Hallo Bynaus,
es ist sicher so, daß weder Du noch ich noch sonst jemand, bis es so weit ist, sagen kann, was sich bei einer solchen Begegnung auf molekularer Ebene alles abspielen wird.
Ich gehe aber bei meinen Überlegungen dazu von einem ganz bestimmten Ansatz aus.
Der größere Teil unserer Erbinformation ist identisch zwischen Einzellern und Mehrzellern bis hin zum Menschen. Man könnte also sagen, daß der Löwenanteil der Probleme beim Zellaufbau und seinen Funktionen lag. Alles andere sind nur noch Varianten dieser funktionierenden Grundlösung. Bestimmte Baugruppen kommen in jeder Zellmembran vor. Aber diese Baugruppen unterscheiden sich bei geschlechtlich vermehrten Mehrzellern dennoch bis hinab zur Individuumebene. (Der Schlüssel für die Erkennung von Self)
Nur wenn man voraussetzt, daß sich extraterrestrisches Leben mit eben genau diesen, bei allen gemeinsam vorkommenden Strukturen gebildet hat, gibt es guten Grund zu der von Dir vertretenen Annahme, daß unsere Immunabwehr schnell genug reagieren wird. Das mag so sein, aber nur dann, wenn die irdische Lösung des Problems ‚Leben‘ die einzig mögliche, oder zumindest die mit Abstand wahrscheinlichste ist. Es fällt mir schwer, sowas zu glauben.
Unsere Immunabwehr ist zwar in der Lage gegen fast jede Substanz zu reagieren, aber sie ist optimiert auf die Substanzen, die sich in der Zellmembran (der Eindringlinge) befinden.
Ein Eindringling der sich entweder selber vermehren kann, oder unsere Körperzellen dafür befällt, wird entweder selber oder die befallenen Zellen werden erkannt und letztlich gefressen. Das dauert im Bereich von einigen Tagen, bis unsere Immunabwehr seine Vermehrung überflügelt hat.
Die Erkennung und Reaktion von Substanzen, die nicht zu solchen Zellmembranen gehören, kann dagegen Jahre dauern und geschieht keineswegs immer. Ich weiß nicht was daraus geworden ist, aber vor einigen Jahren hat man die Idee diskutiert, daß zumindest einige Allergien durch ‚Langeweile‘ des Immunsystems (durch zu intensive Hygiene) ausgelöst werden.
Und es gibt Substanzen, die fast nie als not self erkannt werden. Bevorzugt bei Implantaten.
Es geht bei meinen Gedanken dazu nicht primär darum, daß unsere Ökosphäre gar nicht in der Lage sein wird mit diesen extraterrestrischen Lebensformen klar zu kommen, es geht vielmehr um den Preis den wir bereit sind dafür zu zahlen, bis sich beide Systeme aufeinander eingestellt haben. Der Preis könnte allerdings auch lauten, daß nur eines von beiden Systemen überlebt. Wie wahrscheinlich das ist, können wir bisher nicht testen.
Eine Eigenschaft, die auf ausserirdische Mikroorganismen nicht zutreffen kann.
das ist richtig, aber das war anders herum gemeint, wie ich hoffentlich inzwischen besser erklärt habe.
Funktioniert das Immunsystem nicht nach dem Prinzip: Alles, was nicht als self erkannt wird, wird bekämpft? Alles andere würde keinen Sinn machen.
Ja, im Wesentlichen funktioniert es so. Nur bei den passiven Substanzen kann es sich mehr Zeit lassen, was es wohl auch tut.
Aber das heisst auch, so lange die ausserirdischen Bakterien nicht zufälligerweise 1) Eigenschaften haben, dank denen sie als "self" erkannt werden, oder zufälligerweise 2) Eigenschaften haben, die automatisch unbekämpfbar machen, sollte es ihnen nicht anders ergehen als irdischen Bakterien auch.
Ja. Sie müssen aber garnicht unbekämpfbar sein. Es genügt schon, wenn sie eine zu schwache Immunreaktion provozieren.
Unsere Immunabwehr muss ja auch erst aufgebaut werden. Wir sind nicht von Geburt aus in der Lage, mit bestimmten Pathogenen fertig zu werden, sondern müssen das erst durch Kontakt (entweder durch Erkrankung oder Impfung) "lernen" (oder in schlimmeren Fällen beim Versuch sterben oder lebenslange Folgen davontragen).
Ja, das ist richtig. Aber selbst den irdischen Preis (50% Überlebende Kinder und über 60% Tote bei manchen Seuchen) würde keiner von uns freiwillig zahlen.
Ich sehe nicht, warum das Immunsystem keine Chance haben sollte, bei ausserirdischen Organismen eine Abwehr zu entwickeln.
Auf Dauer mag das gehen. Du brauchst dazu einige ganz wenige Individuen, die diese erste Welle überleben, weil sie z.B. einen Immundefekt der richtigen Art, oder vielleicht eine Allergie gegen alles was existiert haben. Das wäre aber ein Preis, den ich nicht zahlen möchte. Es kann auch umgekehrt gewichtet sein. ‚Sie‘ haben uns nichts entgegenzusetzen. Nur genügt es dann nicht ihre Bäume, ihre Tiere, ihre Fische zu überflügeln, man tritt dabei gegen jede einzelne ‚Bakterienart‘ an und da ist es sehr wahrscheinlich, daß das nicht 1:0 ausgeht.
Die Diversität der irdischen Bakterien untereinander wird kaum kleiner sein als die Diversität zwischen irdischen und ausserirdischen Bakterien.
Denk mal an den, allen irdischen Lebewesen gemeinsamen Teil des genetischen Codes. Du setzt hier z.B. voraus, daß sie dasselbe Replikationsverfahren entwickelt haben, daß sie denselben Zellstoffwechsel haben, dieselben Lösungen für den Stoffaustausch durch die Zellmembranen, und und und. Keine Ahnung, ob es nur unsere Lösung dieser Probleme gibt? Keine Ahnung, ob sie mit Abstand die beste ist und deshalb existiert.
Ich denke deshalb, wenn ausserirdische Bakterien überhaupt biochemisch kompatibel sind, sind sie für das menschliche Immunsystem keine grössere Gefahr als die irdischen Bakterien.
Um zu fressen oder gefressen zu werden, muß man nicht biochemisch kompatibel sein, es genügt (zumindest zur Nahrungsergänzung) chemische Kompatibilität. Wenn sie biochemisch so kompatibel sind, daß unsere Immunabwehr sie ebenso potent erkennt und reagiert, wie bei hiesigen Zellen, dann haben sie für die meisten Probleme dieselbe Lösung gefunden wie ‚wir‘. Mag sein, aber glaubst Du das?
Bedenkt man zusätzlich, dass es irdische Bakterien gibt, die sich auf den Menschen spezialisiert haben (und andere, die sich auf andere "Träger" spezialisiert haben), würde ich sagen, dass die Gefahr im Allgemeinen sogar eher kleiner ist, einem ausserirdischen Mikroorganismus zum Opfer zu fallen.
Die irdischen müssen sich spezialisieren, weil ihre Zellmembran sie verrät. Die außerirdischen kommen mit einer schwer durchschaubaren Tarnkappe, die müssen nicht blitzschnell sein und 37° als ideale Vermehrungstemperatur haben und all‘ so Sachen...
Du setzt voraus, daß sich nach denselben Regeln Schach spielen müssen, weil sie ein ähnliches Brett (Chemie) benutzen
Genau. Trotzdem glaube ich nicht, dass es eine Feinabstimmung ausgerechnet des menschlichen Immunsystems mit der GANZEN Bakterienwelt des Planeten gibt.
Auf Zellebene sind wir genetisch mit allen hier weitgehend verwandt.
Zudem dürfte das fremde Ökosystem seinerseits in einer Feinabstimmung mit den jeweiligen Trägerorgansimen existieren, und so lange diese nicht ausserordentlich menschenähnlich sind, dürfte es ausser für ein paar "Glückspilze" schwierig sein, einfach so zu wechseln.
Im Kühlschrank wächst auch Schimmel – weit weg von seinen idealen Bedingungen, nur halt langsamer. Und was Du zu den Glückspilzen schreibst: Das kommt noch dazu. Es genügt ein einziger Glückspilz für die Katasrophe. (Analog zur Pest z.B.)
Nochmal zusammengefaßt: Ich halte es für möglich, daß Du mit Deinem Optimismus dazu (wenn auch aus anderen Gründen) viel näher bei der Wirklichkeit liegst, als ich. Aber ich halte das für sehr wenig wahrscheinlich. Wirklich besser werden wir alle es erst dann wissen, wenn wir Leben finden, das nicht den gleichen Ursprung hat wie bei uns, oder vielleicht auch schon dann, wenn wir mal so weit kommen daß wir Lebenswerdung simulieren können.
Herzliche Grüße
MAC