Doomsday-Argument auf dem Prüfstand

Bynaus

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TomS schrieb:
Es ist jedoch unwissenschaftlich das DA auf die Menschheit anzuwenden, da dazu nicht nur die formale Gültigkeit des DA unter den Annahmen X,Y,Z erfüllt sein muss, sondern auch die Annahmen X,Y,Z selbst.

Ich wende es doch unter den Annahmen X,Y,Z an - weil sie absolut vernünftig sind (oder sagen wir: NICHT von diesen Annahmen auszugehen erscheint absurd bzw. erfordert zusätzliche, wesentlich kompliziertere Annahmen, für die wir erst einmal eine gute Beobachtungsgrundlage bräuchten). Wo habe ich je etwas anderes geschrieben?

da unbeweisbare Annnahmen

Am Fuss jeglicher Wissenschaft stehen unbeweisbare Annahmen (z.B. die Welt und unsere Erfahrungen sind real, Logik gilt, Mathematik funktioniert, etc.). Das ist auch nicht schlimm, so lange sie vernünftig und einfach sind. Das trifft auf die Annahmen des DA absolut zu. Schauen wir sie uns nochmals an:

1) Die Anzahl aller Menschen ist endlich
2) Wir haben keine verlässliche Information darüber, wie viele Menschen noch nach uns kommen
3) Alle Geburtsränge werden gleich wahrscheinlich beobachtet

Die Ablehnung von 1) bedeutet: die Anzahl aller Menschen ist unendlich! Mal abgesehen davon, dass das tatsächlich auch praktisch unbeweisbar ist: Welche der beiden Annahmen ist wohl eher vernünftig, auf der Basis unseres Wissens über das Universum?
Die Ablehnung von 2) bedeutet: Wir haben verlässliche Information darüber, wie viele Menschen noch nach uns kommen. Welche denn?
Die Ablehnung von 3) bedeutet: Es ist wahrscheinlicher, gewisse Geburtsränge zu beobachten, als andere (dh, "der Würfel ist nicht fair"). Warum? Belege dafür? Warum gerade unsere Geburtsränge? Für diejenigen, die das DA ablehnen, weil sie auf viele, viele zukünftige Menschen hoffen: Warum gerade "frühe" Geburtsränge?

Die simplen und vernünftigen Annahmen, auf denen das DA basiert, abzulehnen, erfordert komplexe, umständliche Annahmen, die auf keinerlei Beobachtungen aufbauen können. Das ist schlicht absurd.

Außerdem muss jede Aussage über die Realität prinzipiell falsifizierbar sein, und das ist die Anwendung des DAs auf die Menschheit prinzipiell nicht.

Das DA ist auf schon "prinzipiell" falsifizierbar. Bau die Erde einige Millionen Male exakt nach, klone alle Menschen inklusive ihrer Gehirnzustände und schau, was dann passiert (das ist sogar, in einer nicht allzu fernen Zukunft, als Simulation denkbar - und hier kommt dann das Simulationsargument ins Spiel, aber lassen wir das für den Moment).

man muss natürlich annehmen, dass die Anzahl N bzw. das Intervall [0,N] endlich ist

Ja. Das war Annahme 1.) oben und in einem früheren Post von mir.

EDIT: @ralf: Soll ich in jedem Post von jetzt an auch schreiben, dass ich stillschweigend voraussetze, dass, sagen wir, die Welt keine Simulation ist? Im Übrigen schreibe ich meistens, wenn ich das DA nach langer Zeit wiedermal erwähne, dass es nur gilt unter der Annahme, dass wir keinerlei Wissen über die zukünftige Anzahl Menschen haben. Das muss genügen. Bei einer sinnlosen Zwängerei werde ich nicht mitmachen, nur weil einige Leute offenbar nicht mit den Konsequenzen des DA leben können.
 
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TomS

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Ich wende es doch unter den Annahmen X,Y,Z an - weil sie absolut vernünftig sind (oder sagen wir: NICHT von diesen Annahmen auszugehen erscheint absurd bzw. erfordert zusätzliche, wesentlich kompliziertere Annahmen, für die wir erst einmal eine gute Beobachtungsgrundlage bräuchten). Wo habe ich je etwas anderes geschrieben?
Du hast nichts anderes geschrieben. Ob die Annahmen vernünftig sind, kann man aber so nicht sagen - s.u.

Am Fuss jeglicher Wissenschaft stehen unbeweisbare Annahmen (z.B. die Welt und unsere Erfahrungen sind real, Logik gilt, Mathematik funktioniert, etc.). Das ist auch nicht schlimm, so lange sie vernünftig und einfach sind.
Ja, und so lange sie a posterio bestätigt werden könen, was hier nicht zutrifft.

1) Die Anzahl aller Menschen ist endlich
Ist a priori nicht natürlich, sondern setzt (z.B. astrophysikalsiches) Kontextwissen voraus. Das ist aber genau das was ich sage; die Anwendbarkeit hängt vom Kontext ab. Und warum sollte die Menschheit nicht auf fremde Planeten auswandern, andere Energiequellen erschließen und sich unbegrenzt vermehren können?

3) Alle Geburtsränge werden gleich wahrscheinlich beobachtet
Das ist bei einer endlicher Anzahl von Menschen wieder das Stichprobenproblem, daüber müsste man gesondert diskutieren.

Die Ablehnung von 1) bedeutet: die Anzahl aller Menschen ist unendlich!
Das wäre wie oben gesagt zunächst mal ebenso natürlich (*).

Die Ablehnung von 3) bedeutet:
Aus der Annahme einer unendlichen Anzahl von Menschen und der nicht mehr existenten Gleichverteilung für Wahrscheinlichkeitsmaße auf unendlichen Mengen folgt zwingend, dass keine Gleichverteilung vorliegen kann, weil eine solche nicht existiert (die tatsächlich vorliegende Verteilung oder Auswahl ist natürlich unbekannt, aber sie ist sicher nicht gleichverteilt).

Das DA ist auf schon "prinzipiell" falsifizierbar. ...
OK, die Verwendung des Wortes "prinzipiell" war irreführend. Gemeint ist, dass im Falle des Stichprobenumfangs von Eins eine Aussage über eine Wahrscheinlichkeit prinzipiell nicht überprüfbar ist. Das heißt das DA ist in der Praxis nicht überprüfbar. Aber eine Wahrscheinlichkeitsaussage, die in der Praxis nicht überprüfbar ist, ist unwissenschaftlich.

(*) Im Falle von unendlich vielen Menschen, also unter Außerachtlassung astrophysikalischer Erkenntnisse, müsste man eine Klasse von DA', DA'', ... konstruieren, wobei jedem eine eigene Wahrscheinlichkeitsverteilung p'(n), p''(n), ... entspricht (jeweils nicht gleichverteilt). Bezieht man nun die astrophysikalischen Erkenntnisse mit ein, so erscheint plötzlich eine endliche Anzahl natürlicher, und damit wird statt irgendeinem DA', DA'', ... das ursprüngliche DA zur Anwendung gebracht. Das bedeutet, dass die Anwendbarkeit des DA stark vom (in diesem Falle astrophysikalischen) Kontext abhängt.

Alleine die Tatsache, dass wir uns über die Anwendbarkeit des DA und seiner Pämissen streiten, zeigt doch, dass diese nicht unbedingt "natürlich" sind. Konkret ist die Endlichkeit der Menge aller Menschen, damit verbunden die Möglichkeit der Gleichverteilung, sowie bei einer endlichen Menge die self-sampling assumption / die Referenzklasse strittig.
 
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ralfkannenberg

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EDIT: @ralf: Soll ich in jedem Post von jetzt an auch schreiben, dass ich stillschweigend voraussetze, dass, sagen wir, die Welt keine Simulation ist? Im Übrigen schreibe ich meistens, wenn ich das DA nach langer Zeit wiedermal erwähne, dass es nur gilt unter der Annahme, dass wir keinerlei Wissen über die zukünftige Anzahl Menschen haben. Das muss genügen. Bei einer sinnlosen Zwängerei werde ich nicht mitmachen, nur weil einige Leute offenbar nicht mit den Konsequenzen des DA leben können.
Hallo Bynaus,

die korrekte Benennung der verwendeten Voraussetzungen es ist eben keine "sinnlose Zwängelei" - was für eine abwertende Wortwahl ... - sondern wohl der Grund, warum man wieder einmal seitenlang aneinander vorbeiredet.

Alternativ kann man - wie Du das schon skizziert hast - ein anderes Set an Voraussetzungen, die für sie vorliegende Betrachtung vielleicht sinnvoller oder angemessener erscheint, verwenden und eben vorgängig zeigen, dass das von Dir verwendete Set an Voraussetzungen aus den "Original-Voraussetzungen" folgt.


Erinnere Dich doch nur an diese Publikation von La Silla, als angeblich zuwenig Dunkle Materie in Sonnenumgebung (auch dieser Begriff wird übrigens von Publikation zu Publikation unterschiedlich verwendet, was die Transparenz nicht gerade erhöht; wenigstens kann man dann aber in den Details nachlesen, welcher in der vorliegenden Publikation zur Anwendung kommt) gefunden wurde. Und was war der Grund: unzutreffende Annahmen gewählt obwohl diese plausibel schienen. - Aber weil die Autoren diese Voraussetzungen eben explizite aufgeschrieben hatten, konnte man den Fehler zeitnah finden.

Es ist eben keine sinnlose Zwängelei, es ist im Gegenteil essentiell.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

entreri73

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Nur damit ich der Diskussion noch halbwegs folgen kann, eine Verständnisfrage:

D.h. doch, dass bei jeder Population (Mensch, Tier, Alien, whatever) bei der Geburt des 100millionsten Exemplares die Chance 90% ist, das diese nach 4 Milliarden Exemplaren ausstirbt oder ?

VG
Entreri
 

TomS

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Das stimmt so nicht; das DA geht davon aus, dass die Wsk. ein beliebiges Individuum der Geburtsnummer n aus der Gesamtheit aller Exemplare N gleichverteilt ist, d.h. wenn man den "Index" f = n/N berechnet, der im Intervall (0,1] liegt, dann ist auch f gleichverteilt. Damit kann man nur etwas über die Wahrscheinlichkeit sagen, dass mit der f in einem Teilintervall liegt.

Um auf die konkrete Zahl zu kommen, muss man bei unbekannter Gesamtheit N zumindest die Geburtsnummer n kennen. D.h. n-1 ist die (geschätzte) bekannte Anzahl aller Individuen, die vor dem Individuum n gelebt haben. D.h. man muss - um das DA anwenden zu können - für die verschiedene Spezies i=1,2,3,... wie z.B. Mensch, Hund, Alien, ... eine Abschätzung für das jeweilige n[SUB]i[/SUB] durchführen. Daraus folgt dann die Wahrscheinlichkeit, dass nach n[SUB]i[/SUB] noch N[SUB]i[/SUB]-n[SUB]i[/SUB] weitere Individuen der selben Spezies folgen.

Da also die Abschätzung für n[SUB]i[/SUB] erforderlich ist, ist das Ergebnis für N[SUB]i[/SUB] und N[SUB]i[/SUB]-n[SUB]i [/SUB]von der Spezies i abhgängig.

Und damit ist man beim Problem der Stichprobenabhängigkeit angelangt, denn es ist unklar, wie man die Stichprobe definiert. Beispiele für wichtige aber unklare Defintionen wären z.B. Primat, Mensch, Homo, Homo sapiens, intelligenter Mensch, Weißer, Farbiger, ... Das Ergebnis hängt N[SUB]i[/SUB]-n[SUB]i[/SUB] hängt von i und der Schätzung für n[SUB]i[/SUB] ab.

Die englische Wikipedia erklärt das einigernmaßen: http://en.wikipedia.org/wiki/Doomsday_argument
 

ralfkannenberg

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Nur damit ich der Diskussion noch halbwegs folgen kann, eine Verständnisfrage:

D.h. doch, dass bei jeder Population (Mensch, Tier, Alien, whatever) bei der Geburt des 100millionsten Exemplares die Chance 90% ist, das diese nach 4 Milliarden Exemplaren ausstirbt oder ?
Hallo Enteri,

wie kommst Du auf diese absoluten (d.h. unabhängig von der betrachteten Entität) Zahlen von 100 Millionen und von 4 Milliarden ?

Und ist Dir bewusst,

- dass auf der Erde heute mehr als 100 Millionen Menschen leben, d.h. die 100millionste Geburt schon lange zurückliegt ?
- dass Du bei kleineren Spezies oder gar Bakterien auf sehr viel grössere Zahlen kommst ?

Als Referenzzahl nimmt man bei der anzahlbezogenen Variante des DA vermutlich die Anzahl Mitglieder der Population, die es bis heute gab (sorry, ich habe mir nur die zeitbezogene Variante angeschaut, gehe aber davon aus, dass beide Varianten des DA so formuliert sind, dass sie äquivalent sind).


Freundliche Grüsse, Ralf
 
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Bynaus

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TomS schrieb:
Ja, und so lange sie a posterio bestätigt werden könen, was hier nicht zutrifft.

Wie kannst du "a posterio" bestätigen, dass Logik zutrifft?

Und warum sollte die Menschheit nicht auf fremde Planeten auswandern, andere Energiequellen erschließen und sich unbegrenzt vermehren können?

Willst du, dass ich dir ernsthaft erkären muss, warum es keine unendliche Anzahl Menschen geben wird? Lass es mich so sagen: jeder Prozess, den du dir denken kannst, um diese Menschen auch nur zu ernähren, ist unendlich unzulänglich, um das für eine unendliche Anzahl leisten zu können.

Und bitte entschuldige, dass ich verfügbares (astrophysikalisches) Wissen verwende. Mir war nicht bewusst, dass ich das nun auch noch deklarieren sollte...

Das ist bei einer endlicher Anzahl von Menschen wieder das Stichprobenproblem, daüber müsste man gesondert diskutieren.

Du könntest damit anfangen, indem du auf die Fragen antwortest, die ich für den Fall einer Ablehnung dieser Annahme gestellt hatte...

Aus der Annahme einer unendlichen Anzahl von Menschen...

Ich glaube, das ist der Punkt, wo jede sinnvolle Diskussion zu einem Ende kommen muss. Wenn jemand derart absurde Voraussetzungen macht, können wir geradesogut über den Osterhasen diskutieren. Tut mir leid, aber für mich war's das.
 

TomS

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Wie kannst du "a posterio" bestätigen, dass Logik zutrifft?
Du verstehst offensichtlich die wissenschaftliche Methode nicht, oder du hast da einen blinden Fleck. Natürlich will niemand a posteriori einen beweisbar korrekten logischen Schluss an sich prüfen; aber man muss a posteriori die Gesamtheit der Argumente, der Prämissen, und der Anwendbarkeit eines mathematischen Modells prüfen können. Kann man das nicht, so betreibt man keine Wissenschaft (die Prämisse, dass die Maxwellgleichungen gelten, wird nicht dadurch bestätigt, dass daraus mathematisch elektromagnetische Wellen abgeleitet werden, sondern dadurch, dass man letztere in Experimenten tatsächlich nachgewiesen werden).

Willst du, dass ich dir ernsthaft erkären muss, warum es keine unendliche Anzahl Menschen geben wird?
Ja, natürlich. Eine Prämisse ist entweder experimentell überprüfbar, oder als Axiom unmittelbar einsichtig. Die der Endlichkeit einer bestimmten Population ist es zunächst nicht.

Und bitte entschuldige, dass ich verfügbares (astrophysikalisches) Wissen verwende.
Das ist schon OK. Aber dir scheint nicht klar zu sein, dass von diesem verwendeten Wissen die Anwendbarkeit des DA abhängt. Ohne die Anwendung dieses Wissens ist es nicht anwendbar, da eine Prämisse offensichtlich unnatürlich und eine andere damit mathematisch inkorrekt ist. Mit Anwendung dieses Wissens ist das DA mathematisch zulässig. Damit sollte klar sein, dass die Problematik in der Anwendbarkeit liegt, nicht in der formalen Logik.

Ich glaube, das ist der Punkt, wo jede sinnvolle Diskussion zu einem Ende kommen muss. Wenn jemand derart absurde Voraussetzungen macht, können wir geradesogut über den Osterhasen diskutieren. Tut mir leid, aber für mich war's das.
Die Annahme einer unendlichen Anzahl von Individuen in einer Population ist zunächst mal zulässig. Es gibt kein offensichtlich einleuchtendes Gegenargument. Der einzige Grund, warum man ihn mathematisch einführen muss ist, dass sonst der "natürliche" Ansatz der Gleichverteilung nicht mehr aufrechterhalten werden kann und das DA damit zusammenbricht.

Du schreibst
Die Ablehnung von 1) bedeutet: die Anzahl aller Menschen ist unendlich! Mal abgesehen davon, dass das tatsächlich auch praktisch unbeweisbar ist ...
Natürlich ist diese Prämisse unbeweisbar; das Gegenteil aber auch.

Welche der beiden Annahmen ist wohl eher vernünftig, auf der Basis unseres Wissens über das Universum?
Ich sehe nicht, was prinzipiell gegen eine unendliche Population in einem unendlichen Universum unendlicher Ausdehnung sprechen sollte.
 

zabki

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Und ich finde es amüsant daß die einzige ernsthafte Kritik am DA, die wirklich greifen könnte, kaum aufgegriffen wird. Nämlich jene, wonach es unsicher ist ob die Rechnung in einem offenen Intervall überhaupt richtig sein kann; Der Kinosaal und ähnliches taugen nicht als Vergleich weil das Kino und die Zahl seiner Plätze fest definiert ist wenn ich meine Karte kaufe. Das ist im Moment meiner Geburt mit der Gesamtzahl aller je lebenden Menschen nicht so. Wir hatten damals im DA-Thread überlegt wie man eine solche Wahrscheinlichkeitsrechung bzw. Simulation programmieren könnte, irgendwie verlief das im Sand soweit ich mich erinnere.

Das ist genau meine unmaßgebl. Meinung, und ich habe genau das aus dem letzten DA-Thread so als offengebliebenen Hauptpunkt in Erinnerung.

In den letzten Mails habe ich auch nur versucht, diesen Gesichtspunkt wieder zur Geltung zu bringen.

Die Zeitdiskusison schien mir dabei unausweichlich, auch wenn das DA davon nicht spricht. Aber da lasse ich mich gern belehren.

@Bynaus

Wenn du an den laufenden Automaten herantrittst, eine Nummer ziehst, und keine Ahnung hast, wie lange er noch laufen wird: dann hast du eine 90%-ige Chance, dass deine Nummer innerhalb eines Faktors 10 von der Stillstandsnummer weg ist. Das lässt sich auch so formulieren, dass wenn man das Automatenexperiment wiederholen würde (wobei man wohl am besten separate Automaten in getrennten Zimmern benutzen würde, die alle bereits laufen, wenn man an sie herantritt und alle unterschiedlich lang laufen), wäre man im Schnitt in 9 von 10 Fällen mit dieser Abschätzung erfolgreich.

Sorry, benötige Denkpause

zabki
 

TomS

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Hallo zabki und Alex,

... und ich habe genau das aus dem letzten DA-Thread so als offengebliebenen Hauptpunkt in Erinnerung.

Nachdem ich diesen Thread nicht kenne: was meint ihr mit "wonach es unsicher ist ob die Rechnung in einem offenen Intervall überhaupt richtig sein kann". Wieso ist von einem offenen Intervall die Rede? Es geht doch um eine feste, wenn auch unbekannte Zahl N, also [1,N] bzw. um [1/N,1] und in beiden Fällen ist das Intervall abgeschlossen. Was übersehe ich?
 
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Kibo

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Dieser Thread wird genau so ohne Einigung enden wie der letzte.

Trotzdem Frohes Fest allesamt!
 

Nathan5111

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Hallo zusammen,

so kommen wir nicht weiter!

Wie Ralf völlig richtig sagt:
Nicht selten gibt es verschiedene Varianten eines Theorems, die eben verschiedene Szenarien abdecken, aber denen an sich dieselbe Idee zugrunde liegt; dann muss man halt sehr genau prüfen, ob die Voraussetzungen nun erfüllt sind oder nicht.

Aber ja - solange noch über das Theorem selber Unklarheit herrscht, welche Variante - z.B. diejenige nach Carter oder diejenige nach Gott oder vielleicht noch eine andere man anwenden will, sollte man doch erst einmal hier Klarheit schaffen.

Also nehmen wir (mal wieder) Wikipedia:
Wiki schrieb:
Das Doomsday-Argument, deutsch Weltuntergangsargument, ist eine mathematische Überlegung, welche beansprucht, eine Wahrscheinlichkeitsaussage über den Zeitpunkt des Endes der Menschheit anhand von lediglich einer Schätzung der Anzahl aller bisher geborenen Menschen treffen zu können.
(Diese Seite wurde zuletzt am 22. Oktober 2012 um 18:10 Uhr geändert.)

Vor gut vier Jahren hieß es dort noch:
Wiki schrieb:
Das Doomsday-Argument, deutsch Weltuntergangsargument, ist eine Überlegung, die eine Wahrscheinlichkeitsaussage über den Zeitpunkt des Endes der Menschheit vorgeblich zwingend begründet und dazu lediglich eine Schätzung der Anzahl aller bisher geborenen Menschen benötigt.

Nehmen wir diese drei (unveränderten) Punkte:

Anzahl aller bisher geborenen Menschen
Dies ist eindeutig und somit unstrittig.

Wahrscheinlichkeitsaussage
Hiermit sind die drei Prozentangaben 2,5;95;2,5 gemeint.
Dies ist eindeutig und somit unstrittig.

Zeitpunkt des Endes der Menschheit
Ich halte diesen Begriff für außerordentlich unglücklich gewählt und schlage vor, ihn durch "Anzahl aller insgesamt geborenen Menschen" zu ersetzen.

Aus dieser "Anzahl aller insgesamt geborenen Menschen" ließe sich durch weitere Annahmen dann wohl auch der "Zeitpunkt des Endes der Menschheit" abschätzen.
Dies wäre dann auch eindeutig.

Ist dies bis hierhin Konsens?
Nathan
 

Entro-Pi

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Das Problem ist, dass du gar nicht weisst, ob die Menschheit in 30 oder 9000 Jahren noch da ist - dann könntest du die Rechnung eben nicht mehr machen.

Es geht nicht um eine "Kausalität", sondern um eine Abschätzung einer Zahl. 90% der Zahlen in einer einfachen Serie liegen innerhalb eines Faktors 10 von der grössten Zahl entfernt, 99% liegen innerhalb eines Faktor 100. Wenn du eine der Zahlen in der Hand hältst, ohne zu wissen, in welcher Relation sie zur höchsten Zahl steht, dann hast du eine Chance von 90 (99) %, dass diese Zahl innerhalb eines Faktors 10 (100) von dieser grössten Zahl entfernt ist. Da ist keine "Kausalität" - es ist ja nicht so, dass deine Zahl in der Hand irgendwie eine bestimmte höchste Zahl "erzwingen" würde.

Laß es mich einfach mal andersrum ausdrücken. Das DDA wird meistens so dargestellt, daß es das Ende der Menschheit prognostiziert. Aber in der Art wie das Ende berechnet wird steckt eigentlich drin, daß mit jeder Geburt eines neuen Menschen das Ende exponentiell hinausgeschoben wird. Mit der gleichen Wahrscheinlichkeit wenn ich mich nicht irre.
 

zabki

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was meint ihr mit "wonach es unsicher ist ob die Rechnung in einem offenen Intervall überhaupt richtig sein kann". Wieso ist von einem offenen Intervall die Rede? Es geht doch um eine feste, wenn auch unbekannte Zahl N, also [1,N] bzw. um [1/N,1] und in beiden Fällen ist das Intervall abgeschlossen.

Ich versuche mal eine Antwort (natürlich nur für mich selbst):

Die Obergrenze des fraglichen Intevalls ist _jetzt_ nicht festgelegt, sondern wird in der Zukunft festgelegt werden. Davon darf im DA m.E. nicht abstrahiert werden.

Behauptung 1:
Es gibt keine Möglichkeit, daß Zufallszahlen gleichwahrscheinlich aus einem Wertebereich erzeugt werden, wenn dieser Wertebereich zum Zeitpunkt der Erzeugung nicht festgelegt ist, sondern erst später definiert wird.

Behauptung2:
Die DA-Situation erzeugt Zahlen (Geburtsränge) aus einem Wertebereich, dessen Obergrenze erst in der Zukunft festgelegt sein wird.

Schlußfolgerung:
Die von der DA-Situation erzeugten Zahlen (Geburtsränge) können nicht als Zufallszahlen behandelt werden.

Die Voraussetzung des DA "Alle Geburtsränge werden gleichwahrscheinlich beobachtet" (vgl. Bynaus #101) ist nicht falsch, aber sinnlos (sie werden natürlich auch nicht mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten beobachtet).

Daß man nachträglich, wenn der Wertebereich definiert sein wird (die Menschheit "fertig hat"), Geburtsränge zufällig ermitteln und DA-mäßig behandeln kann, ist klar, aber auch trivial und ändert für die Zeit vorher nichts.

Grüße,
zabki
 

TomS

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zabki, vielen Dank für die Antwort, das passt zu meinen Überlegungen, die aus einer unendlichen Anzahl von Menschen folgen würde (was ja zumindest potentiell möglich sein müsste).

D.h. ein "erweiterte" DA (nennen wir es EDA) müsste mit endlich oder potentiell unendlich vielen Menschen umgehen könenn und müsste aus der aktuell als bekannt vorausgesetzten Anzahl n eine Abschätzung oder Wahrscheinlichkeit für ein endliches N ergeben. Genau dies funktioniert nicht, bzw. kann nicht funktioniert auf Basis der angenommenen Gleichverteilung

(einfaches Gegebnbeispiel gegen eine Gleichverteilung: p(n) = c für alle n aus den natürlichen Zahlen; für c> 0 würde eine Summe über alle p(n) divergieren, also muss c = 0 sein; aber für c = 0 ist die Summe über alle p(n) ebenfalls Null, und nicht Eins, was für eine Wahrscheinlichkeitsverteilung eigtl. gelten müsste; nun ist das ziemlich naiv und die Mathematiker haben versucht, mit ausgefuchsten Methoden eine Gleichverteilung zu konstruieren, allerdings ohne Erfolg)

D.h. dass auf ein dem Intervall [1,∞[ keine Gleichverteilung existieren kann.

Daraus folgt, dass das "Auswählen einer Person" aus [1,∞[
a) entweder zwar zufällig aber nicht gleichverteilt erfolgt oder
b) nicht zufällig erfolgt.

In beiden Fällen a) und b) stellt sich die Frage, wie es dann erfolgt, also
a) nach welcher anderen Wahrscheinlichkeitsverteilung wenn nicht der Gleichverteilung oder
b) nach welchem nicht-zufälligen Algorithmus
Auf beiden Fragen gibt es keine natürliche Antwort.

Damit hätten wir zwar die Möglichkeit, andere DA', DA'', ... zu konstruieren (die auf anderen Auswahlverfahren basieren), wir könnten allerdings wieder nicht sagen, welches DA', DA'', ... wir konkret anwenden sollten. Die Gleiche Problematik der Auswahl einer anderen Wahrscheinlichkeitsverteilung stellt sich beim oben eingeführten EDA. Nur hier besteht die Möglichkeit, dass (je nach Wahrscheinlichkeitsverteilung) das (mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit) vorhergesagte N auch unendlich sein könnte! In Ermangelung des obigen EDA mit Gleichverteilung ist insbs. die Frage nicht zu klären, ob daraus ebenfalls ein endliches N folgen würde.

Insgs. erscheint mir die Prämisse der Einschränkung auf endliches N zu stark zu sein, um das Argument noch ernstnehmen zu können, andereseits muss man sie machen, da sonst die Mathematik zusammenbricht.

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Nochmal zurück zu dem (a priori als endlich angenommenne Intervall) [1,N]. Dieses Intervall ist endlich und nicht offen. D.h. es gibt soicher kein mathematisches Problem damit, eine Gleichverteilung anzunehmen. Und damit wäre ein zufällig ausgewähltes n (meine Geburtsnummer) tatsächlich zufällig.

Damit glaube ich, dass das Argument
Es gibt keine Möglichkeit, daß Zufallszahlen gleichwahrscheinlich aus einem Wertebereich erzeugt werden, wenn dieser Wertebereich zum Zeitpunkt der Erzeugung nicht festgelegt ist, sondern erst später definiert wird.
mathematisch (formal) nicht stimmt. Natürlich "existiert" für den Mathematiker diese Gleichverteilung für beliebiges, endliches N. Es ist jedoch so, dass für jedes N eine andere Gleichverteilung p(n) = 1/N angenommen werden muss, d.h. weder kennen wir N, noch kennen wir p(n) = 1/N. Das bedeutet nicht, dass es "keine Möglichkeit gibt", sondern dass es für uns keine Möglichkeit gibt, dies explizit zu tun. Das muss man unterscheiden (zumindest wenn man die Unterscheidung wie formaler Definitionen und Existenzbeweisen einerseits sowie des Konstruktuktivismus und rein konstruktiver Beweisen andererseits diskutieren möchte)

Die Behauptung, n sei eine aus [1,N] gezogene Zufallszahl ist also rein mathematisch für jedes beliebige N tatsächlich OK. Insbs. hat man ähnliche Verfahren in der Praxis erfolgreich angewandt, siehe insbs. das "German tank problem" http://en.wikipedia.org/wiki/German_tank_problem

Das Problem liegt wiederum nicht in der Mathematik sondern in deren Interpretation bzw. Anwendung, hier speziell in (einer Variante) des kopernikanischen Prinzips, welche besagt, dass der (ein spezieller) Mensch keine ausgezeichnete, spezielle Stellung, sondern nur eine typisch durchschnittliche Stellung im Kosmos (im Intervall [1,N]) einnimmt.

Es handelt sich also um den Glaubenssatz, dass "mein n" eine Zufallszahl aus [1,N] ist. Diese Prämisse ist immer dann schwer zu glauben, wenn man sich jetzt so an seinem Laptop sitzen und diese Zeilen schreiben sieht; sie ist einfacher zu akzeptieren, wenn man dieses eine zufällige n wiederum zufällig irgendeinem Menschen, der jetzt lebt, zuweist ;-)

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Zusammenfassung: ich habe mit der a priori Einschränkung auf endliches N, was weder a posteriori überprüfbar noch aus einem EDA ableitbar ist, die größten Probleme. Ich sehe das im Zusammenhang mit dem von euch angesprochenen "offenen Intervall", insofern ihr damit ein potentiell unendliches Intervall meint. Wenn ich endliches N als Prämisse (als Arbeitshypothese) akzeptiere, dann habe ich mit der zufälligen Auswahl von n kein Problem mehr, ich kann aber nachvollziehen, dass diese philosophische Prämisse ebenfalls in Zweifel gezogen wird. Generell kenne ich keine Widerlegung des DA, die aus der reinen Mathematik folgen würde (ich denke, rein formal ist das Argument eine triviale Anwendung bedingter Wahrscheinlichkeiten). Jedes Gegenargument zum DA bewegt sich immer auf der Meta-Ebene (auch die Diskussionen hier) und ist damit - ebenso wie die Prämissen des DA sowie deren Negationen - prinzipiell nicht beweisbar oder widerlegbar.
 
Zuletzt bearbeitet:

TomS

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Das DDA wird meistens so dargestellt, daß es das Ende der Menschheit prognostiziert.
Und genau das ist so nicht richtig!

Das DA besagt lediglich, dass wenn die Gesamtzahl aller jemals lebenden Menschen endlich ist, dass man dann unter Abschätzung der bisher geborenen Menschen eine Abschätzung (eine Wahrscheinlichkeit) für die Anzahl der zukünftig noch lebendenden Menschen berechnen kann. end-of-story.

Das DA sagt nichts über die Zeit (weder über die Zeit, die bis zur Geburtszahl n verstrichen ist, noch über die Zeit, die bis N noch verstreichen wird). Insbs. ist das DA unabhängig davon, ob die zukünftig noch lebenden Menschen (N-n) in endlicher oder unendlicher Zeit geboren werden!!! Das DA ist lässt also die Möglichkeit zu, dass die (einige) Menschen zukünftig unsterblich werden und die Menschheit demnach eine unendliche Zeit existieren wird.

Andere Darstellungen sollten explizit als Erweiterungen des DAs bezeichnet werden, da weitere Hypothesen eingehen, z.B. die durchschnittliche Lebenserwartung, die Geburtenrate pro Zeit u.ä.
 

TomS

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Anzahl aller bisher geborenen Menschen
Dies ist eindeutig und somit unstrittig.

Wahrscheinlichkeitsaussage
Hiermit sind die drei Prozentangaben 2,5;95;2,5 gemeint.
Dies ist eindeutig und somit unstrittig.

Zeitpunkt des Endes der Menschheit
Ich halte diesen Begriff für außerordentlich unglücklich gewählt und schlage vor, ihn durch "Anzahl aller insgesamt geborenen Menschen" zu ersetzen.

Ist dies bis hierhin Konsens?
Ja, das ist Konsens.

Aus dieser "Anzahl aller insgesamt geborenen Menschen" ließe sich durch weitere Annahmen dann wohl auch der "Zeitpunkt des Endes der Menschheit" abschätzen.
Dies wäre dann auch eindeutig.
Ja, aber bei dieser Erweiterung des DA gehen sicher viele weitere Annahmen ein, und auch das DA im eigtl. Sinne bzw. seine Prämissen sind schon strittig genug.

Wie gesagt, die formale Anwendung der Gesetze der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf ein Intervall [1,N] unter Kenntnis eines n sowie angenommener Gleichverteilung sind unstrittig (und in konkreten Fällen auch erfolgreich angewandt). Strittig sind (implizite und explizite) Prämissen sowie generell die Anwendbarkeit sowie die fehlende Überprüfbarkeit (der Prämissen und damit der Anwendbarkeit).
 
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Xeno

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Das einzige, das von dieser Diskussion profitiert ist der Sprachschatz des Lesers
Wahrscheinlichkeitsannahmen bleiben das, was sie sind.

Grüße
 

RPE

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TomS,
wenn die Anzahl Menschen heute endlich ist, wie sollen sie da überhaupt unendlich werden können?
In unendlicher Zeit ist Käse. Durch Null teilen wohl auch. Womit will man sonst aus einer endlichen eine unendliche Zahl machen?
 
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