Der Urknall ?

Emily

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1.) Wie entsteht eigentlich diese Theorie, dass vor dem Urknall absolut gar nichts war...?
Wie schon der verstorbene Astronom Karl Ranseier (R.I.P.) immer sagte: "Vun nüx kütt auch nüx" , kann unser Universum ja auch nur aus Energie und Materie entstanden sein. Und woher kommt diese dann, wenn es vorher gar nichts gegeben hat ?
Da man aber laut Energieerhaltungsgesetz Energie (und auch Materie) weder erzeugen und vernichten kann, muss das Zeugs einerseits ja aber schon immer da gewesen sein, und andererseits, auch das was schon immer da war muss ja auch anfangs von irgendwo herkommen ? Stimmt dann die Theorie vom Energieerhaltungsgesetz überhaupt noch ?

2.) Eine Theorie von Michio Kaku besagt, der Urknall wäre die "andere Seite" eines Schwarzen Loches, aus dem sich die gesammelte Materie und Energie zur Entstehung unseres Universums entladen hat.
Klingt ja eigentlich ganz einleuchtend, aber wie Karl Ranseier nun sagen würde: "Wat raus kütt muss vorher auch erst mal rin", muss dann das Schwarze Loch ja zumindest mal die gesamte Materie unseres Universums, Sonnensysteme, Sterne, Galaxien (und auch der evtl. noch vorhandenen Paralleluniversen) vorher rein gefressen haben, alles was eben nun da ist.
Nun wäre zu überlegen, wie gross so ein Schwarzes Loch eigentlich sein müsste um diese gigantische Menge an Materie erst mal aufzunehmen.
Und da ja so ein Schwarzes Loch auch nur den kleinen Teil erwischt der in seiner Fressweite ist, müsste sich ja um dieses Schwarzes Loch noch der Rest eines anderen Universums befinden, dessen Grösse nun gar nicht mehr erfasst werden kann ? Und wer sagt uns denn, dass auch dieses gigantische Universum nicht auch aus einem Urknall entstanden ist, der dann als Ausgangsbasis ein noch grösseres Universum hat usw. usw. ?
Einen schönen sonnigen Herbstsonntag allen noch :cool:
 

Frankie

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1.) Wie entsteht eigentlich diese Theorie, dass vor dem Urknall absolut gar nichts war...?
(...)
Tja, das ist eigentlich die Praxis, nicht die Theorie, und die besagt daß wir aus technischen Gründen niemals messen werden können was vor dem Urknall war. Also ist jede Vermutung darüber gleich wahrscheinlich und erlaubt.
2.) Eine Theorie von Michio Kaku besagt, der Urknall wäre die "andere Seite" eines Schwarzen Loches, aus dem sich die gesammelte Materie und Energie zur Entstehung unseres Universums entladen hat (...) Einen schönen sonnigen Herbstsonntag allen noch :cool:
Siehe oben, und auch Dir einen schönen Tag :)
 

TomS

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Wie entsteht eigentlich diese Theorie, dass vor dem Urknall absolut gar nichts war...?
Man löst die Gleichungen der ART und 'findet' die Urknallartige Singularität; bzw. man beweist mathematisch (Hawking und Penrose - Singularitätentheoreme) dass praktisch jedes vernünftige Universum, das bestimmten Bedingungen gehorcht (Energiebedingung), zwingend eine derartige Urknallsingularität gehabt haben muss. Dann betrachtet man die mathematische Formulierung der ART und stellt zunächst mal fest, dass es da nichts 'außerhalb' des Universums gibt; konkret: unser (jedes) Universum wird durch eine vierdimensionale Riemannsche Mannigfaltigkeit beschrieben; etwas anderes existiert nicht in dieser Theorie. Und daraus folgt, dass insbs. der Begriff 'Zeit' nicht 'vor' den Urknall fortsetzbar ist. Das ist so wie wenn ich frage was nördlich des Nordpols ist.
 
Zuletzt bearbeitet:

mac

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Hallo Emily,

ich meine, daß man an dieser Stelle auch sagen sollte, wo man mit dieser Theorie noch auf gesichertem Boden (Messungen) steht und wo man noch ‚nur‘ extrapoliert.



Die ART hat bisher alle meßtechnischen Überprüfungen zu denen wir technisch in der Lage sind, in einem Ausmaß bestanden, das mehr als verblüffend ist.

Mit den modernen Beschleunigern (Large Hadron Collider des CERN) kann man innerhalb winziger Abmessungen (viel kleiner als ein Atom) den (energetischen) Zustand nachstellen, der (nach der Theorie) im Millisekundenbereich nach dem Urknall herrschte. (Man muß sich dabei vergegenwärtigen, daß jede Halbierung dieses zeitlichen Abstandes weit mehr als eine Verdoppelung des Aufwandes bedeutet, diesen zu erreichen) Aber auch dort: Noch immer keine meßbaren Abweichungen.

Auch wenn sich ‚Millisekunden nach dem Urknall‘ verdammt klein anhört, liegen dennoch ganze Welten zwischen diesen wenigen Millisekunden und der Planckzeit und wir müssen uns darüber im Klaren sein, daß selbst dann, wenn wir alle Ressourcen der Menschheit nur für diese Prüfungen mobilisieren würden, wir im bürgerlichen Sinne kaum näher an diese Grenze heran kämen.

Das bedeutet aber auch, daß wir nicht prüfen können, ob die ART auch noch viel näher an der Planckzeit das beschreiben kann, was damals wirklich stattgefunden hat.

Das Ergebnis der mathematischen Beschreibung läuft auf eine Singularität hinaus. Das ist aber ein , ich sag‘ mal, etwas haarsträubender Zustand, den man beim bisher dazu möglichen Nachdenken doch lieber vermeiden würde, wenn man wüßte wie. Der bisher meßtechnisch unerreichbare Bereich bietet aber auch immer noch eine ‚riesige Spielwiese‘ für Theorien, die dort von der ART, oder besser gesagt, vom darauf begründeten Standardmodell abweichen und zu ganz anderen Ergebnissen kommen (dürfen), so lange sie im gesicherten Bereich auch die richtigen Ergebnisse liefern.

Und es gibt auch immer noch keine (einfache) ‚Vereinigung‘ zwischen der ART und der Quantentheorie, was natürlich auch zu zahlreichen Gedankenexperimenten lockt.

All diese, vom Standardmodell abweichenden Theorien bewegen sich, wenn sie seriös sind, dort, wo es (bisher) fehlende Meßergebnisse noch zulassen, von den klassischen Theorien abzuweichen. Das ist völlig legitim und gut so, denn Forschung geht genau so. Man macht sich auf der Basis des bisherigen Wissens (Theorien und Meßergebnisse) Gedanken, wie man die ‚Welt‘ möglichst einfach (mathematisch) beschreiben könnte, dabei die gesicherten bisherigen Meßergebnisse nicht verletzt, sich nicht selber widerspricht und was auch ganz wichtig ist, mindestens einige zukünftige Meßergebnisse vorhersagt. Trifft die Vorhersage zu, dann kann man in dieser Richtung weiter nachdenken, trifft sie nicht zu, muß man nachbessern oder verwerfen.

Das erinnert mich immer an das Wachstum eines Baumes. Seine Wurzeln suchen sich zu Zehntausenden die besten Wege um an Nahrung und Wasser zu kommen. Viele neu gebildete Verzweigungen scheitern, aber einige wenige wachsen zu mächtigen Wurzeln aus. Oder noch besser: Wie Wasser. Wenn einer da ist, dann findet Wasser den Weg.



Es ist ganz klar, daß Dir niemand auf dieser Erde seriös sagen kann, was sich zwischen der Planckzeit und vielleicht eine Zehnerpotenz an die bisherige Meßgrenze heran, wirklich abgespielt hat. Das bedeutet aber nicht, daß man dazu keine seriösen Theorien, Annahmen und auch Forderungen stellen kann. Die Inflation z.B. ist eine von diesen Forderungen.

Es kann aber auch ganz anders gewesen sein, zumindest so lange, wie mit diesem ‚Anders‘ genau das Universum heraus kommt, was wir sowohl makroskopisch bis zur Zeit vor bald 14 Milliarden Jahren , als auch ‚mikroskopisch‘ im Labor, ab dem Zustand, wenige Millisekunden nach dem Urknall, beobachten können. Trifft sie eine dieser (gesicherten) Beobachtungen nicht, ist sie (bestenfalls irgendwo) falsch.

Es gibt (durchaus auch seriöse) Überlegungen dazu, ob und was denn ‚vor‘ dem Urknall gewesen sein könnte. Daß diese Überlegungen bestehende Messungen nicht verletzen, heißt aber ebensowenig wie bei der ART, daß sie die (noch?) nicht beobachtbare Zeit (vor und) nach der Planckzeit richtig beschreiben.



Aus meiner persönlichen Sicht haben wir Menschen irgendwie ein Problem damit uns eine Zeit vorzustellen, vor der es kein Universum und noch schlimmer, keine Zeit gab. Das Problem hab‘ ich auch. Ich muß aber auch zur Kenntnis nehmen, daß die Welt die uns umgibt, bei näherem Hinsehen auf faszinierende Art von dem abweicht, was ich mir dazu noch als Jugendlicher bildlich vorstellen konnte und diese Abweichung mit wachsendem Informationsgrad immer größer, aber auch immer faszinierender wird und teilweise schon jenseits dessen liegt, was ich mir bildlich noch vorstellen kann. Der Wunsch über diese Grenzen hinaus zu blicken ist da und er ist sehr stark, aber erzählen kann man dazu im besten Falle Geschichten, die denkbar, aber bisher nicht überprüfbar sind. So lange man diese ‚Deckung‘ nicht verläßt, kann man daher erzählen, was man will.


Herzliche Grüße

MAC
 

Emily

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Hallo mac,
da gab es einmal eine sehr interessante Doku zu dem Thema Urknall und danach, da wurde recht gut beschrieben wie der zeitliche Ablauf war, von der Bildung der allerersten Teilchen bis zum heutigen Universum.
Noch eine Frage zum Forum hier: Seid ihr eigentlich alles gelernte Astronomen oder habt beruflich mit sowas zu tun ? Wenn man so manche Beiträge liest erinnert das doch sehr an Harald Lesch.
Ich bin ja schon zufrieden dass ich schon mal die Sternbilder kenne und so halbwegs kapiere was da in den Dokus erklärt wird :)
 

ralfkannenberg

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Ich bin ja schon zufrieden dass ich schon mal die Sternbilder kenne
Hallo Emily,

nur wenige Leute kennen die Sternbilder.

Welche kennst Du denn neben dem Grossen und dem Kleinen Wagen ?


Freundliche Grüsse, Ralf


P.S. @Profis: ich weiss auch, dass streng genommen die beiden Wagen keine "Sternbilder" sind, auch wenn der Kleine Wagen mit der Kleinen Bärin, die mythologisch eigentlich ein Kleiner Bär ist, zusammenfällt.
 
Zuletzt bearbeitet:

Bynaus

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Was die Frage nach der Energie angeht, darf man nicht vergessen, dass das Universum über eine gewaltige potentielle Energie verfügt, die negativ in der Energiebilanz zu Buche schlägt: tatsächlich ist es sogar so, dass sich die so verbuchte negative und positive Energien (letztere in Form von Materie, Strahlung etc.) in etwa die Waage halten: innerhalb der Unsicherheit enthält das Universum also gar keine Energie, und die Energieerhaltung könnte auch über eine wie auch immer geartete "Urknallgrenze" hinaus gelten. Das hatte ich auf final-frontier.ch etwas ausführlicher erläutert.

Eine Theorie von Michio Kaku besagt, der Urknall wäre die "andere Seite" eines Schwarzen Loches, aus dem sich die gesammelte Materie und Energie zur Entstehung unseres Universums entladen hat.

Soviel ich weiss, stammt das ursprünglich nicht von Michio Kaku, sondern von Lee Smolin und ist Teil der Hypothese des "fruchtbaren" Universums. Da das Universum insgesamt keine Energie enthält, kann das ursprüngliche bzw. das "Mütterliche" Schwarze Loch auch sehr klein sein.
 

TomS

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Dummerweise ist das Konzept der "Energie" (genauer: des Energieinhaltes eines bestimmten Volumens als Volumenintegral) in einem expandierenden Kosmos i.A. gar nicht sinnvoll definierbar. Und der Energiebegriff für das Gravitationsfeld selbst ist auch nicht endgültig verstanden. Damit stehen so Argumentationen mit der "Gesamtenergie des Universums" immer auf wenigen und zudem noch wackeligen Beinen ...
 

Exonavigator

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Zeitliche Paradoxien in der Rede vom Urknall: ein Kommentar

Hallo Leute,

nach der Lektüre eurer interessanten Beiträge in diesem Forum möchte ich einen Aspekt noch mal vertiefen, der mir schon immer Kopfschmerzen bereitet hat, nämlich die Rede von Zeit in Aussagen über den Urknall. Ich wüsste mal gern, wie ihr darüber denkt:

In popularwissenschaftlicher astronomischer Literatur ist immer wieder davon die Rede, dass das Universum und mit ihm Raum und Zeit vor 13,7 Mrd. Jahren entstanden seien. Bei euch, @ TomS und Mac, lese ich ein Unbehagen und ein (vergebliches) Bemühen um Verständnis heraus, wie wir das zu verstehen haben. Mich wundert oft, dass Aussagen wie die gerade genannte selbst von Fachleuten so ohne jedes Bewusstsein für die begriffliche Problematik vorgetragen werden, die davon logisch impliziert wird. Ich versuche das mal auf den Punkt zu bringen, so gut ich es spontan kann:

Dass das Universum vor 13,7 Mrd. Jahren entstanden ist, das ist soweit eine vollkommen verständliche Aussage. Wir verstehen das aber nur deshalb und solange überhaupt als ein zeitliches Ereignis (ein Ereignis in der Zeit), wie wir einen Zeitpunkt davor (vor dem „Urknall“ vor 13,7 Mrd. Jahren) voraussetzen, zu dem es das, was da entstanden sein soll (das Universum), noch nicht gab, und einen Zeitpunkt danach, an dem das Besagte (das Universum) dann da war (der Übergang zwischen den beiden Zeitpunkten der Nicht-Existenz und der Existenz wird „Entstehen“ genannt). Nur indem wir ein Früher und Später annehmen, können wir das, was da geschieht, überhaupt als ein Ereignis, etwa als „Urknall“ verstehen.
Doch hier entsteht nun ein Problem, wenn wir belehrt werden, die Zeit selbst sei erst mit dem „Urknall“ vor 13,7 Mrd. Jahren entstanden. Dadurch wird verneint, dass es einen Zeitpunkt vorher gab, und damit wird eine zentrale Bedingung dafür verletzt, dass wir das fragliche Ereignis, den „Urknall“, die Entstehung des Universums vor 13,7 Mrd. Jahren, überhaupt noch als zeitliches Ereignis verstehen können. Und daraus folgt: Aussagen wie diese: die Zeit ist vor 13,7 Mrd. Jahren entstanden, sind unsinnig. Denn entweder sie machen mit „vor 13,7 Mrd. Jahren“ eine verständliche Zeitangabe, dann müssen wir (gegen die Astrophysiker) eine frühere Zeit noch vor jenem Zeitpunkt annehmen, als der „Urknall“ noch nicht stattgefunden hatte (und eine Zeit danach, als er und das Universum da waren). Oder wir nehmen (mit den Astrophysikern) an, dass es keine frühere Zeit gab, dann können wir die Worte „vor 13,7 Mrd. Jahren“ nicht mehr als Bestimmung eines („Urknall“-) Ereignisses in der Zeit verstehen, mehr noch: wir verstehen gar nicht mehr, was es überhaupt heißen soll, dass sich da etwas (genannt „Urknall“) ereignet.

@ TomS, was mir bei deinem Signum einfällt: Diese begriffliche Reflexion ist eine Anwendung dessen, was Wittgenstein geschrieben hat: „Die richtige Methode der Philosophie wäre eigentlich die: […] immer wenn ein anderer etwas Metaphysisches sagen wollte [wie: die Zeit sei mit dem Urknall entstanden], ihm nachzuweisen, daß er gewissen Zeichen in seinen Sätzen keine Bedeutung gegeben hat.“ So Wittgenstein in § 6.53 des „Tractatus Logico Philosophicus“, wo auch der von dir zitierte Spruch mit der Leiter herkommt. Nun muss man nicht so weit gehen wie Wittgenstein am Ende: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen“. Aber den Paradoxien und begrifflich-logischen Widersprüchen, die hier kursieren, sollte man, wie ich meine, mal konsequent nachgehen.

Ich gehe hier nicht so weit, den Astrophysikern vorzuwerfen, dass sie mit solchen Sätzen bloßen Unsinn von sich geben, weil ich den Eindruck habe, dass sie hier nur zwei verschiedene Zeitverständnisse miteinander vermengen, allerdings ohne das zu erklären: (a) unser Alltagszeitverständnis, nach dem es zu jedem beliebigen datierbaren Zeitpunkt einen früheren und späteren Zeitpunkt gibt; deshalb ist diese Zeitdimension auch unendlich und es kann keinen „Anfang in der Zeit“ geben sowie keinerlei Denkverbote in eine Vergangenheit beliebig weit vor dem „Urknall“. Das andere Zeitverständnis ist offenkundig (b) die zusammengeschriebene „Raumzeit“ aus der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART).

Der zeitlogische Widerspruch lässt sich auflösen, wenn man die Aussage der popularwissenschaftlichen Astrophysiker so versteht: Das Universum, und mit ihm „die Raumzeit“-nach-(b) (d. h. nach Begriffen der ART), sind "vor 13,7 Mrd. Jahren"-nach-(a) entstanden (d. h. „vor 13,7 Mrd. Jahren“ verstanden nach unserem gewöhnlich-sprachlichen Zeitverständnis). Damit verschwindet der eingangs genannte Widerspruch, da es die ART-„Raumzeit“ in Begriffen unseres gewöhnlich-sprachlichen Zeitverständnisses eben nicht immer gegeben hat, sondern wir eine Zeit denken können (und müssen), nämlich vor dem „Urknall“, als es sie noch nicht gab. Das eröffnet ferner den nötigen zeitlichen Spielraum, um über die physikalischen Bedingungen in einer Zeit vor dem „Urknall“ theoretisch nachzudenken, wie oben schon angemerkt wurde – was ja andernfalls begrifflich ausgeschlossen wäre.

Einer ähnlichen kritischen Revision sollte man m. E. auch die Redeweisen von „Singularitäten“ unterziehen. Unbestritten ist, dass es kollabierte Sternenreste im Universum gibt, die aufgrund ihrer enormen Schwerkraft (u. a. mit einer Fluchtgeschwindigkeit höher als die Lichtgeschwindigkeit) dunkel geworden sind, mit einem Wort: dass es „Schwarze Löcher“ gibt. Aber diese Objekte als „Singularitäten“ zu deuten, in denen Materie/Energie auf einen Punkt mit der Ausdehnung Null konzentriert ist, die mithin eine unendliche Dichte haben und in denen „die Zeit stillsteht“ – mit Deutungen wie dieser sind wir wieder bei (sorry) schlechter Metaphysik. Jedem von uns ist bei näherem Nachdenken klar, dass dieses Konstrukt nicht nur eingestandenermaßen physikalisch nicht mehr beschreibbar ist, sondern schlicht begrifflicher Unsinn. Glaubt denn wirklich einer, der nur kurz selbst darüber nachdenkt, dass es ausdehnungslose „Punkte“ mit unendlicher Dichte im physikalischen Universum geben kann? Und dass dort „die Zeit stillsteht“? Wenn man sich à la Wittgenstein vor Augen führt, was die Bedingungen für eine sinnvolle Anwendung von Begriffen wie „Zeit“ und „stillstehen“ sind, wird man sich schnell klar darüber, dass „die Zeit“ ebenso wenig „stillstehen“ kann wie sie einen „Anfang“ haben kann.

Auch hier gehe ich davon aus, dass die theoretischen Physiker durchaus nicht derlei Unsinn im Kopf haben, wenn sie so reden. Meiner Diagnose nach haben wir es hier mit verschiedenen Begriffssystemen zu tun, die nicht ohne Weiteres ineinander überführbar sind. Aber die Physiker geben uns keinen Aufschluss darüber, was aus ihren physikalisch wohldefinierten Raum- und Zeitbegriffen wird, wenn sie diese einfach in unsere Alltagssprache überführen. Dass dieser naive Transfer in Fragen wie dem „Urknall“ oder „Singularitäten“ misslingt und in Paradoxien führt, sollte uns Anlass geben, zurückzufragen, wie, wenn überhaupt, die Raum-Zeit-Begriffe in der theoretischen Physik in unseren alltagssprachlichen Raum-Zeit-Begriffen gedeutet werden können, ohne dass es zu groben Missverständnissen kommt.

Manchmal denke ich, dass den Astrophysikern und theoretischen Physikern, die sich öffentlich zu Wort melden, ein wenig methodische Selbstreflexion in dieser Hinsicht und auch ein wenig Bescheidenheit guttun würde. Michio Kaku, der oben ja schon zitiert wurde, war immerhin bescheiden genug, um in einer Doku mal zu erklären: der Ausdruck „singularity“ bedeute eigentlich: „we don’t know“, m. a. W.: Es ist ein Platzhalter für etwas, was wir nicht verstehen. In einer ähnlichen Lage scheinen wir zu sein, wenn es um den „Urknall“ geht.
Oder?

Natürlich kann man hier immer weiter theoretisieren, aber das führt, wie schon Immanuel Kant klar diagnostiziert hat, in Fragen wie dieser, ob es einen „Anfang in der Zeit“ gibt u. Ä., notwendig in Widersprüche. Ein Feld endloser Spekulationen, das ja zugegebenermaßen intellektuell spannend und inspirierend ist, aber eben endlos und unentscheidbar. Vielleicht kommen wir nicht umhin, zu akzeptieren, dass wir in diesen sogenannten „letzten Fragen“ nie definitives Wissen haben werden Kant nannte das Feld dieser Fragen die „Metaphysik“. Ich finde es merkwürdig, dass die moderne Physik hier zur Metaphysik wird, leider in Teilen zu einer logisch unreflektierten, die viele Missverständnisse weckt.

Beste Grüße in die Runde
 

mac

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Hallo Exonavigator,

beklagst Du in Deinem Text ganz allgemein die Schwierigkeiten der Physiker und Mathematiker beim Transport der Botschaft? Oder beziehst Du ihn konkret auf die hier gegebenen Antworten auf Emilys Frage?

Im ersten Fall fürchte ich, bist Du beim Transport ebenso jämmerlich gescheitert, obwohl ich (im Zweifel gerne) vermute, daß Du nicht etwas falsches geschrieben hast. Im zweiten Fall ist es mir nicht gelungen die Stellen in unseren Antworten an Emily zu finden, die gegen Deine Erwartungen verstoßen haben, was aber möglicherweise nur am ersten Fall liegt? Zumindest habe ich mir in meiner Antwort an Emily mühe gegeben die von Dir genannten Klippen zu umschiffen, ohne sie komplett zu verbergen.

Es wäre vielleicht hier mal der Anlaß gegeben, den Versuch zu wagen, genau die von Dir angesprochenen Schwierigkeiten in einer Sprache zu formulieren, die auch jemand versteht, der weder der physikalischen Formulierung folgen kann, noch Deinem oder auch meinem Satzbau? Daran würde ich mich, so wie ich dazu Zeit habe, auch gerne beteiligen.

Herzliche Grüße

MAC
 
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Alex74

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Wir verstehen das aber nur deshalb und solange überhaupt als ein zeitliches Ereignis (ein Ereignis in der Zeit), wie wir einen Zeitpunkt davor (vor dem „Urknall“ vor 13,7 Mrd. Jahren) voraussetzen, zu dem es das, was da entstanden sein soll (das Universum), noch nicht gab, und einen Zeitpunkt danach, an dem das Besagte (das Universum) dann da war
Das ist falsch, man braucht kein "davor" um einen Zeitpunkt zu definieren. So gibt es für die Zahl 1 im Raum N auch kein "davor", wohl aber ein "danach".
Da sich Zeit in Ursache und Wirkung (bzw. Wahrscheinlichkeit und Folge im subatomaren Bereich) äußern sollte das relativ klar sein, es wird keine "Vorursache" und keine "Vorwahrscheinlichkeit" verlangt um ein Zeitintervall von heute bis zu t=0 zu bestimmen.
Damit sind Deine Schlußfolgerungen allesamt falsch.

begrifflicher Unsinn
Die Physik kümmert sich nicht darum was wir noch in sinnvolle Begriffe fassen können.
Aber wenn Du eine brauchbare Beschreibung für das Innere von SL hast, und damit eine Art Theorie der Quantengraviation, dann such Dir schonmal einen Schlips für Oslo aus.

eingestandenermaßen physikalisch nicht mehr beschreibbar ist
Wer gesteht das angeblich ein? Praktisch kann man das beschreiben. Leider ist wie gesagt nicht ganz klar welche Beschreibung man dafür bevorzugen sollte - ART oder Quantengesetze.

wird man sich schnell klar darüber, dass „die Zeit“ ebenso wenig „stillstehen“ kann wie sie einen „Anfang“ haben kann.
Und warum soll sie keinen Anfang haben können?

Meiner Diagnose nach haben wir es hier mit verschiedenen Begriffssystemen zu tun, die nicht ohne Weiteres ineinander überführbar sind
Richtig: Das von Fachleuten die sich ihr ganzes Leben lang 8 Stunden am Tag, 5 Tage die Woche mit solchen Sachen intensiv beschäftigen und jenes von - meinetwegen interessierten - Laien. Letztere beziehen ihr Begriffssystem - wie man an Deinem Beitrag schön sieht - aus popularwissenschaftlicher Literatur von Fachleuten, die in diesen Büchern versuchen, das ganze mit Begriffen die Laien verstehen zu erklären.
Wenn nun ein Laie versucht, auf Basis solcher Übersetzungsversuche von Fachleuten seine eigenn Theorien aufzubauen kann das nicht gut gehen.

Insofern wäre es eher an Dir, folgendes zu tun:
ein wenig methodische Selbstreflexion in dieser Hinsicht und auch ein wenig Bescheidenheit guttun würde

der Ausdruck „singularity“ bedeute eigentlich: „we don’t know“, m. a. W.: Es ist ein Platzhalter für etwas, was wir nicht verstehen. In einer ähnlichen Lage scheinen wir zu sein, wenn es um den „Urknall“ geht
Das hier noch als klassisches Beispiel für ein grundlegendes Mißverständnis: es wird nirgends gefordert, daß der Urknall selbst, oder das innere von SL, eine Singularität sein soll.

das führt, wie schon Immanuel Kant klar diagnostiziert hat, in Fragen wie dieser, ob es einen „Anfang in der Zeit“ gibt u. Ä., notwendig in Widersprüche
Ich wiederhole: warum?

Gruß Alex
 

Exonavigator

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Hallo MAC,

du hast recht, eine konkrete Antwort auf Emilys Frage sollte mein Beitrag nicht sein, und sorry, ja, ich wollte begrifflich-logisch möglichst genau sein, doch ist das wohl ziemlich theoretisch geblieben – aber das waren eure Beiträge ja z. T. auch. Er bezog sich nur auf ein begriffliches Problem in der Rede von „Zeit“ und „Singularitäten“, wobei auch du, MAC, den „haarsträubende[n] Zustand“ ansprachst, „den man beim bisher dazu möglichen Nachdenken doch lieber vermeiden würde, wenn man wüßte wie“. Ich habe einen Vorschlag gemacht, auf den Punkt zu bringen, was wir alle (wenn wir ehrlich sind) daran haarsträubend finden: nämlich grundlegende Widersprüche für unser (gewöhnliches) Verständnis von Raum und Zeit – die nicht etwa eingebildet sind oder nur aus Unkenntnis der fachlichen Materie hervorgehen, sondern aus dem Transfer dieser Materie in unser Alltagsverständnis.

Anlass meines Kommentars war aber TomS Diktum, welches man aus der popularwissenschaftlichen Astronomie schon unzählige Male gehört hat (in verschiedenen Worten): dass „der Begriff 'Zeit' nicht 'vor' den Urknall fortsetzbar ist“. Ich habe hier widersprochen und zur Klärung eine Differenzierung eingeführt: a) nach der Logik unseres gewöhnlichen Zeitverständnisses können wir sehr wohl zeitlich weiter zurückdenken, sogar beliebig weit, obwohl das b) die Logik der vierdimensionalen ART-„Raumzeit“ nicht zulässt. Meine Überzeugung ist: Man kommt ohne unser gewöhnliches Zeitverständnis nicht aus, und insbesondere: Wenn man den „Urknall“ als ein zeitliches Ereignis, also ein Geschehen in der Zeit verstehen will, das vor 13,7 Mrd. Jahren stattgefunden hat, dann muss man eine Zeit voraussetzen, innerhalb derer dies stattfand. Diese Zeit, die wir nicht umhin kommen, vorauszusetzen, ist in der Tat die viel verschrieene, vor-relativistische oder „objektive“ Zeit, ohne die wir m. E. nach wie vor gar nicht derartige Datierungen verstehen können. Und dafür gibt es auch gute Argumente - wiewohl ich natürlich zugeben muss, dass die ganze Diskussion um Zeit und temporale Logik (wie alles) in der Philosophie und Wissenschaftstheorie letztlich umstritten bleibt.

@ Alex74: An diesem Ort kann ich diese Argumente unmöglich vortragen, ohne dass es noch theoretischer und formaler würde (und das hätte dann noch weniger Anschluss an Emilys Ausgangsfrage). Ich denke schon, dass der Grundsatz stimmt, und es gibt auch starke Argumente für ihn: Ohne ein Geschehen in eine zeitliche Ordnung zu bringen, innerhalb derer es zum Zeitpunkt dieses Geschehens (wie überhaupt zu jedem beliebigen Zeitpunkt) einen früheren Zeitpunkt gibt, können wir keine zeitlichen Datierungen verstehen. Jenseits theoretischer Argumente möge jeder sich hier selbst mal befragen, ob er verstünde, was ein Datum bedeutete, an dem etwas geschieht (z. B. "urknallt"), wenn es keine Zeit gäbe, in der das geschieht, mit einem Früher und Später. Die Analogie zu den Zahlen schlägt hier aus meiner Sicht fehl, wobei ich zur Mathematik dahinter nichts sagen kann.

Für die theoretischen Hintergründe, auch zu der Frage, warum wir uns bei Fragen nach einem absoluten „Anfang in der Zeit“ notwendig in Widersprüche verwickeln, verweise ich auf Kants Behandlung der Gegensätze „Die Welt hat einen Anfang in der Zeit […]“ einerseits und „Die Welt hat keinen Anfang […]“ andererseits in der „Kritik der reinen Vernunft“, wo für beide, einander ausschließende Grundsätze scheinbar zwingend argumentiert werden kann. Solche Gegensätze heißen bei Kant „Antinomien“, doch ob und wie sie aufgelöst werden können, das ist eine komplexe philosophische Diskussion, die ich an diesem Ort unmöglich skizzieren kann. Sieh dort mal nach, falls du Interesse hast.

Beste Grüße
 

Alex74

Registriertes Mitglied
Ohne ein Geschehen in eine zeitliche Ordnung zu bringen, innerhalb derer es zum Zeitpunkt dieses Geschehens
Hier tritt das Mißverständnis offen hervor:
Für n=0 befindet sich n innerhalb eines Intervalls das bei 0 beginnt. Gleich welche Menge Zahlen oder Reihen Du nimmst, das kleinste bzw.erste Element daraus ist Teilmenge und in dieser eindeutig zu bestimmen.
Um zu wissen daß n=0 ist und in welchem Bezug es zu den anderen Zahlen steht braucht man kein x=-1, ebenso wie man keinen Punkt nördlich des Nordpols braucht um diesen zu definieren.

verweise ich auf Kant
Könntest Du bitte jemanden zitieren, der a) vom Fach ist und b) auch auf dem Stand der Dinge? Darüberhinaus ist das keine Antwort auf meine Frage.
 

mac

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Hallo Exonavigator,

a) nach der Logik unseres gewöhnlichen Zeitverständnisses können wir sehr wohl zeitlich weiter zurückdenken, sogar beliebig weit, obwohl das b) die Logik der vierdimensionalen ART-„Raumzeit“ nicht zulässt. Meine Überzeugung ist: Man kommt ohne unser gewöhnliches Zeitverständnis nicht aus,
Ich glaube daß ich verstehe was Du hier meinst, ich fürchte aber, daß Du das nicht gut genug durchdacht hast (was ich natürlich auch für mich nicht ausschließen kann)

Ich will versuchen Dir ein, im wahrstmöglichen Sinne anschauliches Beispiel zu geben, mit dem Du Dir einen solchen Vorgang versuchen kannst vorzustellen, auch wenn dieses Beispiel, wie fast immer hinkt.

Vielleicht hast Du das selber schon einmal versucht, vielleicht auch nicht. Nimm ein gewöhnliches Vergrößerungsglas http://www.didakthaus.de/images/KUE10367.jpg und halte es dicht vor Deine Augen. Du siehst die Welt ‚richtig herum‘ (wenn auch vielleicht etwas unscharf durch das Glas hindurch. Nun vergrößere den Abstand zwischen dem Glas und Deinen Augen, die Welt hinter dem Glas wird immer größer, bleibt aber richtig orientiert. Du kommst aber recht bald zu einem Punkt, bei dem Du bei dem Bild hinter dem Glas auf jeden Fall die Orientierung verlierst, was genau Du, enorm vergrößert, von der Welt dahinter siehst. Und nach einem Übergang, den Du, egal wie ruhig Du das Glas auch hältst und wie langsam und sorgfältig Du versuchst, diesen Moment zu erhaschen, ihn dennoch nicht mit Deinem Gesichtssinn verfolgen und beobachten kannst, aber danach hat sich das Bild ganz ‚merkwürdig‘ verändert. Oben und Unten und Links und Rechts sind vertauscht.

All unsere Erfahrung und unser intuitives Wissen von der Welt sagt uns, daß sich die Welt um uns herum niemals plötzlich umkehrt und dennoch kannst Du genau das mit dem Vergrößerungsglas beobachten. Bis zu einem ganz bestimmten Abstand (hier die Brennweite der Linse) in cm sieht sie normal aus und ab diesem Abstand ‚steht sie Kopff‘ Die Brennweite ist der Startpunkt von etwas Neuem, das sich nicht über die Brennweite hinaus fortsetzen läßt.

Herzliche Grüße

MAC
 

Exonavigator

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Hallo MAC,

super Veranschaulichung, ja! Diese ‚Umkehrung‘ erinnert mich an Visualisierungen dazu, was ein Beobachter sehen würde, der sich dem Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs nähert, hier ein Youtube-Film dazu (womit wir auch endlich wieder beim Thema wären):
http://www.youtube.com/watch?v=eI9CvipHl_c

So etwas sind natürlich stets nur räumliche Veranschaulichungen. Die Frage wäre, wie sich die Zeit an solch extremen Orten verändert. Für einen äußeren Beobachter sähe es so aus, als ob sich die Zeit desjenigen, der sich dem Ereignishorizont nähert, dehnt, bis dessen Erscheinung mit zunehmender Rotverschiebung dunkel wird – das kennen wir alle aus zahllosen Dokus und Büchern, soweit klar.

Aber wie würde der Besucher des Schwarzen Lochs selbst seine Zeit erleben, während aufwärts gesehen alles immer schneller geht und blauverschobener erscheint? Hätte der Zeitverlauf, dem er ausgesetzt wäre, schließlich überhaupt noch den Charakter der uns vertrauten Zeit? Oder würden die Abfolgen, die unsere „Zeit“ definieren (die sog. relationale Zeitreihe „früher/später/zugleich“ sowie die modale Reihe des „vergangen/gegenwärtig/zukünftig“), schließlich so ‚umgekehrt‘, oder ‚vertauscht‘, um in deinem Bild zu bleiben, dass er diese gar nicht mehr als zeitliche Ordnung erfahren würde? Deine Metapher von der Lupe könnte ziemlich gut passen, um dieses ‚Kopfstehen‘ der uns vertrauten Dimensionen von Raum und Zeit an extremen Orten wie Singularitäten oder im Urknall zu versinnbildlichen.

Zu deinem Verdacht, dass ich das zeitlogisch nicht hinreichend durchdacht habe: Du hast fraglos Recht, es war ja auch nur ein Anfang, aber wenn wir dein Beispiel hier übertragen können, müssen wir differenzieren: Wie wären die zeitlichen Vorgänge zu beschreiben a) vom Standpunkt des äußeren Beobachters, und b) vom Standpunkt innerhalb des Geschehens? Vom äußeren Standpunkt aus besehen, bin ich zuversichtlich, dass meine These zur Zeitlogik soweit stimmt (da gibt es immer ein Vorher und Danach bzw. Früher und Später, um den Vorgang beschreiben zu können). Aber was ist, wenn man von den relativistischen Effekten selbst betroffen wäre?

Danke für die Anregung,

mit herzlichem Gruß zurück
 

Alex74

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Ohne daß Du die Mathematik der ART oder Quantentheorie verstehst ist es einigermaßen sinnlos, über Zustände wie in einem SL zu philosophieren.
Nochmal: Niemand geht wirklich von einer Singularität aus. Es ist ein theoretischer Begriff, der bereits durch unser Wissen um solche Zustände hinfällig ist. So ist z.B. eine Singularität in einem SL bereits durch die Unschärferelation unmöglich, die im SL gefangenen Teilchen bilden wohl also eine Art Aufenthaltswolke, das Gravitationspotential wird innerhalb dieser also wieder flacher, womit die Zeit hier also nicht stehen bleibt. Wie man sich das im Detail vorszustellen hat ist aber unklar solange das Verhältnis von ART und Quantenphysik bei so kleinen Skalen nicht eindeutig geklärt ist. "Singularität" ist nur eine Veranschaulichung dessen was da passieren würde wenn es das könnte. Kann aber nicht. Und von dem ganzen Zeug hat Kant noch keinen Schimmer gehabt.

Gruß Alex
 

mac

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Hallo Exonavigator,

aber wenn wir dein Beispiel hier übertragen können
das ist die Gefahr solcher Hilfskrücken. Sie funktionieren nicht als Ersatz für ein wirkliches durchdringen der Problematik und schon gar nicht für alle Aspekte.

Meine Absicht bei diesem Beispiel habe ich vollständig erreicht, wenn Du über Deine Auffassung zu einem Beginn der Zeit, zumindest so weit verunsichert bist, daß Du über die Sache nochmal aus einem anderen Blickwinkel nachdenkst.


Weitere Schlußfolgerungen daraus von meiner Seite wären (zumindest bei meinem Wissensstand dazu) für mich nicht mehr ausreichend sicher von GDM (gegen den Mainstream) abzugrenzen und gehören daher nicht hier her und ganz besonders nicht in eine Antwort an Emily.

Herzliche Grüße

MAC
 

Exonavigator

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Ah, @ Alex:

Endlich mal ein vernünftiges Wort zu dem Konstrukt der "Singularitäten"! "Niemand geht davon aus"? Da kenne ich aber vieles, auch in der Fachliteratur, egal. Interessant übrigens auch, dass die Stringtheorie ebenfalls keine Singularitäten zulässt - da gibt es auch einen kleinstmöglichen Raum (vgl. die "Calabi-Yau-Räume", Brian Greene: "Das elegante Universum", S. 375 ff.). Die gute Nachricht daran: So ergeben sich auch nicht die Paradoxien, die ich oben kritisiert hatte und auch der alte Kant hätte soweit keine Probleme damit ;) (die Frage, wie Kausalitäten hier zu denken sind, mal außer Acht gelassen). Das sind übrigens (auch, nicht nur) metatheoretische bzw. semantische oder begrifflich-logische Fragen, die durchaus in den Zuständigkeitsbereich der Philosophie fallen.

Für eine Antwort auf die zweite Frage von Emily ist diese negative Feststellung zu "Singularitäten" insofern relevant, als Schwarze Löcher dann eben auch keine sog. "Weißen Löcher" mit "Urknall"-Qualität sein können. Das geht doch nur, wenn sie, als "Singularitäten", echte Wurmlöcher sind, oder? Aber ich fürchte, auch diese Frage ist wieder hart an der Grenze der Verständlichkeit ...

Beste Grüße
 

ralfkannenberg

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So gibt es für die Zahl 1 im Raum N auch kein "davor", wohl aber ein "danach".

Hallo Alex,

es ist algebraisch ein etwas unglückliches Beispiel, obgleich es logisch gesehen ein sehr gutes Beispiel ist. Algebraisch deswegen, weil man die Halbgruppe der natürlichen Zahlen bis auf Isomorphie eindeutig auf die Gruppe der ganzen Zahlen erweitern kann; logisch indes sehr gut, denn aufgrund der Peano-Axiome gibt es nichts vor dem Startelement 1.

Natürlich ist es irgendwie unschön, ein Element davor per Axiom auszuschliessen, wird ein "Kritiker" einwenden. Bei allem Verständnis eines solchen Einwandes muss man auch festhalten, dass er zwar das richtige meint, aber dennoch falsch ist. Denn im Modell der Peano-Axiome gibt es kein Vorgängerelement zum Startelement, d.h. eine Erörterung eines solchen Elementes ist im Rahmen dieser Axiome sinnlos. Es könnte höchstens sein, dass sich der Zeitbegriff mit einem solchen Modell eben nicht beschreiben lässt; in diesem Falle wäre nicht das Modell falsch, sondern nur seine Anwendung. Ob also ein Modell anwendbar ist entscheidet letztlich das Experiment.

Man kann es sich aber auch etwas praktischer vorstellen und nehme die Mengenlehre zu Hilfe: es gibt nämlich eine Menge, die vor allen anderen Mengen ausgezeichnet ist, und das ist die leere Menge.

Man fängt also mit der leeren Menge an, ich nenne sie M1.
Dann definiere ich eine Menge M2, die die leere Menge enthält.

M1 und M2 sind verschiedene Mengen, denn M2 enthält ein Element (die leere Menge), M1 indes ist die leere Menge und enthält definitionsgemäss kein Element.

Nun definiere ich die Menge M3, die aus M1 und M2 bestehen soll, also in Mengenschreibweise: { {}, { {} } }. Die beiden Elemente dieser Menge sind also die leere Menge und die Menge, die die leere Menge enthält. Die Menge M3 unterscheidet sich von M1 und M2, denn sie enthält zwei Elemente, während M2 nur ein Element enthält und M1 gar keines.

So kann ich fortfahren und man "sieht" (auf den exakten Formalismus wollen wir hier stillschweigend verzichten, das ist eine langweilige Fleissaufgabe), dass diese Konstruktion gleichwertig zu den Peano-Axiomen und somit zu den natürlichen Zahlen ist.

Worauf ich hinauswill: diese Konstruktion aus der leeren Menge kann man nicht weiter zurückführen, denn es gibt nicht eine Menge, die noch "leerer" als die leere Menge ist.

Das ist nun der mathematische Teil meines Einwandes.

Allerdings stellt man sich das mit der Zeit anders vor und dieses Bild wurde ja auch schon von Tom S. verwendet. Man stellt sich den Zeitstrahl als höherdimensionales Gebilde vor, z.B. als Kugel, und wenn man nun zum Südpol "hinunterwandert", so kann man nicht noch weiter hinunterwandern - vom Südpol aus kann man nicht weiter nach "Süden" wandern.

Ich bitte Tom S. um Nachsicht, dass ich nicht seinen Nordpol verwendet habe, den man in diesem Zusammenhang üblicherweise verwendet; beide Pole sind hier gleichwertig, und wenn man mal mit stereographischen Projektionen oder der Riemann'schen Zahlenkugel zu tun hat, dann wird eben der Südpol der Null zugewiesen und der Nordpol dem unendlich fernen Punkt.

Das folgende nur noch für "Eingeweihte": dieser unendlich ferne Punkt kann "plus unendlich" oder "minus unendlich" sein, oder i*unendlich oder (-i)*unendlich oder auch irgendwie "schief unendlich"; man landet dabei immer am Nordpol. "Landen" heisst: auf der Riemannschen Zahlenkugel konvergieren Folgen bei über alle Grenzen anwachsendem Betrag der Zahl in der Zahlenebene zum Nordpol. In diesem Zusammenhang spricht man auch von einer "Einpunktkompaktfizierung", d.h. eine vormals offene Menge (wie z.B. die Zahlenebene bzw. ihre bijektive Abbildung vermöge der stereographischen Projektion auf eine Kugel ohne Nordpol) wird durch Hinzunahme eines einzigen Punktes ("Nordpol") zu einer abgeschlossenen Menge.

Zurück zum Urknall: ob dieses Modell mit der höherdimensionalen Zeit und einer "Zeitkugel" die Natur richtig beschreibt ist natürlich auch nicht gesagt; so könnte eine Super-Vereinheitlichung (d.h. einschliesslich der Gravitation) so funktionieren, dass die Gravitation sich schon wenige Planck-Zeiten vor dem Urknall abgekoppelt hat und danach die Urknall-Singularität mit Quantenphänomenen durchtunnelt wurde; tatsächlich ist unser Wissen über die Hochenergiephysik, die in der Prä-Inflationsära geherrscht hat, zu wenig verstanden, um hierüber wirklich gute Aussagen liefern zu können.

Das ist wie gesagt alles völlig hypothetisch !

Quellenangabe ? Ich weiss es leider nicht mehr ... - ich habe das vor vielen Jahren mal gelesen; es gibt sicherlich irgendeine Publikation dazu, aber ich weiss nicht, welche das ist. Wenn sie mal jemand findet wäre ich dankbar.


Freundliche Grüsse, Ralf
 
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