Bewusstsein - Ein grober Überblick
Miora schrieb:
Ich kann mir vorstellen, dass ein hinreichend komplexes Gebilde aufgrund wirkender Quanteneffekte mehr darstellt als die Summe seiner Einzelteile (Hier wäre Skys Kommentar wünschenswert...)
Freut mich zu lesen. Hatte mir eigentlich vorgenommen vorerst nichtmehr hier zu schreiben, da das ziemlich zeitraubend ist und diese Spinner, - ihr wisst ja welche ich meine, echt nerven. Aber ich mach mal ne Ausnahme - geht ja auch um eins meiner Lieblingsthemen.
Deine Bemerkung ist völlig zutreffend. Das Gehirn ist ein holistisches System, und als solches ist es, wie du richtig feststellst, mehr als die Summe seiner Teile. Dieser Holismus hat seine Ursache im Holismus der Quantentheorie. Ein wichtiges Konzept ist hier die quantenmechanische Verschränkung.
Es gibt Strukturen im Gehirn, Mikrotubuli genannt, die Materie, genauer eine Flüssigkeit, so gut isolieren dass sie sich in einem global Quantenkohärenten Zustand befinden kann. Diese Perfekt isolierten Röhren wurden von der Natur nicht extra dafür angelegt um dem Lebewesen ein Bewusstsein zu ermöglichen sondern dienten schon zufor dem Molekültransport zu den Synapsen, wo Makromoleküle gebraucht werden um elektrochemische Signale von einem Neuron zum anderen zu übertragen.
Der global Quantenkohärente Zustand innerhalb der Mikrotubuli die durch MAP-Brücken verbunden sind beeinflusst auch den Molekültransport an ihrer Oberfläche. Dies geschieht dadurch dass die Flüssigkeit im Innern mit den elektrischen Aktivierungsmustern der Tubulindimäre aus denen die Mikrotubuli bestehen verschränkt werden. Von eben diesen Aktivierungsmustern die die Röhren blitzschnell durchlaufen werden die Makromoleküle geleitet.
Sobald die Wellenfunktion des Zustands im Innern der Mikrotubuli kollabiert hat der Geist einen Freiraum zur Beinflussung des Gehirns. Der Geist existiert nur wenn er einen solchen Einfluss ausübt. Ein parallelistischen Geist, der nur Parallel zu den materiellen Vorgängen abläuft kann es nicht geben. Es würde sich dann um ein nicht wissenschaftlich untersuchbares Epiphänomen handeln. Die Annahme der Existenz von Bewusstsein wäre dann eine Metaphysische. Dies kann aber nicht sein da, wir "wissen" (also Bewusstsein) über unsere Umwelt haben müssen um sie zu verstehen und entsprechend zu handeln. Wie der Mathematiker und Logiker Kurt Gödel 1931 bewiesen hat lässt sich kein Computer konstruieren der alle mathematischen Sätze beweisen kann. Es gibt keine endliche Menge an Axiomen und Ableitungsregeln die auch nur die Relationen der Natürlichen Zahlen untereinander angemessen beschreiben kann. Die unendliche Menge der Natürlichen Zahlen kann nicht mit einem endlichen (mechanischen) Regelwerk erfasst werden. Wir können aber alle Eigenschaften von Zahlen oder anderen Dingen erfassen. Ein Roboter hat kein "wissen". Sein verhalten ist lediglich durch das machanische Zusammenwirken von Atomen erklärbar.
Wir hingegen wissen etwas. Das Geist-Gehirn-Problem besteht nun darin wie es einer bestimmten Menge an Atomen und Molekülen nicht egal sein kann wie sie sich bewegen. Warum Bewusstsein entsteht wenn sich Atome auf eine ganz bestimmte Weise bewegen und auf bestimmte weise liegen.
Eine sehr schöne Beschreibung des Problems hier:
"Welche denkbare Verbindung besteht zwischen bestimmten Bewegungen bestimmter Atome in meinem Gehirn einerseits, andererseits den für mich ursprünglichen, nicht weiter definierbaren, nicht wegzuleugnenden Tatsachen: > Ich fühle Schmerz, fühle Lust; ich schmecke Süße, rieche Rosenduft, höre Orgelton, sehe Rot < (...). Es ist eben durchaus und für immer unbegreiflich, dass es eine Anzahl von Kohlenstoff-, Wasserstoff-, Stickstoff- u.s.w. Atomen nicht sollte gleichgültig sein, wie sie liegen und sich bewegen, wie sie lagen und sich bewegten, wie sie liegen und sich bewegen werden. Es ist in keiner Weise einzusehen, wie aus ihrem Zusammensein Bewusstsein entstehen könnte." (Du Bois-Reymond)
Auch wenn ich kein bisschen von diesem Pessimismus habe finde ich diese Beschreibung sehr gut.
Was tut Bewusstsein?
Wenn wir etwas verstehen dann "erfasst" es eine "Relation" zwischen zwei Erlebnissen, Theorien oder irgendwelchen anderen Arten von "Ideen". All diese Ideen sind in zeitlich voneinander getrennten Erlebnissen enthalten.
Bewusstsein verknüpft diese Erlebnisse auf nichtalgorithmische Art und weise. Eine Maschine kann auch Dinge verknüpfen die sie registriert hat (um nicht das Wort "sehen" zu benutzen, das viel eindeutiger dem Qualia-Vokabular entstammt). Sie tut dies aber ohne die Sachverhalte zu begreifen. Selbst wenn sie "wissen" um diese Sachverhalte hätte, die durch die menchanischen Vorgänge in ihr Repräsentiert werden, dann hätte das keinen Einfluss auf ihr mechanisches Verhalten. Die Bahavoristen wollen uns weiss machen dass "unser Verstehen" oder "unser wissen" genauso überflüssig ist wie das einer Maschine, wenn sie es denn hätte, was diese Philosophen, - natürlich ohne wissenschaftliche, d.h. experimentelle Argumente, bestreiten.
Bewusstsein verknüpft nicht nur Zeitlich voneinander getrennt wahrgenommene "Ideen" sondern auch räumlich getrennte Sinneseindrücke.
So bestand der evolutionäre Vorteil des Bewusstsein zunächst vor allem darin den Lebewesen einen holistischen Eindruck ihrer visuellen Inputs zu ermöglichen.
Ein Lebewesen ist dann eindreutig Bewusst wenn es auf globale Eigenschaften seines Gesichtsfeldes reagiert, die nicht in seinen einzelnen Teilen zu erkennen sind. Denn die Neuronen können immer nur auf Lokale Eigenschaften reagieren. Sie sind immer nur auf eine bestimmte Region im Gesichtsfeld spezialisiert und erhalten Inputs nur von bestimmten Neuronen - die in der komplexitätshirarchie unter ihnen sind.
http://www.astronews.com/forum/showthread.php?t=133&page=23
(Beitrag 226)
Da es kein epiphänomenalistisches Bewusstsein geben kann, also ein solches das sich nicht auswirkt, wird alles erst dann bewusst wenn entsprechende Signale Neuronene einer ausreichend komplexen Organisationsstufe erreicht sind. Im allgemeinen muss die ganze Projektionskaskade bis ins Limbische System erfolgen und erst nach der Projektion zurück in den Neokortex kommt es zu einer bewussten wahrnehmung. Freilich erst nachdem diese Wahrnehmung auf unseren mentalen Zustand ausgewirkt hat und diese Auswirung über viel Kollapsereignisse (alle 1/40 Sekunde) vom Gehirn umgesetzt wurden - im Rahmen dessen was Quanteneffekte erlauben.
Dies führt dazu dass unser Bewusstsein erst 0,5 Sekunden nach unseren Sinneswahrnehmungen erscheint obwohl entsprechende Signale schon in 0,015 Sekunden das Gehirn erreichen und die Projektionskaskade, wohl, auch in nicht viel längerer Zeit durchlaufen ist.
Außerdem kann es innerhalb dieser 0,5 Sekunden vorkommen, dass ein starker Reiz das Bewusstsein eines etwas schwächeren Reizes in einer nahen region verhindert, selbst dann wenn der schwache Reiz vor dem starken Reiz erfolgt ist. Dieser Effekt wurde eingehend von Benjamin Libet untersucht. Er nennt sich "retroaktive Rückmaskierung".
Das Bewusstsein ist ein deterministisches nichtalgorithmisches Element dass den algorithmischen Zufall beim Kollaps der Wellenfunktion ersetzt.
Zum Begriff "nichtalgorithmisch" siehe auch Beitrag 193:
http://www.astronews.com/forum/showthread.php?t=133&page=20
Dass Bewusstsein direkten Einfluss auf die Synapsenstärken im Gehirn hat scheint auf den ersten Blick eine gewaltige Behauptung zu sein.
Tatsächlich ist die Beweislast aber sowohl auf theoretischer als auch experimenteller Seite (für die Bahavoristen) erdrückend.
Um nur ein weiteres Beispiel zu nennen.
Bei Patienten mit Hippocampus-Lesion scheint das Bewusstsein die Synapsenstärke aufgecht zu erhalten ohne dass der Hippocampus, der hier ja nicht vorhanden ist, diese potenzieren müsste. Siehe dazu auch Beitrag 227.
Eine Übersicht über alle wichtigen Beiträge bis Beitrag 208 findet sich hier:
http://www.astronews.com/forum/showthread.php?t=133&page=21
(Beitrag 209)
Ich hoffe ihr stört euch nicht zu sehr an der viel zu wagen Skizzierung meiner Gedanken.
Noch was: Vielleicht ist der Begriff der Qualia hier vielen noch unklar. Hier mal eine kurze Erklärung von mir:
"Wenn wir Licht einer bestimmten Frequenz wahrnehmen dann wird uns das in Form einer bestimmen Qualia bewusst. Etwa wird uns eine bestimmte Frequenz irgendwas mal 10^15 Herz als "Rot" bewusst. Die Qualität von "Rot" ist dabei nicht aus den Naturgesetzen ableitbar. Außerdem können wir nicht ohne weiteres feststellen ob andere Menschen dieselbe Qualia haben. Wenn wir uns darüber einigen dass etwas bestimmtes "Rot" ist einigen wir uns eigentlich nur über die Lichtfrequenz. Wir wissen nur ob der andere vielleicht etwas Ähnliches wie "Blau" sieht wenn wir Rot sehen.
Analog gilt dass für alle anderen "repräsentativen Teile" des Bewusstseins".
Man kann sich natürlich auch die Erklärung bei wikipedia ansehen.
Literaturhinweise:
1) "Das Ich und Sein Gehirn" von Karl Popper und John Eccles
2) "Die Evolution des Gehirns und die Schaffung des Selbst" von John Eccles
3) "Computerdenken" von Roger Penrose
4) "Schatten des Geistes" von Roger Penrose
5) "Das Große das kleine und der Menschliche Geist" von Roger Penrose
6) "Mind Time" von Benjamin Libet
7) "Gödels Beweis" von Ernst Nagel und James R. Newman
8) "Bewusstsein - Philosophische Beiträge" von Sybille Krämer