Ja, Europa hat viele Entwicklungen verschlafen in letzter Zeit. Es schläft sich halt so gut unter dem amerikanischen Schutzschirm...
Was die Entstehung einer neuen Zusammenarbeit mit China angeht, bin ich mir nicht sicher, ob das im Moment wirklich in diese Richtung geht. Es ist vielleicht etwas ketzerisch, aber: "Zusammenarbeit im All" ist meist eher der eigentliche Zweck, und nicht etwa das Mittel zum Zweck. Ich habe nichts gegen Zusammenarbeit - sicher besser als Kalter Krieg im All! Aber die Rückkehr zum Mond oder der Flug zum Mars wird nicht eher gelingen, nur weil viele verschiedene Nationen zusammenarbeiten. Im Gegenteil: viele verschiedene Systeme, Ingenieurs-Kulturen, Ausbildungsgänge, bürokratische Ökosysteme etc., die plötzlich alle miteinander funktionieren müssen - das ist eine wesentlich komplexere Aufgabe als wenn ein Land alles selbst organisiert. Gerade Europa ist ein gutes Beispiel dafür, wie kompliziert eine solche Zusammenarbeit im All ist: hier wird international zusammengearbeitet wie nirgendwo sonst in der Raumfahrt, und doch bekommt Europa in der Raumfahrt kaum etwas auf die Reihe (Rosetta war allerdings toll!), insbesondere gilt das für die besatzte Raumfahrt. Wie viele Male hat man hier in Europa interessante Entwicklungen angerissen und dann wieder beendet, bevor es "ernst" wurde? Hermes, ATV-R / CATV, etc.
Jetzt könnte man sagen, ja gut, aber immerhin haben Nationen, die zusammenarbeiten, insgesamt mehr Geld zur Verfügung. Das Problem ist aber nicht unbedingt Geld: wie man bei SpaceX sieht, wird in der Raumfahrt im Moment auch sehr viel Geld ziemlich sinnlos verbraten, einfach weil es sich für die beteiligten Firmen nicht lohnt, in Kostensenkungen zu investieren. Gwynne Shotwell, die Präsidentin von SpaceX, meinte einmal: "Eine Delta IV [von ULA] kostet rund 400 Millionen Dollar. Ich weiss gar nicht, wie ich eine Rakete für 400 Millionen Dollar bauen könnte..." Weiter: Die Cost-Plus-Verträge der NASA kosten diese unglaublich viel Geld, und es schaut dabei kaum was raus. Was heute in den USA - und auch in Europa ist es nicht anders - als "Raumfahrt" verkauft wird, ist nicht Raumfahrt um der Raumfahrt willen, es ist Raumfahrt um der Arbeitsplätze und Wählerstimmen willen. SpaceX ist da ganz anders: dort geht es *wirklich* um die Raumfahrt und das Erreichen des - sehr hoch gesteckten - Ziels einer unabhängigen menschlichen Zivilisation auf dem Mars. Deshalb gleicht SpaceX der frühen NASA: mit einem unbändigen Willen, das scheinbar Unmögliche zu schaffen. Aber gerade weil die Mittel nicht unbegrenzt sind, weil jeder Dollar hart verdient werden muss, hat sich die Firma selbst auf Effizienz getrimmt. Hier ist sicher auch der Vergleich mit Blue Origin angebracht, wo seit Jahren jedes Jahr eine Milliarde Dollar reingepumpt wird - und was ist dabei raus gekommen? Kaum was nennenswertes.
Ich denke, dass freundliche Konkurrenz im All, sowohl zwischen den Nationen als auch zwischen den Firmen, die den Raumfahrtagenturen ihre Dienste anbieten, viel bessere Resultate erzielen würde. Zur Zeit läuft es tatsächlich in diese Richtung: die USA setzen immer mehr auf kommerzielle Verträge mit fixen Kosten: beim Gateway, bei der Versorgung des Gateways, bei den Mondlandern. Und Europa? Darf Zulieferer (des Orion-Service-Moduls) spielen, im Austausch gegen einen Europäer, der dann irgendwann durch den Mondstaub stapfen darf. Auch das ist eine Form von freundlicher Konkurrenz.