren leisten). Im Falle der 1. Ord. muss man lediglich (numerisch) integrieren, das ist trivial ggü. einer nicht-linearen DGL. 2. Ord.
 

Bernhard

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Ich bin kein Numerik-Experte, aber ich würde im Zweifelsfall immer die DGL 1. Ord. verwenden. Der algebraische Aufwand sollte vernachlässigbar sein ggü. der 2. Ord.,
Das ist weitgehend egal in der Implementierung. Bei einer DGL 2. Ordnung muss man mit zweikomponentigen Größen arbeiten (Wert und erste Ableitung), bei der DGL 1. Ordnung dagegen nur mit dem Wert selbst. Das Verfahren ist aber für beide Fälle das gleiche.

der potentiellen numerischen Instabilität und der Problematik, dass damit Erhaltungsgrößen nicht respektiert werden (das muss das Verfahren leisten).
Diesen Punkt sollte man bei der Umsetzung bedenken.

Wichtig erscheint mir noch der Punkt, dass bei der DGL 2. Ordnung bereits ein u' im Nenner des ersten Terms auf der rechten Seite durch einen konstanten Wert ersetzt wurde. Hier hat man also bereits eine Näherung verwendet, um den Formalismus aus der newtonschen Theorie verwenden zu können.
MfG
 

09c

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Hallo Bernhard,

der erste Term rechts von Dgl 9.18 --> (k²-c²)/h² ist konstant und fällt beim Differenzieren weg.
Ein paar wichtige Sachen habe ich gestern vergessen:
Dgls des Typs dr/dw=f(r) liefern einen Kreisbogen sobald f(r)=0 --> r ist konstant. Das gilt auch für 9.18! Vom Perihel weg schlägt es einen Kreis ein. Startet man von einem anderen Punkt aus, gibt
es beim Aphel wieder einen Kreisbogen!
Bei Wurzeln muss man sich selbst um den Vorzeichenwechsel beim Nulldurchgang kümmern.
Die Fehlerfortpflanzung ist ein wichtiges Kriterium für die Stabilität der Lösung. Setzt man in eine Funktion y=f(x) ein x mit einem kleinen Fehler dx ein, so ist die Auswirkung dy auf y umso größer der Betrag
der Ableitung der Funktion ist: dy=f'(x)*dx. Wurzeln besitzen bei kleinen Beträgen sehr große Ableitungen. Die Sache wird ungenau gerade wenns spannend wird.

Grüße,
09c
 

Bernhard

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der erste Term rechts von Dgl 9.18 --> (k²-c²)/h² ist konstant und fällt beim Differenzieren weg.
Hallo 09c,

ich meinte eigentlich Gleichung 9.19, aber ich habe gerade bemerkt, dass sich hier das u' wegkürzt. Gleichung 9.19 ist damit doch keine Näherung. Danke für den Hinweis.
 
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Bernhard

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Hallo 09c,

Die Sache wird ungenau gerade wenns spannend wird.
ein Ausweg besteht ja vielleicht darin, die Zeitabhängigkeiten anzusehen. Man müsste dazu aber erst mal die zugehörige DGL neu aufstellen. Wenn man dann sieht, dass bei der Funktion r(t) das Minimum und Maximum zu periodisch wiederkehrenden Zeiten angenommen wird, wäre man doch auch wieder etwas weiter.

Falls Du daran interessiert bist, schlage ich eine zeitweise Auslagerung des Themas nach relativ-kritisch.net oder in's quantenforum.de vor, denn da gibt es LaTeX.
MfG
 

TomS

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Die Fehlerfortpflanzung ist ein wichtiges Kriterium für die Stabilität der Lösung. Setzt man in eine Funktion y=f(x) ein x mit einem kleinen Fehler dx ein, so ist die Auswirkung dy auf y umso größer der Betrag
der Ableitung der Funktion ist: dy=f'(x)*dx. Wurzeln besitzen bei kleinen Beträgen sehr große Ableitungen. Die Sache wird ungenau gerade wenns spannend wird.
Das ist irrelevant.

Wenn man die DGL erster Ordnung benutzt, muss man lediglich integrieren. Und da kann man eine Wurzel durch geeignete Variablentransformation loswerden.
 

Bernhard

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Wenn man dann sieht, dass bei der Funktion r(t) das Minimum und Maximum zu periodisch wiederkehrenden Zeiten angenommen wird, wäre man doch auch wieder etwas weiter.
@09c:

Dividiert man Gleichung (9.16) aus dem "Schröder" anstelle von (phi-punkt)² durch (x^0-punkt)^2 kommt man übrigens recht leicht auf die DGL (dr/dt)² = c² * B(r)² * (1-B(r)*((h²/r²)+c²)/k²) mit B(r) := 1-r_S/r . Dies zeigt, dass die Bewegung vom Aphel zum Perihel gerade zeitsymmtrisch zur entgegengesetzten Bewegung verläuft, da sich beide Richtungen lediglich durch ein Vorzechen vor einer Wurzel unterscheiden. Beide Richtungen dauern also genau gleich lang. Unterschiede in den beiden Abläufen der Bewegung von Aphel und Perihel sind also rein numerischer Natur, d.h. aufaddierte Rundungsfehler.
MfG
 
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