Die Widerlegung des Doomsday-Arguments

ralfkannenberg

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Hallo zusammen,

ich möchte jetzt mal das DA "heuristisch" knacken, also nicht streng formal, sondern mehr anschaulich.

Hierzu dient mir der Begriff des "typischen Exemplares", also beispielsweise des "typischen Menschen" - deswegen hatte ich hier ja auch noch genauer nachgefragt.

Ich betrachte jetzt auch keinen Zeitstrahl oder Geburtsrang, d.h. das müsste man sich dann noch im Detail näher anschauen. Ich möchte nun also das "typische Exemplar" aushebeln bzw. "Werbung" machen, dass der heutige Mensch eben womöglich doch nicht so typisch ist wie es zunächst aussieht, wenn man keine weiteren Annahmen trifft.

Betrachten wir also zu diesem Zwecke die "typische Tierart". Ich würde bis auf guten Widerspruch also annehmen, dass der "typische Mensch" zu einer "typischen Tierart" gehört, ebenso wie Ratten, Affen, Hunde oder Feuersalamander und Spinnen, nur um einige ganz wenige von ihnen zu nennen.

Wieviele von ihnen hat es geschafft, auf den Mond zu kommen ? Ich schliesse daraus, dass die typische Tierart bislang nicht in der Lage war, zum Mond zu gelangen, und mit dem Argumentationsschema des DA könnte man nun daraus schliessen, dass weil der Mensch ja auch eine typische Tierart ist auch der Mensch nicht zum Mond gelangen kann.

Er ist es aber, d.h. zumindest bezüglich der Fähigkeit, den Mond zu erreichen, ist der Mensch unter den Tierarten nicht typisch. Und entsprechend sehe ich auch wenig Grund für die Annahme, dass der (heutige) Mensch bezüglich seines künftigen Populationsverhaltens "typisch" sein solle.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

Lina-Inverse

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In einer Situation, in der man nichts über die eigene Position in einer Verteilung aussagen kann, fährt man mit dem kopernikanischen Prinzip (auf dem das DA beruht) eben viel besser als mit reinem Raten (oder Kaffeesatzlesen).
Und die konsequente Anwendung des kopernikanischen Prinzips bis ins letzte Extrem beschert dir potentiell unendliche Populationen (isotropes, räumlich unendliches Universum). Du muss einige Einschränkungen des kopernikanischen Prinzips zulassen um das zu umgehen (diese habe ich im meinem Vorherigen Post explizit genannt). Es dreht sich doch auch wesentlich darum welche Einschränkungen sinnvoll sind, und welche nicht.

Aber natürlich kann sie genausogut demnächst aussterben. Das löst das DA am überzeugendsten und einfachsten, und angesichts von Umweltgefahren, neuen Technologien, Massenvernichtungswaffen von nuklear bis biologisch scheint es auch gar nicht so unwahrscheinlich.
Da möchte ich entschieden Widersprechen. Die Menschheit muss schon zu ziemlichen Handständen greifen um sich selbst zuverlässig auszurotten. Nuklearer Krieg? Zerstört unsere Zivilisation, aber ausrotten würde es die Menschheit nicht. Umweltgefahren? Dito. Ein Rückfall auf ein Niveau vor der neolithischen Revolution halte ich für plausibel darstellbar, das würde auch der Evolution Tür und Tor öffnen - dann hören die Nachfahren einfach auf Menschen zu sein. U.a. deshalb halte ich die exakte Definition der Klasse Mensch für so wichtig.

So lange es keine Perpetuum Mobiles gibt, kann es in unserem Universum nur eine endliche Anzahl Menschen geben.
Sprichst du vom Universum als Ganzes ist das durchaus anfechtbar (siehe meinen vorherigen Post). Für das sichtbare Universum stimme ich zu (mit den von mir zuvor vorgeschlagenen expliziten Prämissen).

Das Argument von Ralf finde ich sehr interessant, es beweist doch zumindest das der Wahl der Referenzklasse eine überragende Bedeutung zukommt.
@Ralf: Ich hoffe ich kann dich überreden das typisch in Zukunft zu streichen. Das Argument funktioniert nach Streichung von typisch ganz genauso und wir hätten ein Defnitionsproblem weniger.

Gruss
Michael
 

ralfkannenberg

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Das Argument von Ralf finde ich sehr interessant, es beweist doch zumindest das der Wahl der Referenzklasse eine überragende Bedeutung zukommt.
@Ralf: Ich hoffe ich kann dich überreden das typisch in Zukunft zu streichen. Das Argument funktioniert nach Streichung von typisch ganz genauso und wir hätten ein Defnitionsproblem weniger.
Hallo Michael,

das "Schlimme" ist, dass es meines Erachtens gar nicht im Widerspruch zu Bynaus steht. Bynaus geht einfach davon aus, dass wir gar keine Zusatzinformationen haben und unter einer solchen Voraussetzung hat er m.E. natürlich recht.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

Aries

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Das bedeutet, dass wenn Du die Geburtsnummer eines Menschen Deiner Zeit heranziehst, dies keine zufällige Auswahl ist.

Aber ich zweifle, ob wir uns hier verstehen können, denn ich verstehe langsam nicht mehr, warum Du mich nicht verstehst.

Bynaus schrieb:
Nein, muss ich nicht. Ich interessiere mich nicht für die Geschichte des Brokkoli-Essens, sondern für die Geschichte der Menschheit. Genauso wie die Addition schon korrekt war, bevor sie erfunden wurde, kann ich auch das DA auf alle Menschen anwenden.
Es geht hier nicht um Brokkoli. Du willst eine zufällige Geburtsnummer aus der Menge aller menschlichen Geburtsnummern ziehen. Die Methode einfach einen Menschen aus Deiner Zeit zu nehmen, ist aber möglicherweise/wahrscheinlich keine zufällige.

Bynaus schrieb:
Allen - schau selbst nach, z.B. im CIA World Factbook. Plotte einfach Einkommen gegen Kinderzahl. Es gibt ganz wenige Ausnahmen, Israel ist eine davon.
Interessante Seite, Danke dafür! Hast Du einen genauen Link? Ich finde da nur für ganze Länder die Kinderzahl pro Frau. Einkommen finde ich nicht.

Geeignet wäre pro Staat der Korrelationkoeffizient aus Kinder pro Frau und Einkommen.

Aber es scheint so, als ob man da nur Staaten vergleichen könnte, und nicht die Menschen in den Staaten.

Eines ist klar: Die meisten Länder sind mehr oder weniger von der westlichen Kultur beeinflusst. Vermutlich ist tendenziell, je höher dieser Einfluss ist, der Korrelationkoeffizient aus Kinder pro Frau und Einkommen niedriger.

Dass es auch anders als in der modernen nichtjüdischen westlichen Kultur geht, zeigen, worauf Du schon hingedeutet hast, die Juden.

Bynaus schrieb:
Nein, sie ist bloss sehr unwahrscheinlich. Sagen wirs so: Die Chance ist grösser, dass dieser Komet nächsten Herbst den Mars trifft
Wie hoch ist die denn? :)

Bynaus schrieb:
Ja, das haben wir vor langer Zeit bereits diskutiert. So lange diese weiterentwickelte Art immer noch Beobachter stellt, gibt es keinen Grund davon auszugehen, dass wir zur primitiven Art gehören sollen, wenn doch die Mehrheit aller Beobachter zur weiterentwickelten Art gehören.
Das verstehe ich hinten und vorne nicht. Die mögliche Spaltung der menschlichen Art, von der ich rede, hat ja noch garnicht stattgefunden.

Aber möglicherweise müsste man einen Übermenschen, den die Evolution hervorbringen könnte, immernoch zu den Menschen zählen, sowie der Mensch ja auch zu den Primaten gezählt wird.

Bynaus schrieb:
Doch, warum nicht? Würden wir in einer heilen, stabilen, nachhaltigen Welt leben, die alle potentiellen, existenzbedrohenden Katastrophen gebändigt hat, wäre es auf jeden Fall schwieriger, der zentralen Aussage des DA Glauben zu schenken.
Ja aber nach derjenigen Logik, nach der das DDA gilt, gilt es eben immer und überall, vollkommen unabhängig von jeglichen sachbezogenen Fakten. Wenn man sich irgendwie nach Fakten, die die Situation der Menschheit betreffen schert, ist man doch schon aus der Logik des DDA raus.

Bynaus schrieb:
Nur so lange du eine Senke hast, also eine weniger warme Region. Wie gesagt: du brauchst ein Perpetuum Mobile, um die Menschheit mit endlichen Ressourcen für unendliche Zeit zu erhalten.
Ja gut, mag sein. Der Punkt ist aber folgender:

Wenn man rein mathematisch argumentiert, ist eine nach dem DDA errechnete Menschenzahl nicht gegen eine unendliche Menschenzahl abwägbar.
Wenn man Unendlichkeit aufgrund einer physikalischen Grenze ausschließt, ist eine nach dem DDA errechnete Menschenzahl nicht gegen die maximale Menschenzahl, die diese physikalische Grenze zulässt, abwägbar. (Darauf hat TomS ja schon mit dem Auto-Beispiel hingewiesen.)

Es ändert quasi nichts, wenn Du, nur was die Unendlichkeit betrifft, physikalische Argumente zulässt. Wäre ja auch unlogisch. Wenn Du physikalische Argumente aber generell zulässt, ziehst Du damit dem DDA komplett den Boden unter den Füßen weg.
 
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Kibo

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Du willst eine zufällige Geburtsnummer aus der Menge aller menschlichen Geburtsnummern ziehen. Die Methode einfach einen Menschen aus Deiner Zeit zu nehmen, ist aber möglicherweise/wahrscheinlich keine zufällige.

Er zieht aber nicht irgend wen anderes sondern sich selber. Es ist reiner Zufall, dass er mit der Geburtsnummer 69.937.654.398 geboren wurde, es hätte genau so gut auch 42 sein können, dann würde er aber mit seinem DA kräftig falsch liegen. Das konnte man damals ja noch nicht wissen, das dieser kleine Stamm von Menschen sich so ausbreitet und nicht von Löwen gefressen wird.

Unendlich viele Menschen... Typische Tiere....

Das kommt davon, wenn man von der vorgegebenen Referanzklasse abweicht. Bynaus hat es selber die des öfteren gesagt. Die Referanzklasse Beobachter ist eine humanoide Spezies mit dem Ursprung Erde im Sol System der Milchstraße, und beginnt beliebig beispielsweise mit der Erlangung der kognitiven Fähigkeit über seine Geburtsummer nachzudenken.
Bynaus interessieren keine "Menschen", die 70 Billiarden Lichtjahre weiter weg auf Klaxmurg von bekifften Aliens erschaffen und ausgesetzt wurden und zufälligerweise ihren Planeten Erde nennen. Da deren Aussterben für ihn keine Relevanz hat, warum sollte er sie in seine Referenzklasse mit aufnehmen? Die Menschen die uns interessieren können sich nicht unendlich vermehren, da hilft auch keine sonstige Verstauchung der Hirnwindungen.

mfg
 
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TomS

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Ich versuche die Probleme nochmal kurz und präzise zusammenzufassen:

Das DDA ist ein rein mathematisches Argument, das in seinen Prämissen und seinen Schlussfolgerungen vollständig agnostisch bzgl. Physik, Biologie o.ä. ist. Daher sind sowohl Stützungen des DDA als auch potentielle Widerlegungen rein mathematisch zu halten (sonst könnte bzw. müsste man auch konkrete Modell aus der Physik, der Biologie und ggf. der Politik, Soziologie etc. zulassen).

Jedes Argument, das sich anderer Ideen bedient (Endlichkeit der Population aufgrund physikalischer Annahmen) schwächt das DDA logisch, da damit von den zuvor beschriebenen Prämissen abgewichen wird. Rein mathematisch gibt es keinen Grund, der gegen eine unendliche Population spricht, außer der Tatsache, dass damit die Mathematik des DDA nicht mehr funktioniert.

Dazu gib es auch ein entsprechendes Argument auf der englischen Wikipedia-Seite, das motiviert, warum rein mathematisch eine unendliche Population möglich ist.

http://en.wikipedia.org/wiki/Doomsday_argument#Infinite_Expectation

Die (aus mathematischer Sicht) künstliche Einschränkung auf eine endliche Population kann zu einem Effekt führen, wie ich sie im Beispiel des Autokaufs beschrieben habe. Siehe dazu Post #40 (und bitte lest ihn und geht inhaltlich auf die Argumentation ein, anstatt immer nur abzulehnen, ohne mathematisch zu argumentieren)

Ein mathematisch korrektes Vorgehen wäre, keine Annahme über die Population zu treffen (d.h. endlich oder unendlich zuzulassen) und einen Erwartungswert für die Population abzuleiten. Dies ist mit den mathematischen Prämissen des DDA nicht möglich, daher sind diese schwach, und man sollte sich allgemeinere Prämissen überlegen. Auch dazu habe ich ein Beispiel angeführt, nämlich in in #46, wobei ich unter vergleichsweise agnostischen Annahmen mittels eines Poissonprozesses auf eine unendliche Population komme (auch hier die Bitte um inhaltliche Diskussion anstelle von Ablehnung, ohne mathematische Argumentation)

Alleine die Existenz dieses alternativen Modells stellt das DDA in Frage. Und damit lautet meine Argumentation weiterhin, dass die Annahmen sowie die Anwendbarkeit des DDA (oder ähnlich gelagerter Argumente) logisch nicht bzw. nur schwach zu rechtfertigen sind. Ich sehe nicht, wie man unter Kenntnis logisch gleichwertigen Alternativen eine davon logisch begründet ablehnen kann.

D.h. meine Argumentation trifft sowohl das DDA als auch ähnlich gelagerte Alternativen!
 
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ralfkannenberg

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Hallo zusammen,

ich will noch einen heuristischen Einwand vortragen, wobei dieser erneut nicht das DA selber, sondern nur dessen Anwendbarkeit auf die Menschheit betrifft. Sorry Michael wenn ich mich dabei weiterhin auf diesen Begriff des "typischen Exemplares" beziehe.

Es gibt zahlreiche Tierarten, die - je nach Argumentation - eine genügend hohe Präsenzdauer auf der Erde oder eine genügend hohe Anzahl Exemplare auf der Erde aufweisen.

All' diese befanden sich in der Vergangenheit einmal aus DA-Sicht in einer analogen Situation, in der sich die Menschheit heute befindet.

Trotzdem sind sie noch nicht ausgestorben. Und da der Mensch aus Evolutionssicht eine der jüngeren Tierarten auf der Erde ist, würde dies unter Anwendung des DA bedeuten, dass fast alle heute noch lebenden Tierarten nicht-typisch sind und ein solches Resultat ist meines Erachtens absurd, es sei denn, man bezeichnet die bereits ausgestorbenen Tierarten als "typisch".


Freundliche Grüsse, Ralf
 
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Bynaus

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@Lina-Inverse:

Es spielt keine Rolle ob eine Teilpopulation (z.B. wir Erdbewohner) unser sichtbares Universum verlassen können. In einem isotropen, räumlich unendlichem Universum gibts es unendlich viele Erden - diese haben zwar nur endliche Energie in ihrer Reichweite, aber die Summe der Teilpopulationen ist trotzdem unendlich. Bynaus Argumentation der Erreichbarkeit spielt dafür keine Rolle.

Diese Art von Unendlichkeit spielt beim DA keine Rolle. Es geht darum, dass in einer fortlaufenden Reihe (wie dem Geburtsrang) der Bruch zwischen einer Zahl aus der Reihe und der grössten Zahl der Reihe (ein Mass für die Position innerhalb der Reihe) stets definiert ist - ausser, die Reihe ist unendlich lang. Dann ist jede Zahl aus der Reihe extrem (der Bruch wird stets beliebig klein), so dass die Umkehrung nicht funktionieren kann. Dass "anderswo" auch noch andere Reihen existieren (und seien es unendlich viele), spielt keine Rolle, denn wir interessieren uns nur für diese eine Reihe - für die Menschen, die auf dieser Erde entstanden sind. Und wenn wir da zum Schluss kommen, dass diese Reihe irgendwann zwingend zu einem Ende kommen muss, dann ist eben jede Position auf der Reihe definiert (wenn auch der Wert des Bruches unbekannt ist), womit das DA greifen kann.

@ralfkannenberg:

Er ist es aber, d.h. zumindest bezüglich der Fähigkeit, den Mond zu erreichen, ist der Mensch unter den Tierarten nicht typisch.

Niemand hat das behauptet...

Ein typischer Mensch ist einer mit einer typischen Geburtsnummer (wie kürzlich definiert). Nichts weiter.

Wieder @Lina-Inverse:

Es dreht sich doch auch wesentlich darum welche Einschränkungen sinnvoll sind, und welche nicht.

Richtig. Gib mir einen guten Grund (ausser dass es so beruhigend und angenehm wäre, davon auszugehen), warum ich davon ausgehen soll, dass wir heute lebenden Menschen zu den praktisch allerersten Menschen überhaupt gehören sollen, und warum das überzeugender sein soll als die 90%-Wahrscheinlichkeit, dass wir meiner Definition eines typischen Menschen genügen.

Wir kennen keine anderen Zivilisationen, also können wir nichts durch Beobachtung und Erfahrung ableiten. Wir können höchstens in die Geschichte der Menschheit sehen, und da sehen wir, dass jede bisherige Hochzivilisation kollabiert ist. Natürlich könnten wir dann (wie wohl viele Zivilisationen vor uns) behaupten, dass es bei uns anders wäre. Wir können auch in die Zukunft schauen und uns fragen, was geschieht, wenn die Party, die uns die fossilen Energieträger beschert haben, zu ihrem unausweichlichen Ende kommt. Wir können hinaus ins All schauen und sehen, dass da draussen keine galaktischen Superzivilisationen zu erkennen sind, dass selbst das Sonnensystem mit seinen 4.5 Mrd Jahren soweit absolut frisch und unberührt aussieht. Anderseits sehe ich auch keinen Grund, warum wir zu den praktisch allerletzten Menschen gehören sollten. Sicher, es gibt Gefahren für die Zivilisation, aber ich sehe nicht, warum diese in den nächsten Jahrzehnten bereits das Ende der Menschheit herbeibringen sollten (und das wäre nötig, um uns extrem bzw. untypisch im Sinn von sehr hohen Geburtsrängen zu machen). Selbst wenn ich die Welt da draussen also berücksichtigen möchte, ich sehe keinen Grund, von der Einschätzung, dass wir wohl typische Geburtsränge haben, abzurücken.

Da möchte ich entschieden Widersprechen. Die Menschheit muss schon zu ziemlichen Handständen greifen um sich selbst zuverlässig auszurotten. Nuklearer Krieg? Zerstört unsere Zivilisation, aber ausrotten würde es die Menschheit nicht. Umweltgefahren? Dito. Ein Rückfall auf ein Niveau vor der neolithischen Revolution halte ich für plausibel darstellbar, das würde auch der Evolution Tür und Tor öffnen - dann hören die Nachfahren einfach auf Menschen zu sein. U.a. deshalb halte ich die exakte Definition der Klasse Mensch für so wichtig.

Ach, es gibt sicher jede Menge Dinge, die die Menschheit restlos ausrotten können. Die Neanderthaler sind auch ausgestorben, ganz ohne nuklearem Krieg oder Umweltgefahren. Ich bin sicher, dass die Technologie da genausoviele Möglichkeiten in petto hat wie die Natur.

Die Definition der Klasse Mensch bzw. Beobachter bzw. "Ichs" halt ich nicht für so umwerfend wichtig. Wir sollten typische Positionen in allen (nein - nur in den meisten!) denkbaren Referenzklassen einnehmen (natürlich kann man sich eine Menge Referenzklassen ausdenken, in denen wir keine typische Position einnehmen, aber das ändert nichts daran). Zudem gab es ganz am Anfang so lange Zeit so wenige Menschen, dass es keine grosse Rolle spielt, bei welcher Gruppe von Hominiden wir den Schnitt effektiv ansetzen.

Aries schrieb:
Aber ich zweifle, ob wir uns hier verstehen können, denn ich verstehe langsam nicht mehr, warum Du mich nicht verstehst.

Ich verstehe dich voll und ganz. Aber der Umstand, dass ich meine Geburtsnummer kenne, ist überhaupt nicht zwingend an eine untypische Geburtsnummer gekoppelt. Das mag dir zwar plausibel erscheinen, aber das allein hat nichts zu sagen. Wir haben keine empirischen Informationen darüber, ob Leute, die ihre Geburtsnummer kennen, auch untypische Geburtsnummern haben. Und genau deshalb ist es vernünftig, bis zum Beweis des Gegenteils (z.B., sagen wir, einer Encyclopedia Galactica, zu der wir Zugang erhalten und nachschauen können, wann im Verlauf der typischen Zivilisationsentwicklung das DA entwickelt wird, so dass wir "Kenntnis der Geburtsnummer" und "untypische Position innerhalb aller Geburtsnummern" miteinander vergleichen können) vom DA auszugehen.

Du willst eine zufällige Geburtsnummer aus der Menge aller menschlichen Geburtsnummern ziehen.

Eigentlich nicht. Ich frage mich, ob man quasi auch sagen könnte, dass ich durch eine faire Geburtsnummernlotterie in genau dieses Leben gekomen bin. Wenn ja, dann sagt meine Geburtsnummer eben etwas über die Anzahl Lose aus (sie ist sicher nicht kleiner, aber höchstwahrscheinlich auch nicht sehr viel grösser). Das ist alles.

Die Methode einfach einen Menschen aus Deiner Zeit zu nehmen, ist aber möglicherweise/wahrscheinlich keine zufällige.

Das DA über die Zeit ist problematischer als jenes über die Geburtsnummer. Wenn viele Menschen gleichzeitig leben, ist es wahrscheinlicher, diese Zeit zu beobachten als irgend eine andere. Deshalb definiere ich stets das DA über die Geburtsnummer. Dass wir heute (bzw. in "unserem Geburtsnummernbereich") das DA kennen und darüber diskutieren, ist bloss eine Nebenerscheinung dieser Zeit, wie auch Flugzeuge oder Mondlandungen. Deswegen muss ich nicht davon ausgehen, dass die Geburtsnummernlotterie getürkt war.

Interessante Seite, Danke dafür! Hast Du einen genauen Link? Ich finde da nur für ganze Länder die Kinderzahl pro Frau. Einkommen finde ich nicht.

Du kannst das Bruttosozialprodukt nehmen.

Eines ist klar: Die meisten Länder sind mehr oder weniger von der westlichen Kultur beeinflusst. Vermutlich ist tendenziell, je höher dieser Einfluss ist, der Korrelationkoeffizient aus Kinder pro Frau und Einkommen niedriger.

Nana, jetzt redest du dich heraus und setzt moderner Lebensstil mit westlichem Lebensstil gleich. Aber sag mal einem Chinesen bzw. einem Iraner oder Brasilianer, sie seien "westlich beeinflusst". All diese Länder haben eine drastische Reduktion der Kinderzahlen mit wachsendem Einkommen, Gleichberechtigung und der Einführung von Verhütungsmitteln gesehen. Diese Effekte würden anhalten, selbst wenn der Westen morgen kollabierte.

Dass es auch anders als in der modernen nichtjüdischen westlichen Kultur geht, zeigen, worauf Du schon hingedeutet hast, die Juden.

Ich würde eher sagen, das ist ein Artefakt eines politisch-religiösen Konstrukts, aber das führt jetzt zuweit vom Thema weg.

(Fortsetzung in Teil 2)
 

Bynaus

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(Fortsetzung)


Das verstehe ich hinten und vorne nicht. Die mögliche Spaltung der menschlichen Art, von der ich rede, hat ja noch garnicht stattgefunden.

Du redest von Weiterentwicklung, nicht Spaltung, oder? Stell dir vor, du seist ein Historiker einer ausserirdischen Zivilisation, die in etlichen Millionen Jahren auf Stippvisite das Sonnensystem besucht und herausfindet, dass es auf dem dritten Planeten mal eine - inzwischen längst ausgestorbene - Zivilisation gab. Du findest alles heraus, wie die Zivilisation entstand, wuchs, was sie auf ihrem Höhepunkt alles erreichte und wie sie am Ende unterging. Nehmen wir an, du möchtest für deinen Bericht auf der Heimatwelt als stilistisches Mittel ein typisches Mitglied dieser Zivilisation aufgreifen und aus seinem Alltag (soweit du dies rekonstuieren konntest) berichten lassen. Nun - was wird dieses typische Mitglied in deinem Bericht erzählen? Wenn fast alle Menschen, die je existieren werden, zu einer weiterentwickelten Spezies des Menschen gehören, dann wird dieses zufällig herausgegriffene Mitglied in deinem Bericht ebenfalls zu der weiterentwickelten Spezies gehören - einfach weil das für die meisten Zivilisationsmitglieder gilt. Wenn die Mehrheit aus Uploads besteht, wird das Mitglied ein Upload sein. Aber vielleicht ist es eben auch einfach ein Homo Sapiens Sapiens aus dem frühen 21. Jahrhundert.

Ja aber nach derjenigen Logik, nach der das DDA gilt, gilt es eben immer und überall, vollkommen unabhängig von jeglichen sachbezogenen Fakten. Wenn man sich irgendwie nach Fakten, die die Situation der Menschheit betreffen schert, ist man doch schon aus der Logik des DDA raus.

Erstens ist es nur eine Wahrscheinlichkeitsaussage - das heisst, es gilt zwar immer, aber man liegt nur in (90, 95, 99% - suchs dir aus) der Fälle richtig mit der Abschätzung, die man damit macht.

Aber letztlich sind wir ja an der Frage interessiert, ob wir typische Menschen sind bzw. wie lange es die Menschheit noch geben wird (bzw. wie viele noch geboren werden). Wäre die Menschheit eine Zivilisation, die sich dereinst zu einer stabilen, bevölkerungsreichen Zivilisation weiterentwickelt, würden fast alle Menschen in dieser Zukunft leben, und wir wären untypisch früh dran. Dass wir eben NICHT in einer solchen Welt leben, sollte uns dazu verleiten, dieses Zukunftsszenario mit einer geringeren Plausibilität zu bewerten. Der Umstand, dass wir ausgerechnet zu einem Zeitpunkt leben, da das Fassungsvermögen der Erde langsam an seine Grenzen stösst, sollte uns zu denken geben. Auf der Brücke stehen genau dann die meisten Menschen, wenn sie einbricht...

Es ändert quasi nichts, wenn Du, nur was die Unendlichkeit betrifft, physikalische Argumente zulässt. Wäre ja auch unlogisch. Wenn Du physikalische Argumente aber generell zulässt, ziehst Du damit dem DDA komplett den Boden unter den Füßen weg.

Nenn mir ein physikalisches (also aus Naturgesetzen ableitbares) Argument, wonach wir heute lebenden Menschen untypisch sein müssen. Sowas gibt es nicht. Es gibt nur vage Interpretationen von komplexen Beobachtungen und das Ziehen von Vergleichen zwischen Dingen, die sich nicht zwingend vergleichen lassen. Wir sind nicht völlig ahnungslos gegenüber der Frage, ob es unendlich viele Menschen geben könnte. Aber wir haben keine Ahnung, wo wir uns innerhalb der Geburtsnummernverteilung aller Menschen befinden.
 

TomS

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Hallo zusammen,


ich will noch einen heuristischen Einwand vortragen, wobei dieser erneut nicht das DA selber, sondern nur dessen Anwendbarkeit auf die Menschheit betrifft. Sorry Michael wenn ich mich dabei weiterhin auf diesen Begriff des "typischen Exemplares" beziehe.


Es gibt zahlreiche Tierarten, die - je nach Argumentation - eine genügend hohe Präsenzdauer auf der Erde oder eine genügend hohe Anzahl Exemplare auf der Erde aufweisen.


All' diese befanden sich in der Vergangenheit einmal aus DA-Sicht in einer analogen Situation, in der sich die Menschheit heute befindet.


Trotzdem sind sie noch nicht ausgestorben. Und da der Mensch aus Evolutionssicht eine der jüngeren Tierarten auf der Erde ist, würde dies unter Anwendung des DA bedeuten, dass fast alle heute noch lebenden Tierarten nicht-typisch sind und ein solches Resultat ist meines Erachtens absurd, es sei denn, man bezeichnet die bereits ausgestorbenen Tierarten als "typisch".




Freundliche Grüsse, Ralf


Danke Ralf, genau das sagt mein Argument aus #46 letztlich auch.

Wenn wir sowie andere Spezies uns heute in der typischen Situation wir sind nicht ausgestorben befinden, dann war die Wahrscheinlichkeit für das Aussterben gering. Wenn es keinen zusätzlichen Grund gibt, warum sie zukünftig höher werden sollte, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Populationen deutlich über die bisherige Gesamtzahlen hinaus wachsen, hoch.

Siehe dazu auch http://en.wikipedia.org/wiki/Doomsday_argument#Critique:_Human_extinction_is_distant.2C_a_posteriori

Wichtig: Gegenargumente zu Human extinction is distant, a posteriori bedürfen wieder zusätzlicher Modelle und Annahmen und sind daher logisch schwächer als das DDA und diese Kritik.
 
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TomS

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Es geht darum, dass in einer fortlaufenden Reihe ... der Bruch zwischen einer Zahl aus der Reihe und der grössten Zahl der Reihe ... stets definiert ist - ausser, die Reihe ist unendlich lang. Dann ist jede Zahl aus der Reihe extrem (der Bruch wird stets beliebig klein), so dass die Umkehrung nicht funktionieren kann. ... Und wenn wir da zum Schluss kommen, dass diese Reihe irgendwann zwingend zu einem Ende kommen muss, dann ist eben jede Position auf der Reihe definiert (wenn auch der Wert des Bruches unbekannt ist), womit das DA greifen kann.

"... außer, die Reihe ist unendlich lang" ist der wesentliche Einwand.

"Und wenn wir da zum Schluss kommen, dass diese Reihe irgendwann zwingend zu einem Ende kommen muss, ..." ist das Problem, denn wir kommen nicht zu diesem Schluss, wir setzen das voraus, ohne es mathematisch oder logisch begründen zu können.

Ich habe den Eindruck, dass du die grundsätzliche Problematik dieser Argumentation nicht zur Kenntnis nehmen willst. Ist dir klar, warum die Mathematik des DDA mit einer unendlichen Population nicht funktioniert? Und ist dir klar, welche logischen Probleme daraus resultieren?
 
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Aries

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Wir haben keine empirischen Informationen darüber, ob Leute, die ihre Geburtsnummer kennen, auch untypische Geburtsnummern haben. Und genau deshalb ist es vernünftig, bis zum Beweis des Gegenteils ... vom DA auszugehen.
Ich halte es für methodisch nicht sauber, solange wir keine Informationen haben, von etwas auszugehen.

Bynaus schrieb:
Eigentlich nicht. Ich frage mich, ob man quasi auch sagen könnte, dass ich durch eine faire Geburtsnummernlotterie in genau dieses Leben gekomen bin.
Du hast aber auch sozusagen an einer Lotterie teilgenommen, bei dem es um den Wahrheitswert der Geburtsnummernkenntnis ging, und die war wahrscheinlich nicht fair. Dass Du Dich mit erstere Lotterie beschäftigen kannst, kannst Du nur aufgrund des Ergebnises letzterer. Und deswegen ist es nicht legitim, letztere einfach zu ignorieren.

Bynaus schrieb:
Wenn ja, dann sagt meine Geburtsnummer eben etwas über die Anzahl Lose aus (sie ist sicher nicht kleiner, aber höchstwahrscheinlich auch nicht sehr viel grösser). Das ist alles.
Du kannst Deine Geburtsnummer nicht kennen, ohne zu wissen, dass Du sie kennst.

Bynaus schrieb:
Dass wir heute (bzw. in "unserem Geburtsnummernbereich") das DA kennen und darüber diskutieren, ist bloss eine Nebenerscheinung dieser Zeit, wie auch Flugzeuge oder Mondlandungen. Deswegen muss ich nicht davon ausgehen, dass die Geburtsnummernlotterie getürkt war.
Das sehe ich auch so. Aber die Geburtsnummernkenntniswahrheitswertlotterie war womöglich getürkt, wobei es in unserem Geburtsnummernbereich eine vermutlich größerer Wahrscheinlichkeit für einen "wahr"-Wert gab.

Bynaus schrieb:
Du kannst das Bruttosozialprodukt nehmen.
Das bedeutet wohl aber, dass man sich innerstaatliche Korrelationen da garnicht ansehen kann.

Bynaus schrieb:
Nana, jetzt redest du dich heraus und setzt moderner Lebensstil mit westlichem Lebensstil gleich. Aber sag mal einem Chinesen bzw. einem Iraner oder Brasilianer, sie seien "westlich beeinflusst". All diese Länder haben eine drastische Reduktion der Kinderzahlen mit wachsendem Einkommen, Gleichberechtigung und der Einführung von Verhütungsmitteln gesehen. Diese Effekte würden anhalten, selbst wenn der Westen morgen kollabierte.
China ist ein Sonderfall, wegen der Ein-Kind-Politik. Die Iranische Opposition und Jugend etc. ist westlich beeinflusst, ebenso selbstverständlich Brasilien. Wir leben in einer globalisierten Welt, in der die Stärksten auf fast alle ausstrahlen.

Diejenigen in einer Gesellschaft mit höherem Einkommen sind tendenziell diejenigen die leistungsfähiger sind. Die Leistungsfähigen sind tendenziell diejenigen mit den besseren Genen. Das bedeutet, wenn sich die mit niedrigem Einkommen mehr fortpflanzen, verschlechter sich der Genpool der Gesellschaft. Glaubst Du, dass das eine dauerhafte Erscheinung sein kann?

Bynaus schrieb:
Du redest von Weiterentwicklung, nicht Spaltung, oder?
Meistens entwickeln sich von einer Art nicht alle weiter, sondern nur ein Teil, sodass es zu einer Spaltung kommt, sonst gäbe es heute nur eine Art.

Bynaus schrieb:
Aber letztlich sind wir ja an der Frage interessiert, ob wir typische Menschen sind bzw. wie lange es die Menschheit noch geben wird (bzw. wie viele noch geboren werden). Wäre die Menschheit eine Zivilisation, die sich dereinst zu einer stabilen, bevölkerungsreichen Zivilisation weiterentwickelt, würden fast alle Menschen in dieser Zukunft leben, und wir wären untypisch früh dran. Dass wir eben NICHT in einer solchen Welt leben, sollte uns dazu verleiten, dieses Zukunftsszenario mit einer geringeren Plausibilität zu bewerten. Der Umstand, dass wir ausgerechnet zu einem Zeitpunkt leben, da das Fassungsvermögen der Erde langsam an seine Grenzen stösst, sollte uns zu denken geben. Auf der Brücke stehen genau dann die meisten Menschen, wenn sie einbricht...
Das sind gute Argumente. Auf der anderen Seite halte ich eine restlose Ausrottung der Menschheit durch Atomkrieg oder Klimawandel ähnlich wie Lina-Inverse für nicht plausibel darstellbar. Ich halte es für sehr schwer die Zukunft der Menschheit einzuschätzen.

Frage: Welchen Nutzen hat eine Einschätzung der Zukunft der Menschheit überhaupt?

Bynaus schrieb:
Nenn mir ein physikalisches (also aus Naturgesetzen ableitbares) Argument, wonach wir heute lebenden Menschen untypisch sein müssen.
Nehmen wir mal Punkte auf einer Halbgerade (solche die endlich weit vom Anfang entfernt liegen): Für die ist es geradezu typisch relativ unendlich weit am Anfang zu liegen. So könnte es auch beim Menschen sein, von der einschränkenden kosmologischen Obergrenze abgesehen. Also typisch muss nicht immer bedeuten, in der Mitte zu liegen.
 
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ralfkannenberg

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Hallo zusammen,

noch eine Frage am Rande: warum legt Ihr so viel Wert darauf, das DA auch auf den Fall einer nicht-endlichen Population zu erweitern ? Das mag zwar mathematisch reizvoll sein - wobei Mathematiker typischerweise Unendlichkeiten vermeiden und das ganze auf die Peano-Axiome und den "für alle gilt"-Operator herunterbrechen, womit man dann ja in die Epsilontik kommt.

Wie auch immer - es gibt meines Wissens nur endlich viele Menschen und aus endlich vielen Menschen lassen sich in endlicher Zeit auch nur endlich viele Menschen "herstellen"; zudem gehen die Schätzungen nach wie vor davon aus, dass man nur "rund" 10^80 Teilchen zur Verfügung hat, womit die maximale Anzahl Menschen ebenfalls nach oben mit einer endlichen Zahl abschätzbar ist.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

ralfkannenberg

Registriertes Mitglied
... die man durchaus mehrfach 'verbauen' darf.
Hallo Nathan,

es sind aber trotzdem weniger als "unendlich" viele. Und zwar echt weniger: von 10^80 ist es bis "unendlich" immer noch unendlich weit entfernt, lass Dich da nicht von der stereographischen Projektion auf die Riemann'schen Zahlenkugel, wo sich das dann alles in der Nähe vom Nordpol wiederfindet, verwirren.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

TomS

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warum legt Ihr so viel Wert darauf, das DA auch auf den Fall einer nicht-endlichen Population zu erweitern ?

Ganz einfach: das DDA ist in sich gesehen mathematisch völlig korrekt und logisch unabhängig von irgendwelchen Modellannahmen aus dem Bereich der Physik, Biologie etc. Das DDA ist daher nicht "von innen" angreifbar, sondern nur "von außen", nämlich entweder
a) über die Einführung von Zusatzmodellen (Astrophysik, ...), was dem Geist des DDA zuwiederläuft (maximal agnostisch, d.h. eben gerade keine zusätzlichen Modelle) oder
b) über die Kritik seiner Prämissen.
Letzteres ist meine Argumentationsrichtung (und übrigens die aller ernsthafter Kritiker). Niemand zweifelt an der Korrektheit des Argumentes selbst; bezweifelt werden immer die Prämissen, d.h. die Anwendbarkeit des Argumentes.

Wenn ich nun ohne Zusatzannahmen wie a) auskommen will (und zwar sowohl zur Stützung als auch zur Widerlegung des Argumentes), dann muss ich seine Prämissen angreifen. Und die Prämisse der endlichen Population ist ohne Zusatzannahme (Astrophysik) nicht logisch begründbar, d.h. das DDA einschließlich seiner Prämissen ist logisch schwächer als ein Argument, das ohne die Prämisse der Endlichkeit auskommt (einfach eine Annahme weniger).

Andere Kritikpunkte (siehe englische Wikipedia) richten sich gegen andere Prämissen (insbs. kann die Prämisse der self-sampling-assumption durch die Prämisse der self-indication assumption aufgehoben werden).

Mein Ansinnen ist nicht, das DDA zu Fall zu bringen, sondern zu zeigen, dass rein mathematisch / logisch eine Klasse gleich starker Argumente existiert, aus denen sich widersprechende Aussagen folgen. Und damit ist die ganze Klasse dieser Argumente nicht wirklich viel wert.

Mein Beispiel des Poissonprozesses ist sehr naürlich und einfach, daher logisch stark: Es setzt nur an, dass für ein Geburtsrang-Intervall [N,N+Z] die Wahrscheinlichkeit des Aussterbens nicht von N abhängt, sondern nur von Z (das ist logisch gleich stark oder schwach wie die Gleichverteilung des Ziehens eines Geburtsranges n aus einer endlichen Menge). Aber mein Beispiel kommt mit einer Annahme weniger aus, ich muss nämlich nicht voraussetzen, dass die Gesamtheit der Menge aller Menschen a priori endlich ist. Ich erhalte dafür einen endlichen Erwartungswert als Schlussfolgerung, d.h. mein Argument ist logisch stärker (meine Rechnung scheitert nicht an einer potentiell unendlichen Population, das DDA dagegen scheitert, d.h. die notwendigen mathematischen Begriffe sind nicht definiert!)

Nun hält man mir vor, dass die Annahme einer endlichen Population unsinnig sei. Dazu zwei Anmerkungen:
1) ich nehme das gar nicht an, ich lasse es nur zu, d.h. ich schließe es nicht explizit aus!
2) ohne zusätzliche Annahmen oder Modelle (Astrophysik o.ä.) ist die Annahme einer endlichen Population absurd, rein mathematisch sollte ich immer auch unendliche Populationen zulassen!!

D.h. die zwingende Einführung einer endlichen Population kann man nur rechtfertigen, wenn man explizit oder implizit nicht-mathematische Zusatzannahmen (Astrophysik, ...) macht. Aber dann stellt sich sofort die Frage, warum ich gerade diese einen Prämisse mittels eines astrophysikalischen Aspektes begründe, während ich alle möglichen anderen Aspekte der Astrophysik, der Biologie, der Soziologie, ... außer acht lasse. Das ist willkürlich und dient nur zur Untermauerung einer einzelnen Prämisse - und das ist wieder ein logisch schwaches Vorgehen.

Wenn ich das DDA "astrophysikalisach agnostisch" angehe, dann darf ich logisch zwingend nicht die Astrophysik heranziehen, um die endliche Population zu rechtfertigen. Wenn ich andereseits die Astrophysik mit ins Spiel bringe, dann kann ich mir alle möglichen anderen Argumenet vorstellen, die das DDA ebenfalls in die eine oder andere Richtung verbiegen. Also bin ich entweder ehrlich und lasse die Astrophysik außen vor - und konstruiere alternative Argumente mit entgegengesetzten Aussagen - oder ich bin unehrlich und bringe die Astrophysik heimlich ins Spiel, aber dann kann ich das auf mannigfaltige Weise tun.

Außerdem habe ich im Beispiel des Autofreaks gezeigt, dass das Reduzieren einer potentiell unendlichen auf eine a priori (nicht a posteriori!) endliche Menge künstliche, absurde Effekte hervorbringen kann. Nicht muss, aber das kann ich nicht untersuchen, denn dazu ist die im DDA verwendete Mathematik nicht in der Lage. D.h. ich kann nicht prüfen, ob die gemachte Annahme mathematisch bzw. logisch "unschädlich" ist. In meinem Beispiel des Poissonprozesses kann ich dies tun, ich kann nämlich zeigen, dass die Annahme einer genügend großen Menge, jedoch a priori endlichen Menge mein Argument nicht zerstört bzw. nicht merklich beeinflusst (während die Annahme einer zu kleinen Menge das Argument nachrprüfbar immer zerstört).
 

Bynaus

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@TomS:

"... außer, die Reihe ist unendlich lang" ist der wesentliche Einwand.

"Und wenn wir da zum Schluss kommen, dass diese Reihe irgendwann zwingend zu einem Ende kommen muss, ..." ist das Problem, denn wir kommen nicht zu diesem Schluss, wir setzen das voraus, ohne es mathematisch oder logisch begründen zu können.

Ich habe den Eindruck, dass du die grundsätzliche Problematik dieser Argumentation nicht zur Kenntnis nehmen willst. Ist dir klar, warum die Mathematik des DDA mit einer unendlichen Population nicht funktioniert? Und ist dir klar, welche logischen Probleme daraus resultieren?

Wenn du meinen Post genau liest, dann steht da schon alles. Die "Problematik" existiert, und ich räume seit eh und je ein, dass das DA nur funktioniert, wenn man es auf endliche Populationen anwendet. Aber nur weil man es nicht auf unendliche Populationen anwenden kann, heisst das nicht, dass es falsch wird, wenn man es auf endliche Populationen anwendet!!! Ich kann also problemlos sagen, dass ich das DA anwende unter der Annahme, dass die Population endlich ist. Das ist genauso legitim wie zu sagen, dass ich morgen ans Grillfest kommen werde, sofern es nicht regnet. Nur weil es regnen könnte, ist die Aussage deswegen nicht falsch.

Darüber hinaus gilt aber auch, dass alles, was wir über die Naturgesetze in unserem Universum wissen, uns sagt, dass die Menschheit mit Sicherheit keine unendlich grosse Population darstellen wird. Deshalb kann man das nicht nur argumentatorisch, sondern kategorisch ausschliessen. Eine unendliche Population ist deshalb nur eine rein theoretische Möglichkeit, genauso "real" wie negative Geschwindigkeiten oder imaginäre Zeitunterschiede.

@Aries

Ich halte es für methodisch nicht sauber, solange wir keine Informationen haben, von etwas auszugehen.

Das DA ist die logische Wahl im Fall, wo keine Information vorliegt. Man kann es verstehen als eine etwas verdrehte Art zu sagen, dass alles offen ist. Kannst du einen Würfelwurf voraussagen? Nein. Aber du kannst sagen, dass die Chance auf eine Sechs = 1/6 ist. Das gilt IMMER, ganz egal, wie wenig du über den nächsten Würfelwurf weisst.

Du hast aber auch sozusagen an einer Lotterie teilgenommen, bei dem es um den Wahrheitswert der Geburtsnummernkenntnis ging, und die war wahrscheinlich nicht fair.

Nein... aber ich gebs auf. Ich hab keine Lust mehr, hier weiter zu diskutieren.

Frage: Welchen Nutzen hat eine Einschätzung der Zukunft der Menschheit überhaupt?

Wenn man aus dem DA eine Lehre ziehen sollte, dann die: Wir unterschätzen die Möglichkeit unseres baldigen Aussterbens wohl drastisch (im Stil vom Sturz vom Balkon, wobei man in jedem Stockwerk, an dem man vorbei fällt sagt: "Jusqu'ici tout va bien"...). Wir sollten existenzielle Risiken für die Menschheit viel besser erforschen, erfassen und Gegenstrategien entwickeln. Wenn wir typische Beobachter sind, wie das DA nahelegt, muss uns etwas gelingen, was offenbar typischerweise misslingt: langfristig zu überleben.

So könnte es auch beim Menschen sein, von der einschränkenden kosmologischen Obergrenze abgesehen. Also typisch muss nicht immer bedeuten, in der Mitte zu liegen.

Du kannst nicht von der Obergrenze absehen. Entweder, die Reihe ist unendlich, oder sie ist es nicht. Ist sie gegenüber den bisherigen 70 Mrd einfach nur gigantisch gross, ist es eben auch gigantisch unwahrscheinlich, im allerersten winzigen Bruchteilchen einer so gewaltigen Verteilung zu leben. Ich red auch nicht von der Mitte, wenn ich typisch sage: es sind nur die mittleren 99% (z.B.).
 
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Kibo

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Zitat von Bynaus

Der Umstand, dass wir ausgerechnet zu einem Zeitpunkt leben, da das Fassungsvermögen der Erde langsam an seine Grenzen stösst, sollte uns zu denken geben. Auf der Brücke stehen genau dann die meisten Menschen, wenn sie einbricht..

Hmm naja, andererseits Gibt's es anscheinend zu jeder Zeit einen Malthus, der genau dass über die jeweilige Zeit behauptet

Hallo Aries, ich stell das mal so untereinander:

Zitat von Aries
China ist ein Sonderfall, wegen der Ein-Kind-Politik. Die Iranische Opposition und Jugend etc. ist westlich beeinflusst, ebenso selbstverständlich Brasilien. Wir leben in einer globalisierten Welt, in der die Stärksten auf fast alle ausstrahlen.

Zitat von Aries
Seit den 70ern hat sich da nicht mehr viel geändert. Die Kinderzahlen sind stabil, wenn auch auf zu niedrigem Niveau. Und diese wohlhabenden Völker, die zu wenig Kinder kriegen, werden einfach durch andere Völker verdrängt, sowohl was die globale Bedeutung angeht, als auch in den eigenen Ländern durch Einwanderung

mfg
 
Zuletzt bearbeitet:

ralfkannenberg

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Wenn man aus dem DA eine Lehre ziehen sollte, dann die: Wir unterschätzen die Möglichkeit unseres baldigen Aussterbens wohl drastisch (im Stil vom Sturz vom Balkon, wobei man in jedem Stockwerk, an dem man vorbei fällt sagt: "Jusqu'ici tout va bien"...). Wir sollten existenzielle Risiken für die Menschheit viel besser erforschen, erfassen und Gegenstrategien entwickeln. Wenn wir typische Beobachter sind, wie das DA nahelegt, muss uns etwas gelingen, was offenbar typischerweise misslingt: langfristig zu überleben.

Hallo Bynaus,

ich bin da irgendwie nicht einverstanden: Du stellst Dich auf den Standpunkt, dass man die weitere Zukunft des Menschen nicht kennt und sich deswegen auch keine Mühe zu geben braucht, diese näher in Kenntnis zu bringen, sondern statt dessen ein voraussetzungsfreies Theorem anwenden soll, dessen Aussage entsprechend allgemein gehalten ist.

Gewiss, es kann zu einer Katastrophe kommen, d.h. eine genauere Untersuchung mit einem "erfreulicheren" Ergebnis wird entsprechend auch fehlerbehaftet sein; aber auch das DA macht ja auch keine 100%-ige Aussage.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

Aries

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Du kannst nicht von der Obergrenze absehen.
Nehmen wir einmal an, bei der Menschheit würde es sich mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% um eine unsterbliche Art halten, und zu 50% um eine sterbliche.

Dann wäre die insgesamte Menschenzahl zu 50% unendlich groß und (sofern das DDA ansonsten anzuwenden ist) zu 49,5% zwischen 70 Milliarden und 100*70 Milliarden Menschen groß.

Führt man jetzt beispielsweise folgende Regel ein: Das Universum lässt maximal eine Menschenzahl von 100.000 Milliarden zu, dann ändert sich an dieser Wahrscheinlichkeitsverteilung lediglich, dass, anstatt dass die insgesamte Menschenzahl zu 50% unendlich groß wäre, die insgesamte Menschenzahl zu 50% 100.000 Milliarden betragen würde.

Alles andere wäre vollkommen unlogisch.

Ich hoffe, das ist verständlich.

Ansonsten könnte man es auch nochmal anhand des Auto-Beispiels von TomS erklären.

@Kibo Warum zitierst Du mich?
 
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