Ich schließe mich Dgoes Ausführungen an.
Ich kenne dieses Einstein-Zitat, jeder Depp verwendet es. Es ist äußerst unpraktisch für uns Forenschreiber, obwohl Einstein sonst ein guter Zitatelieferant ist. Warum?
Ich nehme einfach mal an, dass der Kontext zählt. Einstein war umgeben von geistig gesunden, wissenschaftlich ausgebildeten Menschen. Denen hatte er diese unglaubliche Intuition voraus, dieses zielsichere Wissen, was wichtig-richtig ist und was nicht. (Vielleicht war's auch Zufall, nach 1916 hat er ja nicht wirklich nur auf die richtigen Pferde gesetzt.)
Die Entwicklungsgeschichte der Relativitätstheorien und auch des Photonkonzepts sind phänomenal genial. Einstein hat nichts weiter als die Fakten zählen lassen, Vorurteile über Bord geworfen und - mit einem gehörigen Maß Phantasie - daraus neue Weltbilder erschaffen. Das zeichnete ihn vor den Zeitgenossen aus, die diese Fakten ebenfalls sahen, aber nicht in der Lage waren, die richtigen unkonventionellen Schlüsse zu ziehen.
Dazu brauchte er aber ein ganz außergewöhnliches Wissen. Nicht nur der Stand der Forschung musste ihm geläufig sein, sondern er musste auch über sichere Mathematikkennisse verfügen, die ihn über zehn oder auch mal hundert Gleichungen weg ans Ziel bringen konnten. Ein Ausrutscher in nur einer Gleichung, und alles ist hin, wenn man nicht das Wissen hat, solche Ausrutscher zu erkennen.
Das hat er in seinem Zitat wohl vorausgesetzt. Es gibt nicht viele Leute, die das können, aber ich bin sicher, dass in Einsteins elitären Kreisen kein Mangel an solchen war. Denen könnte man - auf höchstem Niveau natürlich - vielleicht einen Mangel an Phantasie ankreiden. Weil sie trotz allem nicht den richtigen Weg gesehen haben.
Beispiel Minkowski. Der Mann war Mathematiker und hatte Einsteins Theorie binnen Wochen viel besser verstanden als Einstein selbst. Man darf ihn durchaus auch als phantasiebegabt bezeichnen, er hat der SRT erst ihr wahres Gesicht gegeben. Aber eins hat er nicht gemacht, nämlich diese Theorie erfunden. Deswegen sprach er auch vom "Treppenwitz": Kaum hatte er über die Theorie ausreichend nachgedacht, war ihm klar, dass man sie aus theoretischen Gründen schon längst hätte erfinden müssen. Sie war ja sowas von offensichtlich.
Hat man aber nicht. Einstein hat sie gefunden, mit seiner "Phantasie". Da war er dem reinen "Wissen" überlegen.
Das Problem heute mit diesem Zitat ist: Es gibt unglaublich viele Leute, die gar nichts wissen. Ihre Phantasie mag gut oder schlecht sein, das kann man aber nicht beurteilen, weil sie leider keine zwei sinntragenden Sätze hintereinander formulieren können.
Genau diese Leute verwenden dieses Zitat für ihre Rechtfertigung. Ihr unbekanntes Phantasiepotential ist natürlich erheblich größer als ihr nicht vorhandenes Potential an Wissen. In ihrer Wahrnehmung des Zitats sind sie damit dem Mainstreamwissenschaftler überlegen, weil der einen größeren Anteil an Wissen verbuchen muss. (Was übrigens die Phantasie gehörig einschränkt, wenn ich das mal anmerken darf.)
Was Einsein meinte war, dass man in Kentniss der Fakten und im Besitz logischen und mathematischen Scharfsinns immer noch Phantasie braucht, um etwaige Denkkorsette zu überwinden.
Was der Crank meint ist, dass man eine vollkommene Unkenntnis der Fakten und nichtvorhandene mathematisch-logische Fähigkeiten als irrelevant abtun kann, weil ja die Phantasie wichtiger sei. Wobei sich der Crank, mangels vernünftiger Definition des Wortes "Phantasie", dem Mainstreamwissenschaftler in diesem Gebiet überlegen glaubt. Was bei näherer Betrachtung nicht der Fall ist.